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nmz-archiv
nmz 2001/04 | Seite 7
50. Jahrgang | April
Musikwirtschaft
Zwischen Datenstrom und Notenstich
Über die Rolle der Musikverlage in der Zukunft
Angesichts immer ausgereifterer Notensatzprogramme und Internetvertriebsmöglichkeiten
für gedruckte Kompositionen steht die jahrhundertealte Tradition,
dass Komponisten zur Veröffentlichtung und Verbreitung ihrer
Tonschöpfungen Verlage brauchen, zur Disposition.
Was können Musikverlage heute noch anbieten, das Komponisten
dazu bewegt, ihre Freiheit aufzugeben und ihre Werke
einer oft trägen Maschinerie von Lektoren, Herstellern und
Vertrieben in die Hände zu legen? Die Tantiemen für aufgeführte
Werke bekommt der Komponist ja ohnehin über die GEMA ausgeschüttet
vorausgesetzt er ist Mitglied. Braucht man also überhaupt
noch Verlage?
Über diese und andere Zukunftsfragen diskutierte nmz-Herausgeber
Theo Geißler in der Märzausgabe seiner Radiosendung taktlos
mit Dagmar Sikorski (Sikorski Musikverlage), Wolf-Dieter Seiffert
(Henle Verlag) sowie den Komponisten Hans-Joachim Hespos und Moritz
Eggert. Einig waren sich alle Diskutanten darüber, dass sich
die Rolle der Verlage in der Zukunft verändern muss, um ihre
Existenz nicht überflüssig zu machen. War in der Vergangenheit
die Herstellung der Noten, das heißt Notenstich und Druck
der wichtigste Aspekt, so muss zukünftig vor allem Promotion,
das Schaffen von Kontakten im In- und Ausland, das Akquierieren
von Aufführungsmöglichkeiten und der Auftritt im Internet
oberstes Gebot sein. Der Komponist bietet heutzutage den Verlagen
ohnehin meistens computergesetzte Vorlagen, wenn nicht sogar den
fertigen Notensatz an.
Dort muss der Musikverlag ansetzen und durch einen schlagkräftigen
Vertrieb von der Vergabe von ISMN-Nummern, über das
Ansprechen von Musikalienhändlern, direkte Werbung bei Theatern,
Ensembles, Anzeigenkampagnen bis hin zu Präsentationen im Netz
die Komponisten und Kompositionen systematisch aufbauen und
bekannt machen. Dass dies nicht wie beispielsweise in der Popbranche
über Nacht geht, versteht sich von selbst.
Oft scheint den Verlagen jedoch die Luft auszugehen. Besonders
junge Komponisten machen die Erfahrung, dass das schnelle Geschäft
gefragt ist, wer nicht sofort den gewünschten Erfolg bringt,
der fliegt. Warum kann ein neues gedrucktes Werk vor der Uraufführung
zum Beispiel nicht günstiger angeboten werden, um Musiker zu
animieren, Stücke auszuprobieren und aufzuführen? Neue
Wege wie Publishing on Demand und Downloads aus dem
Internet bieten viele neue Wege. Man muss sie nur noch beschreiten.