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nmz-archiv
nmz 2001/04 | Seite 26
50. Jahrgang | April
Jugend musiziert
Zurück zu der Wiege unserer Kultur
Jugend musiziert-Preisträger berichten von ihrer
Reise durch Griechenland
Das Quintett mit Rolf Jansen, Nicolas Altstaedt, Lena Eckels,
Johannes Brandl und Christoph Altstaedt fand sich zum ersten Mal
im Januar 2000 auf einer Arbeitsphase des Bundesjugendorchesters
zusammen, über das sie sich kennen gelernt hatten. Bei dem
Bundeswettbewerb Jugend musiziert wurden sie für
ihre Interpretation des Forellenquintetts von Franz
Schubert mit einem ersten Preis ausgezeichnet und gewannen außerdem
den Klassikpreis 2000 der Stadt Münster und des WDR. Auftritte
in der Kölner Philharmonie, im Konzerthaus am Gendarmenmarkt,
sowie Rundfunkmitschnitte und Konzerteinladungen (Marler Debüt)
folgten. Im Herbst gingen sie auf Einladung des Deutschen Musikrates
zehn Tage auf Griechenlandtournee. Hier der Reisebericht des Quintetts:
Zehn Tage Tournee in Griechenland: darauf hatten wir fünf
uns schon monatelang gefreut und es sollten auch Tage der Hochstimmung
und Ausgelassenheit werden... gerade weil nicht alles so lief, wie
es geplant war. Nach Griechenland fahren heißt in das Land
der Improvisationskünstler fahren. Besonders logistisch wartete
dieses Land mit Überraschungen auf (und zwar zu Luft, Land
und zu Wasser) von denen wir in unseren Erzählungen noch lange
zehren werden. Lustig wurde es jedoch schon in Deutschland, als
uns beim Einchecken ein Anruf aus Athen ereilte: Ob wir denn schon
unterwegs seien? Man habe nach langem Suchen zwar endlich einen
3/4 (!) Kontrabass aufgetrieben, nur eine Hülle gäbe es
nicht.
So wanderte denn der griechische Kontrabass in einer Art Jutesack
von einer Stadt zur nächsten. Die erste Station unserer Reise
war die nordgriechische Stadt Thessaloniki, die uns eher widerwillig
empfing: strömender Regen und Sturmböen seit Tagen. Nun
ließ sich unser Flugkapitän aber von zwei fehlgeschlagenen
Landeversuchen Gott sei Dank nicht beirren, versicherte, er habe
noch Kerosin für zwei Stunden und flöge uns eben nach
Athen weiter, was den gesamten Tourneeablauf auf den Kopf gestellt
hätte. Beim dritten Mal aber klappte es, aber eineinhalb Stunden
Warteschleife und Luftlöcher hatten in Form eines grünen
Gesichtteints deutliche Spuren hinterlassen. Mit großer Herzlichkeit
wurden wir von unseren Gastfamilien empfangen und schon am ersten
Abend gleich auf kulinarische Entdeckungsreise geschickt. Die Meeresnähe
und der Schubertsche Auftrag lauteten natürlich: Fisch!
So haben wir mit Begeisterung und Ausdauer (fast) allabendlich die
Speisekarten griechischer Tavernen abgegrast. Aber auch geschichtlichen
Interessen und sonstige touristischen Ambitionen wurde gebührend
nachgegangen. Durch die Gassen schlendernd, auf den Märkten
stöbernd, antike Ruinen, Ausgrabungsstätten und Kirchen
besichtigend, haben wir uns das Zentrum Thessalonikis, die Plaka
Athens und die Altstadt Chanias erschlossen.
Verkehrstechnisch betrachtet entpuppte sich besonders Athen als
ziemlich chaotisch. Unsere Gastfamilien wohnten in Athener Vororten
verstreut und wir waren gewarnt worden, dass es große Distanzen
zu überwinden gälte. Nun hatten wir aber nach unserem
Konzert im Goethe-Institut beschlossen, doch noch den Abend mit
Rezina abzurunden, um dann per Taxi nach Hause zu fahren. Was wir
nicht wussten war, dass es in Athen einige Straßennamen mehrfach
gibt, viele Straßen nicht beschildert sind und unser Taxifahrer
daher nur eine wage Idee von unseren Adressen hatte. Unser Glück
waren jedoch die uns begleitende Gasttochter und ein Stadtplan im
Handschuhfach, die ermöglichten, dass nach zweieinhalb Stunden
nächtlicher Suche auch der letzte im Bett lag! Lustig war es
auch im Athener Goethe-Institut, wo wir in den Genuss von brandneuen
Notenständern kamen, die so neu waren, dass sie noch verpackt
hinter der Bühne lagen. Sie waren schnell ausgepackt und aufgestellt.
Auch die Deutsche Schule Athen war nicht sonderlich auf uns vorbereitet,
sondern hatte die Lehrer- und Schülerschaft so sehr in die
Vorbereitungen eines zwei Tage später stattfindenden Weihnachtsbasars
eingespannt, dass nur 38 Besucher (inklusive Gastfamilien) unserem
Programm lauschten. Unserer Musizierfreude tat das indes keinen
Abbruch. Wir hatten uns zwei Programme ausgedacht, die alterierend
gespielt wurden und in der ersten Hälfte von Bach über
seltener Gespieltes von Hummel und Dotzauer bis zu Ligeti und Pärt
reichten. Im zweiten Teil erklang immer Schuberts Forellenquintett.
Als amüsant stellten sich auch unsere pädagogischen Pflichten
an den Deutschen Schulen heraus. So durften besonders die jungen
Schüler in die Schönheit sprudelnder Bächlein und
in die hohe Anglerkunst durch Schuberts Originallied (dank der Gesangskünste
unseres Domspatzen Johannes) und den einzelnen Variationen aus dem
4. Satz des Quintetts eingewiesen werden. Chania auf der Insel Kreta
war sicherlich der Höhepunkt der Reise, besonders bedingt durch
die umwerfende Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit der jetzt freischaffenden
Angestellten des inzwischen leider geschlossenen Goethe-Instituts.
Morgens um sechs Uhr bei unser Ankunft wurden wir abgeholt, ein
Riesenfrühstück erwartete uns und während wir die
pittoreske Altstadt und den Hafen besichtigten, waren unsere Gastgeber
damit beschäftigt, den Saal, in dem wir spielen sollten, adventlich
auszuschmücken. Leider hatten wir nur einen Tag für Kreta,
da die Bundeswehr-bedingten Pflichten nach Deutschland riefen, aber:
wir kommen wieder, mit Sicherheit!