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nmz-archiv
nmz 2001/06 | Seite 48
50. Jahrgang | Juni
Oper & Konzert
Spaß bei Klängen aus Schrott, Küche und Keller
Zur Zweijahresbegegnung musizierender Schulen 2001 in Osnabrück
Gar nicht an die Öffentlichkeit zu treten, nur leise zu trommeln,
das wäre vielleicht die vernünftigere Alternative. Denn
so freudvoll aus voller Kehle zu trällern, verführt allzu
leicht zur irrigen Annahme, wie selbstverständlich sich unsere
Schulen neben all dem Pflichtpensum Mathe, Info, Sprachenbüffeln
vergnügt und hochkünstlerisch in Musik zu baden
verstehen. Also wäre es fast besser, sie gar nicht stattfinden
zu lassen, diese Zweijahresbegegnung musizierender Schulen, bei
der sich die besten Schulensembles aus den Bundesländern hören
lassen und Beispiel abgeben von ihrem musikalischen Tun.
Schulen musizieren abermals zu Gast in Osnabrück,
im Auftrage des Verbandes Deutscher Schulmusiker zum elften Male
ausgerichtet, jedoch letztmalig und deshalb ehrenvoll verabschiedet,
von Hermann Josef Lentz, dessen Konzeption für dieses Festival
unverkennbar spürbar ist: Da fand man erneut demonstriert,
wie großartig das Leben einer Schule inspiriert sein kann,
wie sehr junge Menschen in ihren Entwicklungsjahren von musikalischen
Aktivitäten gewinnen können. Erwiesenermaßen ein
Profit auch für das Lernen in anderen Fächern und darüber
hinaus für einen freud- und friedvolleren Umgang miteinander
wenn die Rahmenbedingungen dafür gegeben sind: Wenn
die Stundentafeln es erlaubten. Wenn genügend fähige,
weil ausgebildete Lehrkräfte dafür da sind, deren musikalischer
Enthusiasmus, deren kreative Initiative sich auf Schülerinnen
und Schüler überträgt. Ob im Klassenunterricht, ob
in Wahlangebot, in Arbeitsgemeinschaften für Alte Musik, für
Experimente, im Chor, in der BigBand, in der Spielgruppe. Dass man
dafür nicht ehrgeizig traditionelle Orchesterbesetzung braucht,
zeigten in Osnabrück mehr noch als die gleichen Vorjahresbegegnungen
fantasiereiche Beiträge, dem Alter, den sparsamen instrumentalen
Fähigkeiten angepasst, wie sie den Realitäten in Grund-,
Haupt-, Sonderschulen, in Real- und gymnasialen Schulen und vor
allem auch den Wünschen der Schüler selbst mehr und mehr
entsprechen. Fetzig, jazzig, poppig, mit polyryhthmischen Klatschkanonen,
sinfonischem Spaß bei Klängen aus Schrott, Küche
und Keller. Tierfabeln, Märchen, Bilder, Erlebnisse aus unserer
Gegenwart, zum Klingen gebracht. Auch umgekehrt: musikalische Eindrücke
(in einer Montessori-Klasse) in Bildern umgesetzt. Ich mache mir
die Welt, wie sie mir gefällt, sang Friederike alias Pippi
Langstrumpf. Das alles trieb manch einem vor Freude, vor Rührung,
vor Begeisterung die Tränen in die Augen, aber auch Tränen
darüber, dass nur einem winzigen Prozentsatz unserer Kinder
solches Glück beschieden ist. Denn es tönen die Lieder
leider nicht überall...
Schulen musizieren ist zugleich lebendigste Weiterbildung
für Lehrer, die hier untereinander lernen von der Originalität
der Programme, von der Fantasie der Kollegen, und mitnehmen, wie
man und frau aus der Situation vor Ort eine musikfreudige, heitere
Schule machen könnte, wenn, ja wenn überhaupt genügend
Musiklehrer da sind, unsere rund zwölf Millionen Schulkinder
musikalisch zu versorgen, und zwar in der Schule als
dem einzigen Ort, wo sie alle und einmalig die große Chance
hätten, für ihr Leben jenes Signal mitzubekommen, das
Intelligenz und Konzentrationsfähigkeit schult, das Selbstwert,
Sozialkompetenz und Verantwortungsgefühl stärkt. Eine
Prävention für unsere Gesellschaft und ihr kulturelles
Leben, wofür keine Investition zu schade sein sollte und worin
auch alle politischen Fensterreden übereinstimmen, und dennoch
schämt sich niemand, unser Bildungsfach Musik mehr und mehr
zu kappen.