Was vor nunmehr vier Jahren quasi ad experimentum begann, hat
sich längst zu einem achtbaren überregionalen Kammermusikfestival
entwickelt. Zum fünften Mal veranstaltete die Stadt Neustadt
an der Weinstraße auf dem Hambacher Schloss und an seinem
Fuße das Hambacher MusikFest. Dabei bewährt sich seit
drei Jahren, dass die Stadt jeweils dem Förderkreis Hambacher
MusikFest die Durchführung des Festivals überträgt.
Die Kosten werden rund zur Hälfte aus Eintrittsgeldern gedeckt,
ein knappes Drittel bringen Sponsoren, Spender, Zuschüsse von
Stadt und Kulturstiftungen, Rundfunkhonorare und Werbung ein. Rund
ein Fünftel bleibt dem Land Rheinland-Pfalz zu finanzieren.
Dabei wird an der Weinstraße alles andere als harmlos und
beschaulich provinziell musiziert. Im Gegenteil: Im jährlichen
Wechsel bietet das Hambacher MusikFest Nachwuchskünstlern ein
Podium: im einen Jahr jungen Interpreten, im anderen jungen Komponisten.
Beim diesjährigen Debütkonzert konnten Paul Frick, Robert
Krampe, Stephan Peiffer und Jakob Siecke ihre im Hoch-Begabten-Wettbewerb
Schüler komponieren 2000 der Jeunesses Musicales
Deutschland preisgekrönten Werke präsentieren. Dabei half
das famose Ensemble Est!Est!! Est!!!: mal als Quartett,
als Quintett oder vollstimmiges Sextett mit Violine, Violoncello,
Querflöte, Klarinette, Klavier und Schlagwerk.
Frappant, wie unmittelbar die Musik der jungen Zeitgenossen einging.
Robert Krampes der Rest ist Schweigen, das mit
dem lang ausgehaltenen Klavierton zu Beginn die musikalische Dauer
thematisiert, das Verklingen und damit vor allem das Vergehen; der
den Primat der Pause proklamiert, das Schweigen, da, wo nichts tönt.
Paul Frick legte in Irgendwie ein Tanz ein unkonventionelles
Mobile durchgeführter Motive und Motivfetzen vor, im herkömmlichen
Zweivierteltakt, stark rhythmusbetont und sprunghaft, irgendwie
ein Tanz eben. Stephan Peiffer wusste, wie er im Gesprächskonzert
selbst ausführte, schon nach den ersten zwei Takten: das Stück
kann eigentlich nicht ernst gemeint sein. Also nannte er es kurzerhand
Scherzo, spielt mit den Erwartungen der Zuhörer, lässt
sie am liebsten ins Leere laufen. Was man erwartet, passiert gerade
nicht. Schließlich Jakob Sieckes kleine musikalische Dichtung
über die archaische Legende vom Vogel Peng,
der sich, riesengroß, vom Fisch zum Vogel verwandelt, aus
dem abgrundtiefen Meer in den schwarzblauen Himmel aufschwingt:
ein ausgefeiltes Stück zeitgenössischer Programmmusik.
Daneben erlebte das diesjährige Hambacher MusikFest die Uraufführung
von David Matthews neuntem Streichquartett (op. 80), den Gründern
und künstlerischen Leitern des Festivals, dem Mandelring Quartett
aus Neustadt zugeeignet, mit den Geschwistern Sebastian und Nanette
(Violinen) und Bernhard Schmidt (Violoncello) sowie Roland Glassl
(Viola). Der Komponist, eigens über den Kanal gekommen, um
Werk und Interpretation abzunehmen, erlebte ein hoch motiviertes
Ensemble, detailbesessen und furios, und hatte seine helle Freude
am Spiel der Mandelringer in der Pfarrkirche Sankt Jakobus, wo sinnliches
Barockambiente und heftiges musikalisches Tango-Treiben mit einem
Mal sinnfällig in eins fielen.
Hohes, höchstes künstlerisches Niveau ist seit Anfang
des Hambacher MusikFestes erster Anspruch der künstlerischen
Leiter. Dafür stehen Interpreten wie Sharon Kam (Klarinette),
Marie Pierre Langlamet (Harfe), Iris Vermillon (Mezzosopran), Peter
Lukas Graf (Flöte), Ulf Hoelscher (Violine), Janne Saksala
(Kontrabass), das Minguet Quartett, Kalle Randalu (Klavier) oder
wie in diesem Jahr das Quatuor Manfred oder Ian Fountain (Klavier),
der schon dreimal beim Festival mit britischer Noblesse aufgespielt
hat, so oft wie kein Gast sonst.
Gleich ob Brahms Streichquintett G-Dur, Mozarts C-Dur-Streichquintett
oder Schumanns Es-Dur-Klavierquartett, gleich auch von wem: Alles
wird mitreißend gegeben, technisch perfekt. In diesem Jahr
durfte man außerdem Bekanntschaft mit dem Bajan schließen,
einem russischen Knopfakkordeon, auf dem Elsbeth Moser heftigstes
Tango-Fieber entfachte mit Astor Piazzollas Five Tango Sensations.