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nmz-archiv
nmz 2001/07-08 | Seite 14
50. Jahrgang | Juli/August
Deutscher Kulturrat
Kulturpolitische Debatten im Bundestag
Ein Bericht von Olaf Zimmermann und Gabriele Schulz
Nach mehrmaliger Verschiebung fand am 6. April 2001 im Deutschen
Bundestag endlich die zweite und dritte Lesung des Zweiten
Gesetzes zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes
und anderer Gesetze statt. In letzter Sekunde waren noch rentenrechtliche
Änderungen, die im Zusammenhang mit der Rentenreform stehen,
in den Gesetzesentwurf eingebracht worden.
Die Rednerinnen der Koalitionsfraktion hoben in ihren Beiträgen
die für die versicherten Künstler und Publizisten erreichten
Verbesserungen hervor. Die Möglichkeit zur Unterbrechung der
Berufsanfängerzeit, die Einbindung der jetzt das Rentenalter
erreichenden Versichertengeneration und die Gelegenheit, das Mindesteinkommen
zu unterschreiten, wenn in anderen Jahren das Mindesteinkommen deutlich
überschritten wird, stellen Verbesserungen für die Versicherten
dar. Der Deutsche Kulturrat hat diese Verbesserungen in seinen Stellungnahmen
zur Reform des Künstlersozialversicherungsgesetzes gefordert.
Erfreulicherweise haben die Staatssekretärin im Bundesministerium
für Arbeit und Sozialordnung, Ulrike Mascher, MdB, und Angelika
Krüger-Leißner, MdB, beide SPD, in der Bundestagsdebatte
gesagt und damit zu Protokoll gegeben, dass eine Absenkung des Bundeszuschusses
von derzeit 20 Prozent nicht geplant ist.
Zumindest diese Zusage gibt den abgabepflichtigen Unternehmen eine
gewisse Sicherheit, dass der Bundeszuschuss zur Künstlersozialkasse
in den nächsten Jahren keine Spielmasse im Etat des Bundesministers
für Arbeit und Sozialordnung ist. Darüber hinaus wurde
mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes
und anderer Gesetze der klare Bezug zwischen dem Selbstvermarktungsanteil
der Versicherten und dem Bundeszuschuss aufgehoben. Der Bundeszuschuss
zur Künstlersozialkasse wird nun mit der sozial- und kulturpolitischen
Verantwortung des Bundes für die versicherten Künstler
und Publizis-ten begründet. Auch dieses stellt eine Verbesserung
dar.
In einem Redebeitrag für die Opposition erinnerte Dr. Irmgard
Schwaetzer (FDP) noch einmal daran, dass der Bund mit dem Zweiten
Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes
und anderer Gesetze Verbesserungen für die Versicherten
eingeführt hat, aber dennoch zu kurz gesprungen ist.
Sie und auch der Redner der PDS, Dr. Heinrich Fink, erinnerten
an die Vorschläge des Deutschen Kulturrates, die weit reichender
waren und auch Veränderungen für die Abgabepflichtigen
einforderten. Der Vorschlag des Deutschen Kulturrates hätte
die Möglichkeiten vergrößert, tatsächlich alle
beitragspflichtigen Unternehmen zur Zahlung heranzuziehen. Damit
wäre ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit geleistet worden.
Verschenkter Redebeitrag
Aus kulturpolitischer Sicht verschenkt hat die CDU/CSU-Fraktion
ihren Redebeitrag in der Bundestagsdebatte am 6. April 2001. Anstatt
das zur Diskussion stehende Künstlersozialversicherungsgesetz
in den Mittelpunkt zu rücken, wurde die Debatte von Karl-Josef
Laumann zu einem rentenpolitischen Schlagabtausch genutzt. Eine
vertane Chance für die Kulturpolitik der CDU/CSU. Ebenfalls
von der Rentendebatte in Mitleidenschaft gezogen wurde die Bundestagsdebatte
zur Auswärtigen Kulturpolitik am 11. Mai 2001. Statt um 9.00
Uhr wie geplant, begann sie gut zwei Stunden später, da zunächst
die Rentenreform verabschiedet wurde.
Die Reihen im Deutschen Bundestag lichteten sich nach dieser namentlich
Abstimmung deutlich und den Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitikern
wurde das Feld überlassen. Anlass für die Debatte war
der gemeinsame Antrag der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis
90/Die Grünen Auswärtige Kulturpolitik für
das 21. Jahrhundert. Die FDP-Fraktion hatte mit ihrem Antrag
Public Private Partnership in der Auswärtigen Kulturpolitik
nachgelegt.
Auf den Prüfstand
Wer nun meinte, in dieser Bundestagsdebatte etwas Neues zu erfahren,
wurde enttäuscht. Sichtlich als Pflichtprogramm erläuterte
Außenminister Fischer die Zielrichtung der Auswärtigen
Kulturpolitik der Bundesregierung. Auswärtige Kulturpolitik
soll der Krisenprävention dienen, sie ist Bestandteil der Menschenrechtspolitik
der Bundesregierung. Sonst war nicht viel zu erfahren. Dem Kulturaustausch
wurde keine eigenständige Bedeutung beigemessen.
Die ehemalige Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und
Medien des Deutschen Bundestags, Dr. Elke Leonhard, erinnerte an
die Enquete-Kommission zur Auswärtigen Kulturpolitik in den
70er-Jahren und forderte ein, nach mehr als 20 Jahren die Auswärtige
Kulturpolitik erneut auf den Prüfstand zu stellen.
An die große Übereinstimmung, die bei allen im Deutschen
Bundestag vertretenen Parteien zur Bedeutung der Auswärtigen
Kulturpolitik besteht, wurde vom kulturpolitischen Sprecher der
CDU/CSU-Fraktion, Dr. Norbert Lammert, erinnert. Er fragte aber
zugleich, warum die Bundesregierung bei der Ausrichtung ihrer Auswärtigen
Kulturpolitik auf Krisenprävention und Konfliktschlichtung
die Auslandsschulen teilweise vernachlässige. Als Beispiel
führte er die deutsche Schule in Seoul an. Gerade dort werde
laut Dr. Lammert mit besonderem Interesse nach Deutschland geschaut,
da der deutsche Einigungsprozess dort als Modell für eine mögliche
Einigung von Süd- und Nordkorea betrachtet werde.
Mehr als Lippenbekenntnisse
Still wurde es im Plenarsaal, als der ehemalige Vorsitzende der
CDU/CSU-Fraktion, Dr. Wolfgang Schäuble, sprach. Er legte dar,
dass Auswärtige Kulturpolitik mehr sein müsse als ein
Lippenbekenntnis. Auswärtige Kulturpolitik bekäme im europäischen
Einigungsprozess einen neuen Stellenwert. Die föderale Ordnung
der Bundesrepublik müsse sich, so Schäuble, in der Auswärtigen
Kulturpolitik wiederfinden.
Gerade die Länder und die Kommunen können im direkten
Austausch wichtige Funktionen übernehmen. Weiter erinnerte
Schäuble daran, dass die ehemals deutschen Gebiete in Mittel-
und Osteuropa in die Auswärtige Kulturpolitik einbezogen werden
sollten. Auf diesem Gebiet könne ein wichtiger Beitrag zur
Versöhnung geleistet werden.
Der kulturpolitische Sprecher der FPD-Fraktion, Hans-Joachim Otto,
forderte, dass private Initiativen in die Auswärtige Kulturpolitik
stärker einbezogen werden sollten. Eine Reform des Stiftungsrechts
böte seines Erachtens die Möglichkeit einer stärkeren
Einbeziehung privaten Kapitals in Initiativen der Auswärtigen
Kulturpolitik.
Am Schluss der Debatte blieb der schale Eindruck zurück, dass
es gut war, einmal über das Thema gesprochen zu haben, aber
Schlussfolgerungen wurden nicht gezogen. Schade bei einem so wichtigen
Thema.
Liberalisierung nicht auf Kosten der Kultur
Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände,
stellte am 28. Juni in Berlin seine Stellungnahme zu dem derzeit
stattfindenden Konsultationsprozess zu den GATS 2000-Verhandlungen
(internationale Verhandlungen über den Handel mit Dienstleistungen
im Rahmen der Welthandelsorganisation) der Öffentlichkeit vor.
Kernaussage der Stellungnahme ist, dass Kultur eine besondere
Ware ist. Der Handel mit Kulturdienstleistungen darf nicht mit dem
Handel normaler Dienstleistungen gleichgesetzt werden.
Voraussetzung für Investitionen in das kreative Potenzial ist
ein hohes Schutzniveau im Urheber- und Leistungsschutzrecht. In
Europa exis-tiert dies. Der Deutsche Kulturrat fordert, dass durch
die anstehenden GATS 2000-Verhandlungen dieser Schutzstandard nicht
zur Disposition gestellt wird. Der Geschäftsführer des
Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte bei der Vorstellung
der Stellungnahme: Kunst und Kultur sind Ausdruck der kulturellen
Identität von Menschen. In Europa dient die öffentliche
Förderung von Kunst und Kultur dazu, dass die Vielfalt der
Kunst, die nicht immer dem Massengeschmack entspricht und oftmals
keine ökonomischen Gewinne ermöglicht, für jedermann
zugänglich ist. Dieses Prinzip der Kulturförderung in
den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union darf durch die
GATS 2000-Verhandlungen nicht angetastet werden.