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nmz-archiv
nmz 2001/05 | Seite 7
50. Jahrgang | Mai
Musikwirtschaft
Gerechter Ausgleich ist Interpretationssache
Eine neue EU-Urheberrechtrichtlinie soll die Lage der Künstler
im Internet verbessern
Napster ist in den letzten Monaten zu einem Symbol für die
Urheberrechtskonflikte um Musik im Internet geworden. Zwar ist das
Ende der Musiktauschbörse bereits beschlossene Sache. Bertelsmann
will Napster ab dem ersten Juli als kostenpflichtiges Abo-Angebot
betreiben. Doch vor Gericht geht der Kampf um das freie Tauschen
unvermindert weiter. Der letzte Stand: Napster wurde von einem kalifornischen
Bezirksgericht für schuldig befunden, seinen Usern wissentlich
den Copyright-Missbrauch ermöglicht zu haben. Aber lassen sich
solche Urteile uneingeschränkt auch auf Deutschland übertragen?
Eine Antwort darauf dürfte derzeit selbst Juristen schwer
fallen. Die Auseinandersetzung um Napster dreht sich in den USA
im Wesentlichen darum, wie der Digital Millennium Copyright Act
in diesem Fall auszulegen ist. Das 1998 in Kraft getretene Gesetz
sollte einen ersten Rahmen für den Schutz geistigen Eigentums
im Internet legen. In Deutschland fehlt ein ähnliches Gesetz
bisher, doch das könnte sich mit der im Februar verabschiedeten
europäischen Urheberrechtsrichtlinie bald ändern.
Pro Abgeordneten ein halber Lobbyist
Drei Jahre lang werkelte die europäische Kommission an einem
Gesetzentwurf, der zu einer europäischen Harmonisierung der
Urheberrechte führen und diese gleichzeitig für das Internet-Zeitalter
fit machen soll. Immer wieder versuchten in dieser Zeit mehr als
300 Lobbyistenverbände, Einfluss auf die Gestaltung der Richtlinie
zu nehmen. Eine Zahl, die den niederländischen Parlamentarier
Toine Manders zu der spöttischen Bemerkung verleitete: Das
macht einen halben Lobbyisten pro Abgeordneten. Der Beschluss
vom 14. Februar 2001 ist schließlich vom Versuch gekennzeichnet,
einen Kompromiss zwischen den Interessen der Urheber, der Verbraucher
und der Netzwirtschaft zu finden. So bleiben beispielsweise private
Kopien von Musikstücken, und damit auch MP3-Downloads aus Filesharing-Netzwerken
wie Napster erlaubt. Gleichzeitig sieht die Richtlinie aber eine
angemessene Entschädigung für die Urheber
vor. Dies könnte beispielsweise in Form weiterer Leermedienabgaben
geschehen.
In Deutschland existieren solche Abgaben im Bereich analoger Kopiermedien
bereits recht lange, seit einiger Zeit fallen sie auch bei einzelnen
digitalen Vervielfältigungsgeräten wie etwa Scannern an.
Derzeit versucht die VG Wort, dies auch auf Computersysteme auszuweiten,
stößt dabei aber auf heftigen Widerstand der Hersteller.
In Ländern wie Großbritannien sind pauschale Abgaben
auf Leermedien hingegen völlig unbekannt heftige Auseinandersetzungen
sind dort bereits vorprogrammiert.
EU-Recht gegen gewachsene Rechtsordnungen
Man kann nicht erwarten, dass die Richtlinie die Situation
der Künstler radikal verbessert, da es in den Mitgliedsstaaten
gewachsene Rechtsordnungen gibt, erklärte deshalb kürzlich
Jörg Reinbothe von der Europäischen Kommission auf einer
Veranstaltung des österreichischen Musikinformationszentrums
Mica. Die einzelnen Länder haben 18 Monate Zeit, die EU-Richtlinie
in nationales Recht umzusetzen. Dabei bleibt ihnen ein gewisser
Interpretationsspielraum, so dass der gerechte Ausgleich
von Land zu Land höchst unterschiedlich ausfallen könnte.
Für den Fall, dass ein Land diese Vorgabe komplett ignoriere,
kündigte Reinbothe bereits Klagen vor dem europäischen
Gerichtshof an. Er prophezeite: Wir werden gegen die Mitgliedsstaaten
kämpfen müssen. Heftige Auseinandersetzungen wird
es in den nächsten Monaten wohl auch um Technologien zum Digital
Rights Management (DRM) geben, wie sie auch bei Napster demnächst
eingesetzt werden. Wenn die Tauschbörse im Juli kostenpflichtig
wird, müssen sich ihre Nutzer auf einige Reglementierungen
gefasst machen. So wird ein geschütztes Dateiformat das Brennen
von Audio-CDs verhindern. Außerdem werden nur registrierte
Nutzer Zugriff auf die Musik auf ihrer Festplatte haben.
Die EU-Richtlinie erlaubt solche Techniken nicht nur ausdrücklich,
sondern verbietet auch jeden Versuch, sie zu umgehen. Von den Plattenfirmen
wird dies als Sieg des Urhebers gepriesen. Doch Verbraucher befürchten,
durch solche Mechanismen an legitimen Nutzungsformen gehindert zu
werden. Außerdem ermöglicht DRM-Software theoretisch
auch, genau zu protokollieren, wer wann welche Musik hört
interessant für Marketing-Zwecke, doch ein Horror für
Datenschützer.
Datenschutz als Menschenrecht
Reinbothe zu diesem Konflikt: Es ist völlig klar, dass
die Rechteinhaber zwar ein wichtiges Recht haben. Auf der anderen
Seite hat der Datenschutz Menschenrechtscharakter. Die Abwägung
zwischen beiden Interessen bleibt auch in diesem Fall den einzelnen
EU-Mitgliedsländern überlassen. Ob damit die Richtlinie
tatsächlich zur erhofften Harmonisierung des Urheberrechts
in Europa beiträgt, bleibt fraglich. Fest steht dagegen: Den
schon in Brüssel so aktiven Lobbyisten wird auch in Zukunft
nicht langweilig werden.