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nmz-archiv
nmz 2001/04 | Seite 39
50. Jahrgang | April
Jazz, Rock, Pop
Neues, klares, unverwechselbares Profil
Nils Landgren will als neuer Leiter des JazzFestes Berlin neue
Akzente setzen
Posaunist ist Nils Landgren seit gut 30 Jahren, künstlerischer
Leiter des JazzFestes Berlin erst seit ein paar Monaten. Und dies
auch nur für den diesjährigen Neuanfang des in die Jahre
gekommenen JazzFestes. Wenn der 44-jährige Schwede von seinen
Plänen und der Neu-Konzeption des Festivals erzählt, ist
er trotzdem so begeistert, als würde er von seinen großen
Vorbildern auf der Posaune erzählen. Er plane ein Jazz-Festival,
das mit Tanzeinlagen und Multimedia-Kunst auch ein buntes Fest
für die Augen sein solle, sagt der Posaunist, der wegen
seines feuerroten Instruments Mr Red Horn genannt wird.
Neben großen Namen im Gespräch war in den letzten
Monaten unter anderem die isländische Pop-Sirene Björk
verspricht Landgren für Anfang November Auftritte von
jungen, bislang unbekannten Musikern, die man so nur beim JazzFest
Berlin zu hören bekommen werde. Mehr will er derzeit noch nicht
verraten.
Natürlich gibt es leichtere Aufgaben als die Rundumerneuerung
eines in Würden ergrauten Jazzfestivals. Noch dazu, wenn es
sich nicht um irgendein Jazzfestival, sondern um das älteste
und lange Zeit auch renommierteste deutsche Jazzfestival handelt:
Immerhin wurde das JazzFest Berlin 1964 von Joachim-Ernst Berendt
gegründet, dem mittlerweile verstorbenen Musik-Publizisten
und deutschen Jazz-Papst. Dass das Festival unter dem
grand old man des deutschen Jazz, Landgrens Posaunen-Kollegen
Albert Mangelsdorff, in eine Krise aus Besucherrückgang und
Bedeutungsschwund geriet, hing nur zum Teil mit Mangelsdorff zusammen.
Schließlich hatten andere Jazz-Festivals auch landauf landab
mit ähnlich gelagerten Problemen zu kämpfen: rückläufiges
Publikumsinteresse, älter werdendes Stammpublikum und die schwierige
Frage der Programmausrichtung zwischen Jazz-Purismus und weltmusikalischer
Beliebigkeit.
Für ein neues, klares, unverwechselbares Profil des neuen
JazzFestes Berlin soll die von Joachim Sartorius, dem Leiter der
Berliner Festspiele, entwickelte Neukonzeption sorgen. Der Neuansatz,
mit dem sich das JazzFest Berlin der globalen Vielfalt des Jazz
öffnen will, sieht im jährlichen Turnus mit jeweils wechselnden
künstlerischen Leitern eine Art Weltumrundung des
Jazz vor. In diesem Jahr holt sich das JazzFest die derzeit wohl
aufregendste Jazz-Region nach Berlin, für die Namen wie Jan
Garbarek, Esbjörn Svensson, aber auch Landgren stehen: Skandinavien.
Kein Zufall also, dass der diesjährige künstlerische Leiter
aus Schweden kommt und Landgren heißt.
Als Kenner des skandinavischen Jazz glaubt Landgren auch das Geheimnis
für dessen Erfolg zu kennen: Im skandinavischen Jazz
passiert viel mehr als anderswo, weil bei den Musikern dort das
Alter eine viel geringere Rolle spielt. Junge und alte Jazzer
spielten dort nicht allein untereinander, sondern auch miteinander.
In Stockholm lasse sich das Fehlen jazztypischer Berührungsängste
bereits am Namen mancher Clubs ablesen. So trägt der Spielort
der Stockholmer Avantgarde-Szene den nicht unbedingt avantgardistischen
Namen Glenn-Miller-Cafe.
Für seinen Job als reisender Festivalorganisator, dem der
Laptop zu einer Art zweitem Instrument neben der Posaune geworden
ist, könne er auf eine langjährige Festivalerfahrung zurückgreifen.
Der Posaunist verweist auf sein langjähriges Mitwirken bei
Jazz Baltica in Salzau (Schleswig-Holstein), jenem Festival,
bei dem der Nachbarschaftsgedanke der Ostseeanrainer in Jazz gegossen
wird. Und auch in Schweden selbst habe er in der Vergangenheit Jazz-Festivals
organisiert. Der Mann kann also nicht nur Posaune spielen, sondern
auch organisieren.
Verweisen kann Nils Landgren außerdem auf eine langjährige
Jazz-Karriere, die ihn als Solisten der NDR-Big Band auch nach Hamburg
geführt hat: Der Sohn eines Stahlwerkers, der im Telefonbuch
stets als Jazz-Trompeter zu finden war, spielt Posaune zwar am liebsten
im Kontext seiner Funk Unit, daneben hat er aber auch
mit Thad Jones, Randy Crawford und als Studiomusiker sogar mit Abba
gespielt.
So richtig skandinavisch klingt Landgren allerdings
nur, wenn er im Duo mit dem Pianisten Esbjörn Svensson über
traurig schöne Volkslieder aus Schweden improvisiert. Dann
klingt Landgren gar nicht funky, sondern so schwermütig tief
wie ein schwedischer See.