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nmz-archiv
nmz 2001/06 | Seite 35
50. Jahrgang | Juni
Musik-Termine
Parallele Welten
Kaum auszudenken: Alle städtischen Kliniken schlössen
ihre Entbindungsstationen, die Kreißsäle würden
eingemottet, Hebammen und Ärzte kümmerten sich ab sofort
nur noch um Greise und Verstorbene. Ob Geburten, Kindergarten, Schulunterricht:
Alles bliebe der privaten elterlichen Initiative überlassen.
Nur hier und da gäbe es kleine öffentliche Zuschüsse
... Kaum auszuhalten: Münchner Marstall geschlossen, Kölner
Studio für elektronische Musik eingemottet, (greise) Pultstars
in Gold aufgewogen, Repertoire der großen Institutionen: zumeist
Werke längst ausgestopfter Komponisten. Die Initiativen zur
Zukunftssicherung einer ernst zu nehmenden Musikkultur liegen in
den Händen einiger Privatpersonen. Den Mangel öffentlicher
Gelder kompensieren sie mit Selbstausbeutung. Kurz: Die Ur- und
Wiederaufführungsquote heutiger Kunstmusik bei den Veranstaltern
verhält sich umgekehrt-proportional zu ihrer öffentlichen
Förderung.
So etwa auch beim 6. Münchner ADevantgarde Festival: Monatelange
ehrenamtliche Arbeit einiger junger Komponisten gipfelt am 15. bis
25. Juni in acht Konzerten mit nahezu 40 Uraufführungen. Diese
verteilen sich auf ein Geburtstagskonzert für Henze (Neues
von D. Glanert, S. Hakenberg, K. Hesketh, J. Müller-Wieland,
M. A. Turnage und T. Saruya), eine Performance mit Musiktheater-Szenen
(Neues von L. Hurt, A. Strauch), ein Konzert mit dem E-Gitarren-Quintett
Go Guitars (Neues von J. F. W. Schneider und B. Weidner)
und eine konzerttheaterinstallation inklusive mixes,
cuts, scratches und videos (Neues von S. Bhagwati, H. Pogatschar,
M. Schmitt, F. Schwenk). Außerdem entsteht unter dem Titel
Variations IV.01 eine Internetkomposition von und mit
M. Eggert, FM EINHEIT, S. Hess, A. Heck und J. Stelkens; weltweit
live zugeschaltet sind hierbei etwa 20 weitere Komponisten, darunter
G. Stäbler, T. Tuomela, M. Azguime oder L. Lombardi. Außerdem
werden neue Kammermusikwerke von N. Kawakami, A. F. Singer, C. C.
Bettendorf, B. Croall, C. P. Harman, M. Oesterle, A. Ristic und
R. Spring zu hören sein.
Allein das Abschlusskonzert bietet 20 neue Liebeslieder, die jeweils
in Zusammenarbeit eines Dichters mit einem Komponisten entstanden
sind, darunter Erhard Grosskopf, Julian Klein, Enno Poppe oder Charlotte
Seither. Sozusagen die ganze parallele Welt der Neuen
Musik in einer Nussschale, die damit durchaus repräsentativ
ist für die über hundert recherchierten Uraufführungen
im Juni.
Michael Zwenzner
Weitere Uraufführungen und Termine
2.6.: Yuuko Amanuma: Das verräterische Herz, Oper,
Magdeburg
Christoph Neidhöfer: Ondes für 8 Solostimmen und Ensemble,
Saarbrücken
Christoph Kobelt: Orchestermusik, Zürich
3.6.: Isabel Mundry: Panorama ciego für Klavier und
Orchester, Berlin
Paul-Heinz Dittrich: Zerbrochene Bilder, Musiktheater, Rheinsberg
5.6.23.6.: Agora Festival mit Uraufführungen
von Georges Aperghis, Roger Reynolds, Francois Nicolas, Brian Ferneyhough,
Martin Matalon, Marc-André Dalbavie, IRCAM Paris
6.6.10.6.: Biennale Hannover mit Uraufführungen
von Llorenc Barber (HOC DONUM. Ein Glockenkonzert für die Stadt
Hannover), Berthold Türcke, José M. Sánchez Verdú,
Gabriel Erkoreka, Kay-Ivo Nowáck, Matthias Pintscher, Charlotte
Seither, Frank Cox, Martin Schmeding, Georg Katzer, Steffen Schleiermacher
und Günter Steinke
7.6.: Johannes Fritsch: Neues Werk für fünf Instrumente;
Harald Muenz: Neues Werk für 3 Instrumente, Köln
8.6.: Thomas Daniel Schlee: Symphonie Nr. 1, Göttingen
Theo Loevendie: Johnny & Jones, Kammeroper, Amsterdam
Brice Pauset: Kontra-Sonate für Hammerklavier; James Dillon:
Book of
Elements Vol. 4 für Klavier, Hagen
zeitblom: Neues Werk für Ensemble, Berlin
9.6.: Christian Münch: Jemand Lieder nach Borges
für Soli, Chor und Orches-ter, Dresden
Pierluigi Billone: Neues Werk für Ensemble, Wien
James Dillon: Book of Elements Vol. 2 für Klavier, Hagen
Andreas H.H. Suberg: Il trittico della passione für Sopran,
Trompete,
Schlagzeug und elektronische Klänge, KlangArt Festival Osnabrück
10.6.: Makiko Nishikaze: garden, nocturnal für Kammerensemble,
Hamburger Bahnhof, Berlin
11.6.: Michael Riessler: Je me souviens für 2 Stimmen
und 5 Instrumente, Wien
12.6.: Athanasia Tzanou: Neues Werk für Violoncello,
Meisterkurse für Zuhörer, Stuttgart
14.6.: Steffen Schleiermacher: Yatz Hatz für Bassklarinette
und E-Bass, Leipzig
Nicolae Teodoranu: Sicut in caelo et in terra für Ensemble,
Schwetzingen
Akio Suzuki: Neues Werk für Kammerensemble, Hamburger Bahnhof,
Berlin
15.6.: David Matthews: 9. Streichquartett, Neustadt-Hambach
an der Weinstraße
16.6.: Alexander Goehr: Overture with Handelian Air für
Orchester, Händelfestspiele Halle
22.6.: Paul Hindemith: Sonate für 10 Instrumente (Fragment),
Heimbach
23.6.: Ruth Zechlin: Dies Irae für Alt und Orgel,
Schweyern/Oberbayern
Matthias Pintscher: Janusgesicht für Viola und Violoncello,
Heimbach
28.6.: Neue musikszenische Werke von Mark André,
von David Coleman, Emanuele Casale, Régis Campo und Jörg
Widmann, Frankfurt am Main
Reiner Bredemeyer: Concertino für 12; Sidney Corbett: Chamber
Symphony, Duisburg
29.6.: Hans Werner Henze: Scorribanda sinfonica sopra la
tomba di Maratona für Orchester, Hamburg