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nmz-archiv
nmz 2001/05 | Seite 32
50. Jahrgang | Mai
Jeunesses Musicales Deutschland
Beethoven auf Venezolanische Art
Die Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendorchesterbewegung
trägt Früchte
Detlef Hahlweg, stellvertretender Bundesvorsitzender der JMD,
engagiert sich seit vielen Jahren für die Zusammenarbeit mit
Ländern Lateinamerikas. Nachdem die Kooperationsbemühungen
in Ecuador wegen der katastrophalen wirtschaftlichen Lage des Landes
zum Erliegen kamen, stellte Hahlweg vor zwei Jahren den Kontakt
zu der Kinder- und Jugendorchesterbewegung Venezuela her. Dieser
Kontakt mündete im vergangenen Herbst in die große Tournee
des Kinder-Orchesters durch Deutschland. Hier sein persönlicher
Rück- und Ausblick.
Noch nie habe ich erlebt, dass mich noch Monate nach einem Konzert
entfernte Bekannte auf die Veranstaltung angesprochen haben und
sich persönlich für die Hilfestellung fürs Konzerterlebnis
bedankt haben. Gemeint sind die Konzerte des Nationalen Kinderorchesters
von Venezuela im Oktober des vergangenen Jahres in Hannover, Magdeburg,
Berlin, Münster, Düsseldorf, Bad Mergentheim, Heilbronn
und München. Mit einer Formation von 200 jugendlichen Musikern
war das Orchester dort durch die Konzertsäle gefegt und hatte
den Zuhörern gezeigt, was Begeisterung für die Klassische
Musik auf Venezolanisch heißt.
Jugendministerin Christine Bergmann hatte nach dem Berliner Konzert
angeregt, zwischen Deutschland und Venezuela einen Vertrag über
die zukünftige Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Jugendorchester
zu schließen. Und Claudio Abbado hatte nicht nur die Schirmherrschaft
über die Tournee übernommen, sondern auch weitere Unterstützung
signalisiert. Tschaikowsky in Hochgeschwindigkeit, lateinamerikanische
Musik in eigentlich kaum erreichbarer rhythmischer Präzision,
ja selbst wohlklingender Wagner war in den Konzerten zu hören
gewesen. Aber werden diese jungen Musiker auch einen Beethoven oder
Brahms bewältigen?
Mit dieser Frage reiste ich im Dezember nach Caracas zusammen
mit Daniela Rüdiger, die für die Jeunesses Musicales schon
mehrere Projekte in Lateinamerika und auch die weltweite Generalversammlung
der Jeunesses Musicales vor vier Jahren in Weikersheim organisiert
hatte. Außerdem hatte sie gerade nach einem zweimonatigen
Aufenthalt in Venezuela ihre Magisterarbeit über das venezolanische
Kinderorchesterprojekt geschrieben.
Anlass waren ein Konzert des Orchesters mit der 9. Sinfonie von
Beethoven und weitere Verhandlungen über die zukünftige
Zusammenarbeit. Als Dirigent für das ehrgeizige Projekt war
der in Deutschland tätige Italiener G. Sinopoli gewonnen worden.
Sinopoli ist ein begeisterter Anhänger des venezolanischen
Jugendorchesterprojektes und hatte das Orchester im letzten Jahr
in Italien dirigiert.
Als Begrüßung für den Maestro hatte man sich ein
kleines Konzert einfallen lassen, an dem ich gleich am ersten Tag
meines Aufenthaltes teilnehmen konnte. Aus verschiedenen Kinderorchestern
in Caracas hatte man 500 (!) Kinder zusammengetrommelt. Sie hatten
einige Tage gemeinsam geprobt und spielten nun einige Stücke
für den großen Dirigenten aus Europa. Hier wurde deutlich,
warum die Welt das neue Großraumflugzeug mit 500 Plätzen
dringend benötigt.
Dann begannen die Proben mit der 9. Sinfonie von Beethoven. Das
Orchester war gegenüber der Deutschland-Tournee noch etwas
vergrößert worden, so dass nun zirka 280 Musiker auf
der Bühne saßen, später kamen noch 400 Chormitglieder
dazu. Zuerst klang alles tatsächlich noch eigenwillig virtuos
und erinnerte an die Bravour-Stücke, die ich aus früheren
Konzerten her kannte. Aber Sinopoli erklärte ruhig und ausführlich
Stricharten, Phrasierungen und Interpretation, so dass sehr bald
ein sehr schöner weicher Orchesterklang entstand und das Konzert
zu einem grandiosen Erfolg wurde. Beeindruckend war auch die hervorragende
Leistung der Chöre.
Es folgte am nächsten Tag ein Essen in kleinem Kreise bei
der Gattin des Präsidenten von Venezuela, die auch bei dem
Konzert in Caracas anwesend war, was die hohe Anerkennung für
die Arbeit des Gründungsvaters Dr. José Antonio Abreu
deutlich macht. Dabei kam es auch zu einem kurzen Meinungsaustausch
mit dem Präsidenten selbst. Viele Pläne für die zukünftige
Zusammenarbeit wurden geschmiedet. Im Sommer wird das Studentenorchester
Münster zum Gegenbesuch nach Caracas reisen; im Herbst soll
ein Besuch der Jugendministerin in Venezuela erfolgen, um die weitere
Zusammenarbeit zu vereinbaren.