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nmz-archiv
nmz 2001/05 | Seite 9
50. Jahrgang | Mai
Kulturpolitik
Kultur und Tourismus an der Donau
Das Budapester Frühlingsfestival in seinem einundzwanzigsten
Jahr
Vom Frühling war wettermäßig noch nicht viel zu
spüren in den letzten beiden März-Wochen in der ungarischen
Hauptstadt, aber genau das war der Grund für Initiator Márton
Lengyel, den damaligen stellvertretenden Präsidenten des ungarischen
Amtes für Tourismus , 1980 das Budapester Frühlingsfestival
ins Leben zu rufen: Denn wie schafft man es, Touristen schon vor
der Ostersaison in die kalte Metropole zu locken? So hob man ein
Musikfestival aus der Taufe, das sich inzwischen zu einem musikalischen
Ereignis in Europa gemausert hat. Aus vormals neun Tagen, also zwei
Wochenenden plus die fünf Wochentage dazwischen, hat es sich
auch zeitlich auf zwei Wochen inklusive drei Wochenenden ausgedehnt.
Pracht vergangener Glanzzeiten,
als die Musik noch dem Adel vorbehalten war: das Opernhaus.
Foto: Ungarisches Tourismusamt
Natürlich spielten damals nicht nur wirtschaftliche, sondern
auch ideelle Gründe eine entscheidende Rolle: wie konnte man
es schaffen, den Besuchern nicht nur die Landschaften, die Weine
und die berühmten Heilbäder näher zu bringen, sondern
auch die geistig-künstlerischen Werte der Magyaren. Des Rätsels
Lösung lag in der Weltsprache Musik. Festivalleiterin Zsófia
Zimányi legt deshalb neben den vom Tourismusamt gewünschten
Orchesterkonzerten und den internationalen Spitzenstars (in diesem
Jahr waren etwa das Orchester des Mannheimer Nationaltheaters unter
der Leitung von Àdàm Fischer, das Tokyo Sinfonie-Orchester
und die Berliner Symphoniker unter Eliahu Inbal mit Bruckners Te
Deum und Bruckners 9. Sinfonie eingeladen) auch großen
Wert darauf, dass Werke der ungarischen Komponisten Béla
Bartók, Peter Eötvös oder György Kurtág
und auch Volksmusik auf dem Programm stehen.
Einer der Höhepunkte war das Konzert des Muzsikàs-Ensembles,
das zusammen mit der Sängerin Márta Sebestyén
und dem Naxos-Hauspianisten Jenò Jandó einen abwechslungsreichen
und anspruchsvollen Abend mit traditionellem ungarischen Liedgut
und Tänzen und den dazugehörigen modernen Versionen von
Bartók und Kodály zum Besten gab. Der Konzertsaal
der Jugendstil-Konzertsaal der Musikakademie war restlos ausverkauft,
das Publikum, das zum Großteil aus Budapestern bestand, jubelte
vor Begeisterung. Das Klischee vom ungarischen Feuer und Temperament
bestätigte sich übrigens in jeder besuchten Vorstellung,
auch in der recht konventionellen Traviata-Aufführung in der
Oper wurde sofort nach dem Erscheinen der Künstler vor dem
Vorhang wie wild da capo geklatscht. Die Ungarn, die
70 Prozent der Festival-Besucher ausmachen, lieben ihre Ensembles.
Und der Festivalleitung sei Dank können sie sich
die Eintrittsgelder gerade noch leisten. So kostet der beste Logenplatz
in der Oper um die 60 Mark, für Besucher aus dem Westen ein
Spottpreis, für einen ungarischen Polizisten, der 300 Mark
im Monat verdient, trotzdem keine geringe Investition.
Das Konzept für das Programm 2002 steht fest: im Rahmen der
Europäisierung wird es eine Kooperation mit den Ruhrfestspielen
geben, das nationale Erbe wird durch ein Emmerich Kálmán
Operettenfestival betont.