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nmz-archiv
nmz 2001/05 | Seite 42
50. Jahrgang | Mai
Oper & Konzert
Geglückt
Das erste Festival Kallmünz
Die Abhängigkeit des Klangs und seiner Wahrnehmung von räumlicher
Bedingtheit und damit von der Entfaltung in der Zeit: Was Peter
Michael Hamel in seinem Vortrag als Grundbedingung von Musik formulierte
und in einer leuchtenden Klavierimprovisation tönende Gestalt
werden ließ, bekam beim ersten Kallmünzer Festival eine
ganz eigene Bedeutung. Räume müssen nicht für Musik
gemacht sein, doch sollten sie der Musik Raum geben können,
im akustischen wie im atmosphärischen Sinne. Und eine gemütlich
beheizte Schulturnhalle ist nun mal ein Widerspruch in sich. Also
lags wohl an der mangels Leibesertüchtigung doch eher
klammen Atmosphäre, dass nicht soviel Publikum den Weg ins
malerisch fröstelnde Idyll fand wie man angesichts des Programms
hätte erwarten dürfen.
Dorthin, wo Anfang des Jahrhunderts Wasilly Kandinsky und Gabriele
Münter sich schöpferische Inspiration holten und bis heute
eine kleine Künstlerkolonie den diskreten Charme der Oberpfälzer
Provinz genießt, hatte Initiator Graham Buckland Grenzgänger,
Musiker jenseits der Stilschubladen also, eingeladen oder aufs Programm
gesetzt
Neben den überragenden Beiträgen des Janácek-Quartetts
aus Brünn und des Konzertchors Darmstadt sowie der ausführlichen
Präsentation des Messiaenschen Orgelwerks, richtete sich
das Interesse vor allem also auf Persönlichkeiten wie Gunter
Hampel. Das visionäre Potenzial dieser Schlüsselfigur
der improvisierten Musik entfaltete sich in besagter Räumlichkeit
zwar nicht in seiner ganzen Sinnlichkeit, dennoch gaben Hampel selbst
am flirrend funkelnden Vibraphon, der fantastische Saxophonist Christian
Weidner und der kraftvoll sensible Gerrit Juhnke am Schlagzeug ihr
Bestes, verknüpften die wenigen fester gefügten Strukturen
mit kommunikativer Improvisationsenergie.
Zurück zu Peter Michael Hamel, der nicht nur als wort- und
überzeugungsgewaltiger Referent seine Position zwischen den
Stühlen der Musikkulturen und Musikrubriken vertrat, sondern
auch dem Abschlusskonzert einen doppelten Stempel aufdrückte:
zum einen mit seiner Komposition The Arrow of Time,
einem rückhaltlos in die Räumlichkeit des Klangs abgeschickten
Zeitpfeil, zum anderen in Person seines Schülers Jörn
Arnecke.
Dessen Klang-Karussel zeigt sich in der kreisenden,
die Dimensionen Linie, Fläche, Raum und Zeit sensibel und ausdrucksklar
auslotenden Bewegung von Hamel beeinflusst, aber nie abhängig.
Einen sehr eigenen, den Wohlklang und seine Gefährdung sinnfällig
thematisierenden Ton hat er auch für seine Rilke-Komposition
Strophen zum Wir gefunden, die in Kallmünz ihre
Uraufführung erlebte. Die Sopranistin Irene Mettmann erfüllte
sie mit klarer, leuchtender Stimmfülle, das etwas zu klein
besetzte Regensburger Kammerorchester ließ sich alles in allem
hochmotiviert und kompetent auf die Herausforderung des Neuen ein.
Insgesamt also ein geglückter Start für dieses engagierte
und intelligent programmierte Festival Fortsetzung erwünscht!