[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2001/04 | Seite 20
50. Jahrgang | April
Rezensionen
Und Herr M. tanzt dazu...
Friedrich Guldas Vermächtnis auf einer DVD
Friedrich Gulda: The Legacy mit Musik von
Mozart, Bach, Gulda und DJ Vertigo; Paradise Productions DVD (119:10)
1998
Die hier vorgestellte DVD The Legacy ist der Schlüssel
zu Friedrich Guldas Alterswerk. Guldas Generation eröffnete
sich nach dem Kriegsende eine neue, bisher kaum bekannte neue Musikwelt:
Die amerikanischen GIs hatten V-Discs (V for Victory)
im Gepäck, 30-cm-Vinyl-Jazz-LPs, vor allem herrliche Swingnummern
mit Benny Goodman, Glenn Miller, Tommy Dorsay und unzähligen
anderen. Die schnell etablierten Army-Radiostationen AFN (American
Forces Network) spielten die inzwischen zu Klassikern etablierten
Titel Tag und Nacht. Zweispurig also, klassisch und jazzig, erlebte
Gulda Musik eine prägende Erfahrung für den begnadeten
Pianisten, Jazzer und Komponisten.
Gulda war schon sehr früh für alles offen, was mit dem
Musikklang, seiner Ausgestaltung und vor allem damit zu tun hatte,
das flüchtige Erlebnis des Einmal-Hörens zumal
des spontan Improvisierten wiederholbar zu machen. In den
90er-Jahren gründete er seine eigene Produktionsfirma Paradise
Productions und stürzte sich auf die elektronische Technik
mit ihren neuen Errungenschaften vor allem elektronisch gesteuerte
Keyboards und das Internet mit all seinen Möglichkeiten hatten
es ihm angetan. Ebenfalls in den 90er-Jahren begann er mit eigenen
Produktionen, gestaltete und edierte schon 1998 A Scenic Musical
Collage, nämlich eine DVD mit dem Titel The Legacy,
die jetzt vorliegt. Zwei Stunden Film, Bild und Ton füllen
diese DVD mit einer Quersumme seines Lebens, als Selbstbekenntnis
des Künstlers und Menschen. Und das Lebenszentrum dieses nicht
im gewohnten Wortsinn religiösen, aber spürbar frommen
Menschen Gulda war und blieb Herr M., wie er sein Idol
Mozart zu nennen pflegte.
Die DVD beginnt mit einem Vorspiel im Himmel und auf der
Erde, musikalisch mit Bachs erstem Präludium samt Fuge
aus dem Wohltemperierten Klavier illustriert. Die Bildsequenz öffnet
erst den Himmelshalbkreis mit weißen Wolken, auf denen sich
allmählich Fra Angelicos Krönung Mariae abbildet,
die abgelöst wird von zwei engelgleich dem Himmel zustrebenden
Paradise Girls, die sich dort einem dritten jungen Mädchen
zugesellen wollen...
Mozartiana, der Hauptteil der Collage, handelt von
Herrn M. selbst, wie er leibt und lebt, der göttliche
Tänzer (so Gulda in seinem Begleittext). Der Ablauf dieser
fast 75 Minuten dauernden Filmsequenz erklärt sich von selbst:
Herabkunft mit Mozartmusik (Fantasie d-Moll KV 397 und
der ganzen Sonate KV 576) auf Klavier und Clavinova, begleitet von
rosaroten Wolken und den drei himmlischen Mädchen,
von denen eines, Pilou, in Mozarts Kleidern ihn verkörpert.
Erst betrachten sie Gulda von oben, wie er ganz verinnerlicht die
d-Moll-Fantasie spielt, den Schlussteil in Dur übernimmt Pilou-Mozart
auf einem himmlischen Klavier.
In ihrer technischen Ausstattung entspricht die DVD nicht ganz dem
heutigen Standard, aber das alles erscheint unwichtig, weil der
Zwang, sie ohne Unterbrechung durchlaufen zu lassen, der Absicht
des Autors entgegenkommt: Er zeigt ja sich und Herrn M.
in dieser DVD-Collage als Entwicklung mit Anfang und Ende, obwohl
es beides in Wirklichkeit nicht gibt...