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nmz-archiv
nmz 2001/04 | Seite 25
50. Jahrgang | April
Pädagogik
Offener Brief mit sieben Fragen
an Franz Müller-Heuser, Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg
Warum haben Sie in Ihrem Stellenplan für die jüngste
deutsche Musikhochschule keine Professur für das Studienfach
Elementare Musikpädagogik vorgesehen?
Stimmt es, dass Sie von dem Begriff EMP keine rechte inhaltliche
Vorstellung haben? Dieser Verdacht drängt sich auf, da Sie
bei den Evaluationsverfahren an der Hochschule für Musik
Nürnberg-Augsburg dieses Fach zunächst völlig ausgeschlossen
hatten und bei einer telefonischen Anfrage im Dezember 2000 diesbezüglich
einem Kollegen aus Nürnberg mitteilten, das sei ja
eigentlich kein richtiges Fach.
Finden Sie es nicht merkwürdig, dass dieses Nicht-Fach
im Studienplan, den Sie mit erstellten, die höchste Gesamtstundenzahl
aufweist (168 Semesterwochenstunden)?
Kann es sein, dass an Ihnen die Entwicklung dieses Studienfachs
an der ehemaligen Fachakademie für Musik Nürnberg, wie
auch bundesweit, völlig vorbeigegangen ist? Auf dem Mannheimer
Symposion von 1997 wurde in den Grußworten herausgestellt,
dass Nürnberg das erste Ausbildungsinstitut in der Bundesrepublik
mit einem Hauptfach EMP war und maßgeblich Strukturen und
Inhalte erarbeitet hat. Zum Zeitpunkt des Symposions hatten in
Nürnberg 112 Absolventen einen Musiklehrer- oder Diplommusiklehrerabschluss
in diesem Hauptfach, eine Zahl, die kein anderes Institut vorzuweisen
hat.
Sind Sie vergesslich? Diese Vermutung liegt nahe, wenn man die
Statements des Deutschen Musikrates, dem Sie vorstehen, zitiert:
Aus dem Empfehlungskatalog von 1997 zur Musikschullehreraus-
und Weiterbildung (...) Die Musikhochschulen haben die Musikschullehrerausbildung
zu einer ihrer originären Aufgaben erklärt (...) Für
die spätere Berufspraxis werden als wesentliche Studienrichtungen
bezeichnet Lehrer für Elementare Musikpädagogik
in Verbindung mit einem Instrument oder Gesang...
Wie stehen Sie zu der Tatsache, dass Kollegen, die die Umwandlung
der ehemaligen Fachakademie für Musik in eine Hochschule
maßgeblich mitgestaltet haben, sich zu Profilkriterien wie
Innovation, Flexibilität, Vernetzung, Qualitätsstreben
u.a. bekannten, Sie jedoch dieser Hochschule einen Stempel
aufdrücken, der bestenfalls als traditionell bezeichnet werden
muss?
Wo bleiben Qualitäten wie Mut zum Experiment, Offenheit
für neue Perspektiven, Spaß am vernetzten Denken, die
Suche nach Herausforderungen? Diese würden Sie als Gründungsrektor
einer neuen Musikhochschule und als Präsidenten eines Gremiums
wie des Deutschen Musikrates auszeichnen.
Die Elementare Musipädagogik in Nürnberg Studierende
und das Ausbildungsteam haben längst bewiesen, dass
sie die Nase vorne haben, auch wenn Sie, Herr Prof. Dr. Müller-Heuser,
diesem Fach wieder einmal die Position des Schlusslichts zuteilen,
und zwar
was die Qualität ihrer Abschlusszeugnisse angeht: (eine
Statistik vom Zeitpunkt der Diplomzeugnisse an zeigt auf, dass
der Notendurchschnitt trotz Doppelbelastung unter 2,00 liegt);
was die Chancen auf dem Stellenmarkt angeht: In einer einzigen
nmz, Jahrgang 2000, gab es 17 Stellenangebote rund um die EMP
mit einem Zusatzfach;
was die Qualität in den Instrumentalmethodikfächern
angeht: Nicht nur Klavier- und Violinmethodik melden vorbildhafte
Unterrichtsversuche der EMP-Studenten;
was die Integration von künstlerischer und pädagogischer
Kompetenz angeht: Die Initiative eines Wettbewerbs Kreativ
ging von diesem Fachbereich aus, den Jens Voskamp in den Nürnberger
Nachrichten (Dezember 1996) folgendermaßen würdigte:
...besonders der von Vroni Priesner betreute Fachbereich
Elementare Musikpädagogik konnte hier Erfolge verzeichnen...
Sowohl das choreografische Stück Was sich im Fernen
abspielt, in dem eine subtile Interaktion zwischen Individualbewegungen
und Einzelinstrumenten erreicht wurde, als auch die ironische
Kurzszene NOTenständer, welche mit einer akustisch-bildnerischen
Installation endete, erfüllten die Kriterien vorbildlich....
was die Bewerberzahl bei den Eignungsprüfungen beziehungsweise
den Zulauf zu diesem Fach betrifft: Seit 1979 können wir
eine gleichbleibend hohe Zahl von Studieninteressenten vermelden,
Tendenz steigend. Die Elementare-Musikpädagogik- Klasse der
Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg, Abteilung Nürnberg,
ist mit momentan 27 Studenten eine der größten in der
ganzen Bundesrepublik.
Die Studierenden des Studiengangs EMP der Hochschule
für Musik Nürnberg-Augsburg, Abteilung Nürnberg,
mit Unterstützung des AStA
Der Gründungspräsident antwortet
Stellungnahme zu den Fragen der Studierenden zum Studiengang
EMP
Es befremdet mich schon sehr, wenn Fragen von Studierenden an
mich als Gründungspräsidenten, mir über einen Redakteur
der nmz zugeleitet werden. Dieser versichert, dass er vorher die
Zustimmung der Fragesteller eingeholt habe, um mir Gelegenheit zu
einer Stellungnahme zu geben. Sehr kulant!
Nehme ich den Artikel des AStA der Hochschule in einer der vergangenen
Auflagen hinzu, so entsteht der Eindruck, dass sich die nmz neben
den Verbandsmitteilungen zu einem Veröffentlichungsorgan der
Nürnberger Musikhochschule weiterentwickeln möchte. Dies
wiederum wäre mir nur recht, diente es auf der einen Seite
dem höheren Bekanntheitsgrad unserer noch jungen Hochschule
und zum anderen ersparte es die doch erheblichen Kosten für
eine eigene Hochschulzeitschrift.
Nun jedoch zu den Fragen der Studierenden, die mir eine willkommene
Gelegenheit geben, meine grundsätzliche Meinung zu dem Studiengang
Elementare Musikpädagogik darzulegen.
Elementare Musikpädagogik als ein altersunabhängiges Konzept
versucht auf eine andere Art und Weise als die Instrumentalpädagogik
in die Welt der Musik einzudringen und Menschen für sie zu
sensibilisieren. Als Leiter der Kölner Musikhochschule habe
ich schon früh dem Studiengang Allgemeine Musikerziehung
wie der vergleichbare Studiengang in Nordrhein- Westfalen heißt
große Aufmerksamkeit gewidmet und eine entsprechende
Unterstützung gewährt. Auch dieser wies einen pädagogischen
Ansatz auf, der von anderen Studiengängen nicht geleistet wurde.
Insofern ist der Studiengang EMP beileibe keine neue Erfindung,
wenn auch der Begriff der Elementaren Musikpädagogik die Zielrichtung
klarer definiert: grundsätzlich vorhandenes musikalisches Potenzial
eines Menschen zu erschließen und seine Wahrnehmungs- und
Gestaltungsfähigkeit zu verbessern. Bei der Errichtung der
Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg habe ich insbesondere
die Strukturierung des Studienganges EMP mit großem Bedacht
in Angriff genommen, da er der erste seiner Art im bayerischen Hochschulbereich
ist und es für die nähere Zukunft auch bleiben dürfte.
Fußend auf der langjährigen Entwicklung dieses Studiengangs,
vor allem am ehemaligen Meistersinger-Konservatorium, habe ich den
Kolleginnen und Kollegen dieser Fachrichtung völlig freie Hand
in der Entwicklung des Diplomstudienganges gegeben. Mit 168 Semesterwochenstunden
weist dieser die meisten Stunden aller an der Hochschule vertretenen
Studiengänge auf und ist damit auch der teuerste. Gegen manche
Kritiker aus Kreisen der Geldgeber habe ich diese Kosten als gute
und zukunftsweisende Investition verteidigt.
Zur Zeit sind zwei C3-Professuren für Musikpädagogik
an der Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg ausgeschrieben,
die ich möglichst noch zum Sommersemester 2001 besetzen will.
Bei der Besetzung werden mit Sicherheit Persönlichkeiten den
Vorrang haben, die neben der nachgewiesenen wissenschaftlichen Qualifikation
einen breiten pädagogischen Ansatz aufweisen, der die EMP miteinbezieht.
Die Kolleginnen und Kollegen des Studienfachs EMP werden Gelegenheit
haben, ihr fachliches Votum bei der Berufungskommission einzubringen.
Die Erfüllung des spezifischen Unterrichtsangebots obliegt
weiterhin den bewährten Fachlehrer/-innen und ich bin ganz
sicher, dass im Zusammenwirken aller und angetrieben durch die vielen,
von den Studierenden angesprochenen vorhandenen kreativen Impulse,
der Wirkungsbereich der EMP sich kontinuierlich erneuern und erweitern
wird.
Prof. Dr. Franz Müller-Heuser, Gründungspräsident
der Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg