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nmz-archiv
nmz 2001/06 | Seite 20
50. Jahrgang | Juni
Rezensionen
Neue Begegnungen der anderen Art
Die Audio-DVD entwickelt sich weiter: bei Tacet und in den Bauer
Studios in Ludwigsburg
Deutsche Tonmeister in ihren Klassik-Studios sind elektrisiert
von den Möglichkeiten der Klanggestaltung, welche die neue
DVD-Audio bietet. Über MDGs 2+2+2-Format
überwältigenden dreidimensionalen Klang aus sechs Lautsprechern
wurde vor kurzem berichtet (nmz 2/01, S. 17). Nun ist zu
vermelden, dass der Wunsch nach geeigneter Hardware bereits auf
Resonanz stieß: Denons Vorzeige-Bolide AVC-A1SE Aussehen
und Ausstattung rechtfertigen seinen stolzen Preis von 7.500 Mark
ist als 7.1-Surround-Verstärker für DVD-Video und
-Audio mit allen Schikanen versehen, welche die heutige Wiedergabetechnik
bietet; auch SACDs kann er abspielen, aber hier scheiden sich ohnehin
die Geister: Sony und Philips verfolgen unter den skeptischen Blicken
der breiten Käuferschicht zwar weiter ihren eigenen SACD-Weg,
doch scheint dem zügigen Vormarsch der auf dem DVD-5.1-Video-Format
aufbauenden DVD-Audio durchschlagender Erfolg beschieden.
An Denons Super-Verstärker lässt sich über einen
von zwei Achtkanal-Eingängen die normale Surround-Lautsprecheranordnung
mit Center-Lautsprecher und Subwoofer fürs Heimkino anschließen
und über den zweiten auch die in den Kanälen 5 und 6 anders
zugeordnete 2+2+2-Aufstellung für die MDG-Technik.
Jede der beiden Zuordnungen lässt sich durch einen Tastendruck
anwählen: Man kann also leicht zwischen der normalen
5.1-Anordnung für Film- und Audio-DVDs und MDGs dreidimensionalem
Musikerlebnis hin und her schalten. Für den Musikfan, der sich
dieses Topgerät nicht leisten will oder kann, bietet Denon
auch ein preiswerteres Gerät an, den AVR-3801 Surround-Receiver
mit 7-Kanal-Endstufe für 2.400 Mark.
Natürlich braucht derjenige, der alles ausnutzen will, was
die neue Technik ihm bietet, einen neuen DVD-Video/Audio-Player
der gehobenen Klasse, dazu neben den beiden Lautsprechern,
die er bisher schon für seine Stereo-Wiedergabe besaß
noch weitere vier Boxen, nämlich zwei für den Film-Surround-Sound
hinter sich und dazu einen Mitten- (Center) und einen Effektlautsprecher
(Subwoofer); will er und das lohnt sich! MDGs 2+2+2-Klang
genießen, sind dann noch zwei weitere kleine Boxen über
den vorderen Stereolautsprechern nötig. Insgesamt sind das
zu den vorhandenen beiden Stereolautsprechern seiner Anlage sechs
neue: Das klingt nach Aufwand, aber für diese zusätzlichen
Lautsprecherboxen (sie müssen nicht zur Spitzenklasse gehören,
wenn die beiden Basis-Stereolautsprecher hochwertig sind!) gibt
es heute ein großes und auch preiswertes Angebot in allen
Größen, Formen und Farben. Der Rat des Fachmanns und
seine Hilfe bei der Installation sind ohnehin ratsam.
Andere Tonmeister ersparen den Musikfreunden den Mehraufwand für
das dreidimensionale Klangwunder und nutzen die im DVD-Videoformat
5.1 schon bestehenden Mehrkanal-Möglichkeiten für reine
Musikwiedergabe. Eine originelle Lösung ist dem schwäbischen
Diftler Andreas Spreer eingefallen, dessen Stuttgarter
Label Tacet inzwischen für viele klassische
Musikfreunde ein Synonym für Besonderes wurde. Spreer vertraut
auf eine Klangtechnik, die nutzt, was im DVD-Video-Format ohnehin
angeboten wird: den (mit zwei Zusatzlautsprechern unterstützten)
Surroundsound, den er für die Wiedergabe klassischer Musik
primär den vier Rundherum-Lautsprechern anvertraut,
wobei er aber auch den Mittenlautsprecher ins Klanggeschehen einbezieht.
Mit diesen fünf Kanälen experimentiert er so radikal,
dass er Gewohntes beim Musikhören über den Haufen wirft:
Er setzt den Hörer nämlich mitten ins klingende Geschehen
hinein die Instrumente erklingen um ihn herum, als wären
die Spieler auch so im ganzen Raum verteilt, was sie bei der Aufnahme
tatsächlich sind. Seine ersten DVDs in diesem Real Surround
Sound verstören erst ein wenig, faszinieren dann aber immer
mehr: In Bachs 2. Brandenburgischen Konzert spielen die vier Solisten
in den vier Ecken die Violine links vorn, die Flöte
rechts vorn, die Oboe links hinten und die Trompete rechts hinten;
die Streicher sitzen im Kreis. In den anderen fünf Konzerten
gibt es ähnliche Aufstellungs-Überraschungen. Der Höreindruck
ist frappierend, weil man Stimmen in ihrem Verlauf verfolgen kann,
wie das im frontalen Klangbild so plastisch nicht möglich ist.
Und das ungewohnte Mittendrin-sein entpuppt sich schnell als ein
neues Hörerlebnis, wie es sich im Konzertbetrieb nicht ereignet,
wo der Hörer immer nur vor oder neben den Instrumentalisten
sitzt, niemals mitten unter ihnen.
Einen wiederum eigenen Weg sucht der Tonmeister Johannes Wohlleben
bei den experimentierfreudigen Bauer Studios in Ludwigsburg, die
für Aufsehen erregende Produktionen bekannt sind: Der im selben
Haus tätige Tonmeister Adrian von Ripka etwa betreut seit langem
die immer wieder eindrucksvolle klangliche Aufbereitung der großartigen
CD-Hörfilme Stefan Winters für das Label Winter&Winter.
Eine moderne und hochwertige technische Ausstattung der Bauer Studios
erlaubt es, Audio-DVDs 5.1 in 24 Bit und 48 kHz und parallel dazu
Stereo in 16 Bit/48 kHz und 5.1 in Dolby AC3 für Video-Player
herzustellen. Neue Mehrspur-Produktionen des mit Bauer verbundenen
Peregrina-Labels vermitteln (etwa mit der neuen Audio-DVD # PM 50245:
Postcard Rosanna & Zélia) über
den reinen Stereoeindruck hinaus ein packendes Rundum-Klangbild.
Die Bauer Studios arbeiten gerade an einigen DVD-Produktionen auf
dem hauseigenen Klassiklabel Animato.