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nmz-archiv
nmz 2001/04 | Seite 38
50. Jahrgang | April
Jazz, Rock, Pop
Ein Beatnik auf dem Bauernhof
Ein Gespräch mit dem legendären Go-Betweens-Frontmann
Robert Forster
Zwei Jahre ist es her, da standen Robert Forster und Grant McLennan
auf der improvisierten Bühne des Roten Salons der Berliner
Volksbühne und spielten vor einem insiderischen Publikum alte
Go-Betweens-Songs: eine zum Kult mutierte Mini-Band aus der Post-Punk-Frühzeit,
die aus allen Zeiten herausgefallen war (was die taz
durchaus als Kompliment meinte), an Frank Castorfs Zeitgeist-Drehscheibe
am Rosa-Luxemburg-Platz. Allen, die damals dabei waren, schien diese
Reunion etwas Einmaliges; die Berichterstatter zitierten zustimmend
das coole Go-Betweens-Auflösungs-Statement von 1989, sie hätten
ihre Dekade gehabt, die 90er seien nicht mehr ihre Zeit.
Lieder von Liebe, Verlust,
Schmerz und Sehnsucht Robert Forster. Foto: Ulrich
Dombrowsky
Zwei Jahre später gibt es das großartige neue Go-Betweens-Album
The Friends of Rachel Worth (clearspot/Efa), von dem
der Rolling Stone kurz und bündig feststellte:
Wenn man sich je an 2000 erinnert, dann wegen dieser Platte!
Es gab eine Welt-Tournee und jetzt steht Robert Forster, solo, wieder
an einem ungewöhnlichen Ort: dem Hinterzimmer der Buchhandlung
Dombrowsky in Regensburg, deren Besitzer in der Ankündigungs-Broschüre
für den 12. Literarischen (!) Frühling mit
folgenden Worten für den Robert-Forster-Gig warb: Dieser
Abend wird einmal zu den Sternstunden meiner Buchhandlung gehören.
Kein leeres Kompliment, trotz namhaftester Konkurrenz, auch kein
deplatziertes: Denn die Qualität der Forster-Songs entfaltet
sich gerade in diesem intimen Rahmen: wenn man sich nicht mehr hinter
fetter Produktion und allerlei Effekten verstecken kann,
dann zeigt sich erst die Qualität eines Einfalls pur, nackt.
Und: Robert Forster, die dandyeske, die Beatnik-Hälfte der
Go-Betweens, das zeigt sich spätestens im Gespräch, ist
ein literarischer Songwriter: Für ihn ist Pop nicht
die rascheste Weise, die Wahrheit zu sagen, keine heftige und sich
im aufgeregten Konsum sofort verbrauchende Drei-Minuten-Erklärung
der Lage der Welt und der eigenen Seele; für ihn brauchen seine
Song-Diamanten lange Zeit, bis sie die nötige Härte und
Haltbarkeit haben; ein bis zwei Lieder pro Jahr sind seine Ausbeute.
Alles andere ist Kohle, bestenfalls für den raschesten
Verzehr bestimmt.
Literarisch ist Robert Forster aber auch noch in einem anderen
Sinn; von der Haltung zur Welt und von seinen Vorlieben her. Paul
Bowles, der Ur-Beatnik (wider Willen!) und passionierte Reisende,
ist seine Ikone; dessen Autobiografie Without Stopping!
könnte das Motto des eigenen unsteten Lebens zwischen Brisbane
und London, Regensburg und Portland sein. Nicht das live fast,
die young, auch nicht das extrovertierte sex, drugs
and rocknroll ist Forsters Sache, sondern das
ständige, langsame Unterwegssein, das settle down
für ein paar Monate oder Jahre. German Farmhouse,
ein Song auf dem neuen Go-Betweens-Album, beschreibt innig-ironisch
die Zerrissenheit, auch die Extreme dieser weltläufigen Existenz.
Eben noch das rastlose Touren rund um den Erdball mit einer Band,
die zwar nur ein einziges Mal mit einer Single kurz in die Charts
kam, aber für Generationen von Nachfolgern nicht nur zur Legende,
sondern auch stilprägend wurde, und jetzt, der Liebe wegen,
ein fast vollkommen isoliertes Bauernhof-Dasein in dem kleinen Dorf
Alteglofsheim, 20 Autominuten vor Regensburg in der niederbayerischen
Prärie.
Aber dem Melancholiker Forster ist der billige Weltschmerz fremd:
er beschreibt sich selbst als glücklichen Mann, ganz entspannt
im Hier und Jetzt, smiling from ear to ear, mit einem
Faible für die seligeren Pop-Mythologien: the best is
yet to come.
Songs für die Ewigkeit
Aus allen Zeiten herausgefallen waren nicht nur die wiedervereinigten
Go-Betweens in der Volksbühne, bewusst anachronistisch ist
auch Robert Forster in seinem Künstlertum: er schreibt nicht
für den Augenblick, sondern für die Ewigkeit. Seine Songs
sollen Volkslieder werden, langsam hineindiffundieren ins kollektive
Unbewusste, so wie es mit den großen Blues-Songs oder den
klassischen Chansons geschah. Wie bei Johnny Cash sind bei Robert
Forster die Themen und Konstellationen älter als es die zunehmend
geschichtslosen Medien auch nur ahnen können. Forsters Metier
ist die genaue Beobachtung, die Phänomenologie des Alltags,
in den böseren Fällen sogar eine Art Mikro-Chirurgie,
die in die Seelen- und Beziehungs-Befindlichkeiten schneidet.
Am meisten bei sich selbst scheint er, wenn er den Künstler
als konservativen Mann porträtiert, wie auf dem Opener seines
Solo-Albums Danger in the Past. Dort singt er von Liebe
und Verlust, von Schmerz und Sehnsucht und von den strengen,
manchmal auch ein wenig selbstgerechten Regeln, die Mann
gegen das Chaos aufrichtet.
Forster/McLennan, das war Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre
im fernen Brisbane/Australien ein verschworenes Kunst-Couple
wie Lennon/McCartney oder Lou Reed und John Cale, mehr als die Summe
der Teile; und wie die anderen Großen der Pop-Geschichte
fühlte sich Robert Forster nicht auf ein Fach festgelegt: Er
wollte und musste als Künstler leben; dass es gerade Pop wurde,
war fast Zufall; er hätte auch schreiben oder malen können.
Große Schwester Joni Mitchell
Man merkt das den Songs heute noch an: seine Haltung ist kosmopolitisch
und polychrom und äußerst geschichtsbewusst. Für
den Bayerischen Rundfunk hat er die Hörstück-Erkundung
von Jack Kerouacs leitmotivischem Beatnik- und Nomaden-Roman On
the road vertont. The Friends of Rachel Worth
hat er in Portland mit den Rrriot-Girls von Sleater-Kinney
eingespielt. Und beim Solo-Gig in der Buchhandlung mit kleiner Musikabteilung
freut er sich, dass das Go-Betweens-Album ausgerechnet neben Blue
steht; Joni Mitchell wird als große Schwester adoptiert.
Nachdem sich das Interview lange um das Verhältnis von Sound
und Song, auch von Gitarrenmusik und technoiden Studio-Klängen
drehte, teilt Robert Forster zum Abschluss lakonisch mit, er müsse
jetzt nach Frankfurt, weil ihn die Electronica-Avantgardisten
von Sensorama zur Kooperation in ihr Techno-Ambiente geladen hätten.
Ein wahrer Beat schätzt Distanz, aber er kennt keine Berührungsscheu.
Helmut Hein
Aktuelles Album
The Go-Betweens, The Friends of Rachel Worth, clearspot/Efa.