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VdM
nmz-archiv
nmz 2001/05 | Seite 28
50. Jahrgang | Mai
Verband deutscher Musikschulen
Gemeinsam für Musikalische Bildung
Schulmusik und Musikschulen vereinbarten Zusammenarbeit
Unter dem Motto Gemeinsam für Musikalische Bildung
verabschiedeten der Verband Deutscher Schulmusiker (VDS) und der
Verband deutscher Musikschulen (VdM) im März 2001 eine Gemeinsame
Erklärung, deren Wortlaut im Folgenden abgedruckt ist.
Wollen gutes Einvernehmen
auch in der musikpädagogischen Praxis vor Ort erzielen:
der Vorsitzende des vds, Prof. Dr. Hans Bäßler,
und der Vorsitzende des VdM, Dr. Gerd Eicker. Foto: Wüster
Als Ergebnis von Beratungen zwischen dem Verband deutscher Musikschulen
VdM und dem Verband Deutscher Schulmusiker VDS anlässlich des
VdM-Herbstsymposions im November 2000 verständigten sich beide
musikpädagogischen Verbände darauf, angesichts der schwieriger
gewordenen Situation der Musikalischen Bildung Perspektiven gemeinsamen
Handelns zu entwickeln, um an der Schwelle zum 21. Jahrhundert den
Stellenwert der Musikerziehung für die allgemeine Bildung und
für eine humane Gesellschaft zu stärken.
Eine aus dem Jahr 1979 stammende erste gemeinsame Erklärung
von VdM und VDS bildete den Ausgangspunkt des vorliegenden neu abgefassten
Textes, der von den Vorständen beider Verbände erarbeitet
und jeweils einstimmig verabschiedet wurde. VdM und VDS verbinden
damit die Erwartung einer konkreten Wirksamkeit nicht nur auf verbandlicher
und politischer Ebene, sondern insbesondere dort, wo Musikunterricht
stattfindet. Dies geschieht, indem
Musikpädagogen beider Einrichtungen die konstruktive und
kollegiale Zusammenarbeit suchen,
die Verbände über Formen der konkreten Zusammenarbeit
gemeinsam nachdenken, die dafür notwendigen Strukturen schaffen
und auch Ressourcen bereitstellen
und indem sowohl allgemein bildende Schule als auch Musikschule
offen sind für den Dialog mit weiteren Partnern vor Ort,
die der Musikalischen Bildung der Kinder und Jugendlichen verpflichtet
sind.
1. Zur gesellschaftlichen Bedeutung Musikalischer Bildung
Musik ist Allgemeingut, für jeden Menschen verfügbar
zu jeder Zeit und an jedem Ort, in jeder gewünschten
Stilrichtung, in jeder Qualität und in jeder vorstellbaren
Funktion. Der Reichtum, den die massenmediale Verfügbarkeit
von Musik verspricht, führt jedoch zu Verarmung, wenn Musik
nur vordergründig konsumiert wird.
Musikalische Bildung ist ein Bestandteil der Allgemeinbildung,
denn Musik bestimmt als Kulturgut, als Kommunikationsform und als
sinnliche Erfahrung nahezu alle gesellschaftlichen Kontexte mit.
Musikalische Bildung trägt abhängig von der Intensität
der Auseinandersetzung der Schüler/-innen mit Musik
zu einer insgesamt positiven Persönlichkeitsbildung bei, indem
sie seelisch-emotionale Kräfte, geistig-intellektuelle Fähigkeiten
und auch soziale Kompetenzen entwickelt.
Musikalische Bildung im Sinne von bewusster und begreifender Musikrezeption
möchte Menschen in die Lage versetzen, sich gegenüber
Musik selbstbewusst und adäquat zu verhalten, sich Fähigkeiten
ästhetischer Wahrnehmung und Urteilsfähigkeit zu erwerben
und Musik als Klangereignis, als Mitteilung und als Gegenstand von
Wissen zu erfahren.
Musikalische Bildung im Hinblick auf ein aktives eigenes Musizieren
hat zum Ziel, Menschen in die Lage zu versetzen, sich selbst musikalisch
auszudrücken. Indem sie Fertigkeiten und Fähigkeiten im
Singen und/oder Instrumentalspiel sowie des gemeinsamen Musizierens
vermittelt, bildet sie den Nachwuchs für das Laien- und Liebhabermusizieren
sowie für das professionelle Musikleben heran.
Damit sichert die Musikalische Bildung die lebendige Tradition
unseres Musiklebens. Sie ist in der Lage, Menschen unterschiedlichster
Herkunft zu verbinden und bietet eine Verständigungsebene auch
zwischen den Kulturen. Die Rolle eines aktiven Musiklebens auch
im Hinblick auf Wirtschaftskraft und Standortqualitäten hängt
unmittelbar von einer intakten Musikalischen Bildung ab.
Dieser Bedeutung der Musikalischen Bildung stehen momentan Probleme
gegenüber, die sich in der allgemein bildenden Schule durch
das Zurückdrängen des Fachs Musik in den Stundenplänen
sowie den eklatanten Fachlehrermangel ergeben und sich bei den öffentlichen
Musikschulen durch die vielerorts schwindenden Finanzmittel der
öffentlichen Hand abzeichnen.
2. Zur Aufgabenteilung zwischen allgemein bildender Schule und
Musikschule
Die Sicherung der Zukunft der Musikalischen Bildung kann allein
durch ein entschlossenes Zusammenwirken aller beteiligten Personen
erfolgen. Insbesondere dadurch, dass Musikpädagogen der allgemein
bildenden Schulen und der Musikschulen sich zu einem gemeinsamen
Handeln verstehen, in dessen Mittelpunkt dieselbe Zielgruppe steht:
die Kinder und Jugendlichen als die Zukunft unserer Gesellschaft.
Musikschule und allgemein bildende Schule kennen ähnliche
und unterschiedliche Ziele, Bedingungen und Ansätze beziehungsweise
Möglichkeiten der Musikerziehung. Nicht allein Gemeinsamkeiten
können als Grundlage vereinter Bemühungen um die Musikalische
Bildung genutzt werden: Eine Verständigung über vorhandene
Unterschiede kann ebenso der notwendigen Profilschärfe dienen
und zu einem Lernprozess führen, in dessen Folge ein sich gegenseitig
ergänzendes Engagement um die musikalische Förderung von
Kindern und Jugendlichen stehen kann.
Der Musikunterricht der allgemein bildenden Schule erreicht
insbesondere in den unteren Jahrgangsstufen sämtliche
Kinder eines Altersjahrganges, ist aber ein Unterrichtsfach von
vielen.
Daraus leitet sich abhängig von den Lehrplänen der verschiedenen
Schulformen ein Hinführen zur Musik vom voraussetzungslosen,
allgemeinen Zugang aus sowie eine relevante Breite des musikalischen
Blickwinkels her. Die Bandbreite hierbei reicht vom Erwerb musikalischer
Grundkompetenzen bis hin zum Kultur erschließenden Musikunterricht.
Außerhalb der Stundenpläne können Neigungsgruppen
und Projekte angeboten werden.
Die Musikschule kommt als Angebotsschule für diejenigen in
Frage, deren Neigung, Interesse und eventuell besondere Begabung
ein aktives eigenes Musizieren wünschenswert machen.
Dabei strebt die Musikschule nach einer möglichst umfassenden
Ausbildung einer speziellen Interessenslage, wobei auch der Freizeitwert
eine Rolle spielt. Dementsprechend sind die Musikalische Früherziehung/Grundausbildung
(als Klassenunterricht), der Instrumental-/Vokalunterricht (als
Gruppen- und Einzelunterricht), der Ensembleunterricht sowie die
Ergänzungsfächer auf die an Lehrplänen des VdM orientierte
Entfaltung musikalischer Fähigkeiten gerichtet. Zusätzlich
können Projekte angeboten werden.
Die Musikschule kann den Musikunterricht an den allgemein bildenden
Schulen ebenso wenig ersetzen wie umgekehrt die allgemein bildenden
Schulen den Musikunterricht der Musikschulen.
3. Zur Kooperation von allgemein bildender Schule und Musikschule
Die allgemein bildende Schule fördert Musikschulaktivitäten
ihrer Schüler/-innen.
Musiklehrer/-innen der allgemein bildenden Schule regen Schüler/-innen
zum Besuch einer Musikschule an. Insbesondere Grundschullehrkräfte
weisen Kinder und Eltern auf das Musikschulangebot Musikalische
Grundausbildung hin. Dabei können auch solche Familien
ermutigt werden, denen der Besuch einer Musikschule aus ihren
sozialen Kontexten heraus eher nicht naheliegend erscheint.
Schülern/-innen der Musikschule können für die
Teilnahme an Sonderaktivitäten wie Wettbewerben (Jugend
musiziert) oder Musikfreizeiten/Konzertreisen der Musikschulorchester/-ensembles
im Rahmen des Möglichen beurlaubt werden.
Die Planung von Nachmittagsunterricht sollte den Schülern/innen
noch Freiräume zur Teilnahme an Musikschulunterricht gewähren.
Musikschulaktivitäten der Schüler/-innen können
in entsprechenden Zusammenhängen (z.B. musisches Gymnasium)
als schulische Leistung anerkannt werden.
Die Musikschule fördert musikalische Aktivitäten der
allgemein bildenden Schulen.
Musikschullehrkräfte motivieren Schüler/-innen zur
Mitwirkung in Ensembles und Kursen der allgemein bildenden Schulen.
Die Musikschule kann die Teilnahme ihrer Schüler/-innen
in Ensembles und Kursen der allgemein bildenden Schulen als Ensemble-
beziehungsweise Ergänzungsfach anerkennen.
Die Musikschule unterstützt die Grundschule durch Angebote
außerhalb des schulischen Pflichtunterrichts.
Die Musikschule unterstützt die allgemein bildende Schule
bei der musikalischen Öffentlichkeitsarbeit.
Musikschulen und allgemein bildende Schulen unterstützen
sich gegenseitig.
(Musikalische) Veranstaltungen sollen aufeinander abgestimmt
werden.
Es können gegebenenfalls gemeinsame Ensembles gebildet
werden, um Mehrfachbeanspruchungen von Schülern/-innen und
Terminkonflikte zu vermeiden.
Das gegenseitige Ausleihen von Noten, Leihinstrumenten und sonstiger
Materialien wird organisiert.
Räumlichkeiten für Unterricht, Ensembleproben, gegebenenfalls
Tonstudio, Bühne et cetera, sollten gegenseitig zur Verfügung
gestellt werden.
Gemeinsame Projekte (z.B. Musiktheater, Exkursionen, Workshops)
und Veranstaltungen werden durchgeführt.
Gemeinsame Fortbildungsmaßnahmen werden veranstaltet.
Musikpädagogen der allgemein bildenden Schule und der Musikschule
stellen sich für speziellen Bedarf zur nebenberuflichen Mitarbeit
zur Verfügung, wenn sie für die Erteilung von Unterricht
in der jeweils anderen Einrichtung qualifiziert sind.
Regelmäßige gemeinsame Beratungen von Musikschulpädagogen
und Schulmusikern können die Bestrebungen der Musikalischen
Bildung im Wirkungsgebiet koordinieren und verstärken.
Im örtlichen Musikleben kann durch ein abgestimmtes Agieren
der Musikpädagogen die Präsenz und der Stellenwert der
Musikausbildung verbessert werden (z.B. gemeinsame Veranstaltungen,
Einladung zu Tagen der offenen Tür u.a.).
Anliegen der Musikschule können durch Schulmusiker beziehungsweise
Schulen kommunalpolitisch wirkungsvoll unterstützt werden.
Die Musikschule kann kommunale Anliegen der Schulmusik unterstützen
und landespolitische Unterstützung über den VdM-Landesverband
initiieren.
Solche örtliche Kooperation ist offen für die Beteiligung
weiterer Partner, die der Musikalischen Bildung im kommunalen
Umfeld verpflichtet sind (z.B. Laienmusikvereine, Kirchenmusiker,
Chöre usw.)
VdM und vds arbeiten auf Bundes- und Länderebene in wichtigen
Fragen zusammen. Dies gilt insbesondere für die
gegenseitige Information und Einladung zu Kongressen
und Tagungen,
Information der Mitglieder über wichtige Entwicklungen
und Veranstaltungen im jeweils anderen Verband,
Gemeinsame bildungspolitische Initiativen, auch unter Beteiligung
weiterer Partner (z.B. innerhalb des Deutschen Musikrats),
Planung von Fortbildungskonzepten,
Sammlung vorhandener und Erarbeitung weiterer Kooperationsmodelle
sowie deren Kommunikation.
VdM und vds widmen ihre vorliegende Erklärung als Beitrag
zu der vom Deutschen Musikrat ausgerufenen Initiative Hauptsache:
Musik zur Förderung der Musikalischen Bildung in Deutschland.