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Musica
sacra
nmz-archiv
nmz 2001/05 | Seite 27
50. Jahrgang | Mai
Kirchenmusik
Die Ökumene ist lebendiger als manche glauben
Die Hochschulen für Kirchenmusik Tübingen und Rottenburg
arbeiten zusammen
Die Zeiten, in denen die beiden großen Kirchen noch Geld
genug hatten, um sich auf allen Feldern ihrer Arbeit einen beeindruckenden
konfessionellen Separatismus leisten zu können, scheinen endgültig
vorüber zu sein. Der Heilige Geist für seine unkonventionelle
Wirkweise seit zwei Jahrtausenden bekannt setzte eines der
wirkungsvollsten Mittel ein, um die Wege zur ökumenischen Zusammenarbeit
in bisher ungeahntem Maße zu bahnen: den drastischen Rückgang
finanzieller Mittel! Und beide Seiten, die sich in ihrer eifrig
proklamierten und mit viel Energie gepflegten versöhnten
Verschiedenheit wunderbar eingerichtet hatten, sehen nun aus
rein praktischen Gegebenheiten oftmals nur noch den einen Weg vor
sich, der inhaltlich ehedem schon seit langer Zeit der beste gewesen
ist: den der Zusammenarbeit!
Idylle und Zweckbau: die Evangelische
Hochschule in Tübingen (oben) und Rottenburgs Katholische
Hochschule (unten). Fotos: Faiss und Bildarchiv Fieselmann
Auf unterer (sprich gemeindlicher) Ebene ist das nichts Neues
in Kindergärten, Sozialstationen und auch in vielen musikalischen
Bereichen wird die Zusammenarbeit intensiv und mit Gewinn für
alle Seiten gepflegt. In seiner Qualität einzigartig ist die
Zusammenarbeit, die ausgerechnet zwei Hochschulen in kirchlicher
Trägerschaft miteinander vereinbart haben: Die Hochschulen
für Kirchenmusik der Landeskirche Württemberg in Tübingen
und der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Rottenburg haben sich
mit einem Vertrag im November 1997 darauf verständigt, große
Teile des Unterrichts gemeinsam durchzuführen. Für staatliche
Ausbildungsstätten (wie Musikhochschulen) ist dies seit Jahren
(wenn nicht Jahrzehnten) schon Realität: Sie sind daran gewöhnt,
den Unterricht allein schon aus kapazitären Gründen weitgehend
konfessionsverbindend anzulegen es gibt zudem keine katholischen
Fingersätze oder evangelischen Dreivierteltakte! Unterschiedlich
sind lediglich die sogenannten konfessionsspezifischen
Fächer wie Liturgik, Kirchenkunde und Liturgisches Orgelspiel.
Das revolutionär Neue ist nun die Tatsache, dass zwei kirchliche
Häuser diese Zusammenarbeit begonnen haben politisch
gewollt, finanziell willkommen (weil gegebenenfalls den Bestand
rettend) und in der Substanz ein wichtiges Zeichen des ökumenischen
Miteinanders! Für den neuen Bischof von Rottenburg-Stuttgart,
Gebhard Fürst, ist die Ökumene in der Ausbildung Frucht
der Ökumene in den Gemeinden und Kirchen. Insofern die
Kirchenmusik integraler Bestandteil des Gottesdienstes in der katholischen
und der evangelischen Kirche ist, kommt der ökumenischen Kooperation
der beiden Hochschulen sowohl für die zukünftige Gestalt
christlicher Liturgie als auch für die ökumenische Annäherung
der Kirche große Bedeutung zu, so der Bischof in einer
Stellungnahme für unsere Zeitung.
Damit die beiden kleinsten Hochschulen des Landes Baden-Württemberg
zusammenarbeiten konnten, musste zuerst eine räumliche Nähe
hergestellt werden.
Die Evangelische Hochschule gut 50 Jahre alt zog
nach Tübingen um und schuf somit die Basis für die Kooperation
mit dem nun nur noch 13 Kilometer entfernten Pendant, das 1997 zur
Hochschule erhoben worden war. Und mit einem Schlag war eine Umgebung
höchster Qualität gewonnen: eine Stadt, die mit reichhaltiger
geistesgeschichtlicher Tradition und Gegenwart für beide Partner
große Herausforderungen und Chancen bietet. Viele Vorlesungen
und praktische Veranstaltungen sind nun für Studierende beider
Häuser gemeinsam: Chorprobeübungen, Musikgeschichte, Gregorianischer
Choral (als vorkonfessionelles Bindeglied!), Orgelbaukunde, Sprecherziehung,
Klaviermethodik, Stimmbildung und der neu hinzugetretene Bereich
der Popularmusik. Natürlich ist der gemeinsame Hochschulchor
samt Chorleitungsunterricht ein tragender Faktor der Kooperation,
zumal hier trotzdem es sich um kleine Häuser handelt
auf beiden Seiten hauptamtliche Professoren für den
Unterricht zur Verfügung stehen. Ein freier Dozentenwechsel
über die jeweiligen Institutsgrenzen hinweg ist inzwischen
problemlos möglich. Eine immer größer werdende Zahl
von gemeinsamen Veranstaltungen (Konzerte, Workshops, programmatische
Abende oder Liturgische Nächte) strahlt inzwischen in die Stadt
Tübingen aus und verankert im Bewusstsein der akademisch verwöhnten
Schwaben, dass die beiden kleinen Hochschulen am Neckar ebenfalls
viel zu bieten haben und für Stadt, Kreis und Kirche eine große
Bereicherung darstellen.
Die Kirchenmusik lebt und erweist sich als überlebensfähig
vielen Unkenrufen zum Trotz. Und die Ökumene ist lebendiger,
als es manche glauben und einige wünschen! Die in Sachen ökumenische
Zusammenarbeit alles andere als hilfreichen Passagen aus dem
von Kardinal Ratzinger erarbeiteten Papier Dominus Jesus
haben in der deutschen und der kirchenmusikalischen Ökumene
keinen Schaden anrichten können ganz im Gegenteil. In
Tübingen kann man lebendig erfahren, welche großen Chancen
darin liegen, wenn Mauern eingerissen werden, deren Existenz seit
langem schon äußerst fragwürdig geworden ist. Dass
katholische und evangelische Kirche schon eins sind,
will niemand behaupten dass sie aber viel mehr bereits gemeinsam
haben, als man weithin zur Kenntnis nehmen kann, erweist sich unter
anderem am mutigen Zusammengehen der beiden Hochschulen für
Kirchenmusik in Schwaben. Das ist der richtige Weg er sei
ausdrücklich zur Nachahmung empfohlen.