[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2001/05 | Seite 55
50. Jahrgang | Mai
Dossier: Musikschulen
in Bedrängnis
Unkenrufe aus dem tiefen Haushaltsloch
Trotz langer Wartelisten für Schüler verlieren die
Musikschulen immer mehr Handlungsfreiheit
Das Kulturinformationszentrum
(KIZ) auf der Website der neuen musikzeitung ist ein Tummelplatz
für alle möglichen Neuheiten aus dem Musikleben: Vom positiven
Fazit der Salzburger Osterfestspiele bis zur Wirtschaftsprüfung
bei den Bamberger Symphonikern, vom Brahms-Preis für Klarinettistin
Sabine Mayer bis zu Dieter Bohlens manipuliertem Background-Gesang
dem KIZ entgeht nichts.
Eine der Sparten des KIZ sind die Musikschul-Presse-News, die ein
Kaleidoskop der Musikschullandschaft sind. Von überwältigenden
Kammerkonzerten, die die Bandbreite der Ausbildung eindrucksvoll
dokumentieren liest man da ebenso wie von hervorragenden
Wertungen beim Landeswettbewerb Jugend Musiziert,
einer prächtigen Inszenierung eines Kinder-Musicals
und Wartelisten bei Schüler-Anmeldungen. Doch seit geraumer
Zeit schon häufen sie Nachrichten einer anderen Sorte.
Über drohende oder erfolgte Schulschließungen berichten
diese, von Gebührenerhöhungen und dadurch erfolgender
Sozialauslese, von drohendem Verlust qualifizierter Lehrkräfte,
von Hilfeschreien und Unterschriftensammlungen. Da ist
zum Beispiel die bayerische Sing- und Musikschule Gemünden.
Die Haushaltslage der Stadt ist so wie die vieler anderer: dramatisch.
Deshalb kürzte der Stadtrat die jährlichen Musikschul-Förderungen
von 136.400 auf zukünftig 100.000 Mark. Die Gründung eines
Zweckverbandes mit den umliegenden Gemeinden zur Schließung
der Finanzlücke der Schule schlug fehl, eine weitere Gebührenerhöhung
kommt nicht in Frage, nachdem nach der jüngsten die Schülerzahl
die seit 10 Jahren beständig gewachsen war bereits
um 20 Prozent sank. So bleibt als letzter Ausweg ein sogenannter
Auswärtigenzuschuss für Schüler aus den benachbarten
Gemeinden. Schulleiter Mathias Weis bemüht sich derweil um
Privatspenden und Sponsoren, ohne dabei die Stadt aus ihrer Verantwortung
entlassen zu wollen.
Oder zum Beispiel die Musikschule Rügen: Wochenlang fürchtete
man dort die Schließung, weil der Landkreis das Musikschul-Haus
verkauft hatte, lange Zeit keinerlei Umzugsmöglichkeit bot
und auch nicht in verbindlicher Weise den Willen zur Fortführung
der Musikschule artikulierte. Die Musikschulleitung fühlte
sich ob der wirtschaftlichen Instabilität der Region Rügen
mit ihren dementsprechenden Haushaltsproblemen auf der Abschussliste,
bis der Landkreis dann schließlich doch tätig wurde und
sogar die beantragten zusätzlichen 1,5 Planstellen für
1,5 neue Lehrer bewilligte. Trotzdem sieht sich die
Musikschule einer abstrusen Situation ausgesetzt: Gezwungen durch
die angespannte Haushaltslage der Region muss sie die Gebühren
um zirka 15 Prozent erhöhen, anstatt von der reichhaltigen,
100 Bewerber umfassenden Warteliste zusätzliche Schülergebühren
einnehmen zu können, denn es fehlt an Lehrern. Schulleiter
Hans-Jürgen Kampa glaubt angesichts der steigenden Nachfrage,
dass die Schülerzahl kontinuierlich erhöht werden könnte,
hätte man nur ausreichend Lehrpersonal. Stattdessen hofft man
nun, dass die Gebührenerhöhung die Eltern der Schüler,
die oft lange Anfahrtswege zurücklegen müssen, nicht ebenso
abschreckt, wie dies etwa bei der Nachbarschule Stralsund
der Fall war, die aufgrund von Gebührenerhöhungen Schüler
verlor.
In einer besonderen Situation sieht sich die oberpfälzische
Stadt Sulzbach-Rosenberg: Als Auswirkung eines seit 1976 (!) anhängigen
Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof muss die Stadt eine Gewerbesteuerrückzahlung
in Höhe von 5,3 Millionen Mark leisten. Stundenreduzierungen
und Personaleinsparungen werden an der Städtischen Sing- und
Musikschule nunmehr ebenso unausweichlich sein wie Auswärtigenzuschläge,
denn auch in dieser Region ist eine Zweckvereinbarung mit den umliegenden
Gemeinden gescheitert. Diese wollen nämlich die Gründung
von Außenstellen in ihren Gemeinden, wohinter wiederum der
Stadtrat, so der stellvertretende Schulleiter Franz-Xaver Reinbrecht,
eine seinen Absichten zuwiderlaufende Expansion der
Musikschule wittere. Reinbrecht sieht sich nach der Kündigung
des bisherigen Schulleiters übrigens nunmehr ungewollt in Amt
und Würden eines faktischen Schulleiters befördert; nachdem
die Stadt die Schulleiterstelle noch in der März-Ausgabe der
neuen musikzeitung ausgeschrieben hatte, ist nun keineswegs mehr
sicher, ob sie wirklich noch besetzt werden soll. (Die Entscheidung
des Stadtrats-Personalausschusses fiel erst nach Redaktionsschluss
dieser Ausgabe.)
Eine ungewollte Erweiterung seiner Aufgaben erfuhr auch Herr Boje
von der geschäftsführenden Verwaltung der nordrhein-westfälischen
Musikschule Heimbach-Nideggen-Zülpich: Nach dem Ausstieg der
Gemeinde Zülpich aus dem gemeinsamen und bisher musikpädagogisch
erfolgreichen Musikschulprojekt der drei Gemeinden wurde er zu einer
Art Konkursverwalter, denn zum Ende des Jahres löst sich die
Musikschule auf. Die Zülpicher Gemeinde, die größte
der drei an der Musikschule beteiligten, trug 55 Prozent des Budgets
und sieht sich nun nach noch nicht bis zum Anschlag verschuldeten
Partnergemeinden zum Betreiben einer Musikschule um.
Allen Musikschulen gemeinsam ist die Tatsache, dass es keine Einsparpotenziale
mehr gibt und man die Abwanderung guter Lehrkräfte befürchtet,
wenn diese auf Honorarbasis arbeiten sollen. In Zeiten der Haushaltslöcher
scheint neben den eindringlichen Hinweisen auf die wichtige kulturelle
und soziale Bedeutung der Musikschulen noch nicht einmal mehr der
Hinweis auf ihre wirtschaftsfördernde Funktion zu fruchten.