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nmz-archiv
nmz 2001/07-08 | Seite 53
50. Jahrgang | Juli/August
Dossier: Neue Wege für junge Ohren
Lage der Nation
Im Berufsleben habe ich mit Konzerten für Kinder nur am Rande
zu tun. Gleichwohl halte ich das Thema für so interessant und
wichtig, dass ich mich entschloss, den Kinderkonzert-Kongress in
Weikersheim zu besuchen. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Man
fuhr animiert und um einiges klüger wieder nach Hause. Für
mich persönlich bleiben nach diesem Kongress zwei große
Themenkreise, die ich mit innerer Wert und Einbettung
grob benennen könnte und die auf die Situation in Deutschland
bezogen werden sollten.
Der innere Wert soll etwas sagen über die Qualität
der einzelnen Konzertformen und Maßnahmen. Die vorgestellten
Beispiele machten eines deutlich: In Ländern wie England, Schottland
oder Norwegen ist man uns konzeptionell deutlich voraus. Wer die
Vorträge von Kjell Thoreby (Rikskonsertene Oslo) über
das flächendeckende Kinderkonzertsystem in Norwegen, von Richard
McNicol über die Arbeit des London Symphony Orchestras und
vor allem von Paul Rissmann und Ursula Heidecker über die Kinderkonzert-Konzepte
des Royal Scottish National Orchestras gehört hat und diese
Konzepte mit den von deutschen Anbietern vorgetragenen vergleicht,
der kann in Anlage und konzeptioneller Dichte deutliche Qualitätsunterschiede
zugunsten der ausländischen Modelle feststellen.
Doch damit kommen wir zu der zweiten wichtigen Komponente, nämlich
der Frage, in welche musikpädagogische Gesamtsituation diese
fortschrittlichen und wegweisenden Konzepte eingebettet sind. Das
heißt: Treffen die Konzerte in Schottland auf Kinder, die
ganzjährig regelmäßig schulischen Musikunterricht
haben, so sind die Konzerte eine fantastische Ergänzung zum
schulischen Angebot. Sind sie hingegen die einzige musikpädagogische
Maßnahme im Schuljahr, so wäre das einfach zu wenig.
Dasselbe gilt für das großartige Schulkonzertsystem in
Norwegen: Als Sahnehäubchen auf einem soliden Musikunterrichts-Fundament
ist es eine tolle Sache, sind jedoch die Konzerte von vier Rappern
und eines gemischten Chores die einzigen musikpädagogischen
Angebote im Schuljahr, so wäre dies ein armseliger Zustand.
Desiderat ist also eine gesamteuropäische Situationsbeschreibung,
die dann in Deutschland zu einem musikpädagogischen Bericht
zur Lage der Nation führen sollte. Dass gleichzeitig
an innovativen Konzert-Konzepten für Kinder gearbeitet werden
muss, ist klar. Der Weikersheimer Kongress, vom Organisationsteam
im Übrigen vorzüglich vorbereitet, war hier deutliches
Signal man konnte die Aufbruchstimmung gewissermaßen
mit Händen fassen.