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nmz-archiv
nmz 2001/06 | Seite 15
50. Jahrgang | Juni
Deutscher Kulturrat
Aus Förderung wird oft Bevormundung
Die gemeinnützigen Vereine und ihr Beitrag zur Zivilgesellschaft
· Von Olaf Zimmermann
Kaum ein Thema hat in den letzten Jahren einen solchen Aufschwung
erlebt wie die Frage des Bürgerschaftlichen Engagements. War
noch vor wenigen Jahren von der angestaubten Vereinsmeierei die
Rede, so wird heute endlich anerkannt, wie wichtig und wertvoll
das Bürgerschaftliche Engagement ist und welcher Beitrag zur
Stärkung der Zivilgesellschaft gerade auch in gemeinnützigen
Vereinen geleistet wird.
Oftmals können die gemeinnützigen Vereine ihre Ziele
nicht ohne öffentliche Unterstützung erreichen. Diese
Unterstützung des Staates für gemeinnützige Vereine
ist, was die Unterstützung des einzelnen Vereins angeht, nicht
verpflichtend. Wohl aber hat der Staat nach dem Subsidiaritätsprinzip
die Pflicht, die gemeinnützigen Vereine in ihrer Gesamtheit
zu fördern.
Die staatliche Unterstützung bedeutet aber nicht, dass diese
Organisationen sich dem Staat angleichen oder gar staatlich handeln
müssen. Die Prinzipien staatlicher Unterstützung haben
aber vielfach zur Folge, dass Organisationen Formen staatlichen
Handelns, im Sinne von bürokratischem Handeln, annehmen. Diese
Verbindung zwischen Staat und den gemeinnützigen Vereinen über
das Subsidiaritätsprinzip ist nicht spannungsfrei. Ein großes
Konfliktfeld ist die öffentliche Förderung von Vereinen,
die sogenannte Zuwendung. Bei den Verbändeanhörungen
der Enquete-Kommission Zukunft des Bürgerschaftlichen
Engagements des Deutschen Bundestag wurde deutlich, dass gerade
bei den öffentlichen Zuwendungen Bürgerschaftliches Engagement
in den Vereinen massiv behindert wird. Das Zuwendungsrecht und insbesondere
die Zuwendungspraxis der öffentlichen Hand ist durch zahlreiche
hoheitsrechtliche Relikte geprägt. Allein die Begriffe Zuwendungsempfänger
für die geförderten Vereine und Zuwendungsgeber
für den Staat drücken ein Ungleichheitsverhältnis
aus. Dieses ungleiche Verhältnis findet in der Praxis unter
anderem auch darin seinen Ausdruck, dass im Regelfall allein der
Zuwendungsgeber, also die Verwaltung, entscheidet, welche Form der
Zuwendung angemessen und adäquat ist. Der Zuwendungsnehmer
muss, salopp gesprochen, mit dem zufrieden sein, was er und wie
er es bekommt.
Die grundsätzlichen Probleme in der Zuwendungspraxis haben
ihre Ursache in den verschiedenen Handlungslogiken von Zuwendungsnehmer
und Zuwendungsgeber. Der Zuwendungsgeber, das heißt die Verwaltung,
führt die Verwaltungsvorschriften aus. Der Zuwendungsnehmer,
das heißt die Vereine, will in erster Linie inhaltliche Ziele
verfolgen und muss dabei die Verwaltungsvorschriften beachten. Selbst
wenn ihnen das noch gelingt, wird die Handlungslogik der Zuwendungsgeber
die Autonomie des Zuwendungsnehmers trotzdem in einer unverantwortlichen
Weise einschränken.
Indem der Zuwendungsempfänger alle Eigenmittel in den Kosten-
und Finanzierungsplan eines Projektes oder den Haushalts- und Wirtschaftsplan
bei der institutionellen Förderung einstellen muss, gibt er
seine Haushaltsautonomie auf. Über die Verwendung seiner Mittel,
das heißt der Mitgliedsbeiträge, der erwirtschafteten
Mittel, der Spenden und so weiter entscheidet der Zuwendungsgeber
im Rahmen des zuvor vorgelegten Budgetplans. Haushaltsentscheidungen
der gewählten Gremien eines Vereins haben nur noch deklaratorischen
Charakter. Sie sind für die letztliche Haushaltsführung
ohne Belang. Ein Verein wird damit wichtiger demokratischer Rechte
seiner Gremien beraubt. Und dieser Haushalt wird dann oftmals von
ehrenamtlichen Helfern bewirtschaftet und gegenüber den Zuwendungsbehörden
abgerechnet. Diese ehrenamtlichen Schatzmeister und Vereinsvorstände
sind im Zuwendungsrecht nicht geschult und erledigen ihre Arbeit
nach bestem Wissen und Gewissen, aber trotzdem manchmal den Verwaltungsvorschriften
nicht entsprechend. Ihnen gegenüber steht immer öfter
eine Behörde, die sich für die Inhalte überhaupt
nicht interessieren darf. Im Zuge des Programms schlanker
Staat aus der letzten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages
und jetzt moderner Staat moderne Verwaltung wurden
vermehrt Aufgaben aus den Bundesministerien auf nachgeordnete Behörden,
im Zuwendungsbereich das Bundesverwaltungsamt, abgeschichtet. Die
Bundesministerien sollen sich zuerst ministerialen Aufgaben widmen
und die reinen Verwaltungsaufgaben werden von nachgeordneten Behörden
wahrgenommen. Die dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
haben eine Verwaltungsausbildung durchlaufen. Ihr Aufgabengebiet
ist die Prüfung der genauen Einhaltung von Verwaltungsvorschriften.
Ob durch eine mögliche vereinsfreundliche Auslegung der Verwaltungsvorschriften
ein Ziel besser erreicht werden kann, wird nicht geprüft.
Diese Diskrepanz zwischen Zuwendungsnehmer und Zuwendungsgeber
führt zu großen Problemen in der konkreten Zuwendungspraxis.
Zugespitzt könnte man sagen, dass ein Zuwendungsempfänger
seine Zuwendungen umso besser abrechnen kann, je mehr er sich in
seinem Handeln einer Behörde annähert. Doch gerade dieser
Weg ist nicht akzeptabel für gemeinnützige Vereine.
Das Zuwendungsrecht lässt dabei Spielräume für die
geförderten Vereine, die in der Zuwendungspraxis von der Verwaltung
leider nicht ausgeschöpft werden. Zum Beispiel wurden mit der
Einführung von Selbstbewirtschaftungsmitteln bereits Instrumente
geschaffen, die eine größere Flexibilität in der
Mittelverwendung ermöglichen. Dieses gilt besonders für
das Jährlichkeitsprinzip. Auch im Hinblick auf die gegenseitige
Deckungsfähigkeit von Haushaltstiteln gibt es bereits Möglichkeiten
der gegenseitigen Deckung von Personal- und Sachmitteln sowie der
Deckung der verschiedenen Titel der Sachkosten.
Unbedingt sollte die Festbetragsfinanzierung die Regelfinanzierung
von gemeinnützigen Vereinen werden. Die übliche Form der
Fehlbetragsfinanzierung schafft keine Anreize, eigene Mittel zu
erwirtschaften, sie hebelt darü-ber hinaus in unverantwortlicher
Weise die Finanzautonomie der Vereine aus. Um den Vereinen stärkere
Möglichkeiten einzuräumen, ihre Finanzhoheit wahrzunehmen,
müssen sie in der Einwerbung und Verwendung ihrer Mittel eigenständiger
werden. Instrumente wie die Festbetrags- oder Anteilsfinanzierung,
die bei öffentlich geförderten kommerziellen Unternehmen
regelmäßig eingesetzt werden, um wirtschaftliche Anreize
zu setzen, bieten auch für gemeinnützige Vereine entsprechende
Ansätze.
Doch diese Möglichkeiten der flexibleren Mittelbewirtschaftung
werden nur dann sinnvoll einzusetzen sein, wenn die Zuwendungsempfänger
in der Zukunft im Zuwendungsrecht und in steuerlichen Fragen geschult
werden. Aber auch der Zuwendungsgeber muss endlich seine Beratungsverpflichtung
ernster nehmen. Im Sozialrecht ist die Behörde verpflichtet,
im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über
die Rechte und Pflichten aufzuklären. Auch für Zuwendungsgeber
sollte eine Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflicht nach
dem Vorbild der §§ 13 bis 15 Sozialgesetzbuch I gesetzlich
vorgeschrieben werden. Wer die gemeinnützigen Vereine stärken
will, muss ihnen ihre Autonomie trotz öffentlicher Förderung
belassen und muss sie in die Lage versetzen, auf Augenhöhe
mit der Zuwendungsbehörde verhandeln zu können. Die Bevormundung
der gemeinnützigen Vereine muss aufhören.