[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2001/06 | Seite 1
50. Jahrgang | Juni
Leitartikel
Null sexy?
Musica est omnis divisa in partes tres tja: Und Latein sei
ungefähr so öffentlichkeitswirksam wie Musikpädagogik
meinte kürzlich der Presse-Profi eines eher wirtschaftlich
orientierten Kulturverbandes auf die Frage, weshalb die Belange
unserer Musikerzieher in den Medien so wenig Resonanz fänden.
Vorausgegangen waren stattliche Kongresse: Die Jeunesses Musicales
hatte Experten aus 30 Ländern nach Weikersheim eingeladen,
um Ideen für erfolgreiche Kinderkonzerte zu sammeln und beispielhaft
zu demonstrieren. Ein substanzreiches Spektakel im besten Sinn des
Wortes. RTL 2 hatte man gar nicht erwartet, aber wenigstens Arte
oder 3sat hätten mal eine Kameralinse vorbeischicken können
Fehlanzeige.
Über zwölfhundert Musiklehrerinnen und Musiklehrer holte
der Verband deutscher Musikschulen mit Fortbildungsangeboten und
gut bestückten berufspolitischen Panels nach Leipzig. Selbst
Otto Schily reiste an, um seinen Satz von den sicherheitsbedrohenden
Musikschul-Schließern zu unterfüttern. Trotz aller Anstrengungen
der Öffentlichkeits-Arbeiter Schweigen im Blätterwald.
Musica est omnis divisa in partes tres meinte dazu
der selbstverständlich humanistisch trainierte Presse-Profi
aus dem ersten Absatz: Man nehme einen Pop-Act Madonna, Stefan
Raab oder die No Angels optimales Echo ist garantiert.
Etwas schwieriger sei es bei den Klassik-Events. Aber mit ein bisschen
Einsatz ließen sich Staatsoper, Philharmoniker und sogar das
Bundesjugendorchester oder Jugend musiziert einigermaßen
verkaufen. Zumindest die Feuilletonisten würden auf so etwas
noch abfahren. Chancenlos hingegen sähe er die Content-lastigen
Felder Musikpädagogik, Kulturpolitik: alles schwierige,
sperrige Gegenstände, deren Inhalte man auch noch umständlich
erklären müsse wen solle das heutzutage noch interessieren.
Eine kleine Ausnahme hätte es ja gegeben: Günther Bastian
wäre es gelungen, seine These, Musik mache intelligent, wirklich
breitenwirksam zu streuen. Ob das nun stimme oder nicht egal.
Das breite Publikum sei geradezu süchtig danach, betrogen zu
werden, Hauptsache, die Message ist sexy.
Natürlich überkommt den altmodischen Kulturberichterstatter
spätestens an dieser Stelle das kalte Grauen gepaart mit bitteren
Selbstzweifeln und bohrendem Klopfen der Sinnfrage. In seinem musealen
Schädel rumoren noch Leerformeln wie journalistischer
Ethos, saubere Recherche oder gar Informationspflicht.
Doch: Wo die Not am größten, ist das Rettende nah: Tempora
mutantur, et nos mutamur in illos ruft nämlich der humanistische
Presse-Profi. Ladet zum nächsten Musikschul-Kongress
den Papst ein, dann habt ihr die Medien. Überwältigt
von so viel genialer sexy Seriosität zieht sich der Kulturberichterstatter
für immer in seinen Elfenbeinturm zurück.