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nmz-archiv
nmz 2001/07-08 | Seite 29
50. Jahrgang | Juli/August
Jeunesses Musicales Deutschland
Die Entdeckung des Dabei-Seins
Der Jugendorchester-Preis der JMD ist erfolgreich zu Ende gegangen
Es war toll, aber wir müssen das nicht sofort wieder
machen! Dies und Ähnliches hörten die Jury-Mitglieder
des Jugendorchesterpreises mehrfach in den Gesprächen, die
sie mit den teilnehmenden Orchestern unmittelbar nach ihren Wertungs-Konzerten
führten. Wochen- und monatelang hatten sich diese Jugendlichen
damit beschäftigt, ihr Orchester-Konzert eigenständig
und gemeinschaftlich vorzubereiten. Hauptkriterium für die
Juroren war die Mitwirkung möglichst vieler jugendlicher Orchestermitglieder
an der Planung und Durchführung ihres Konzertes. Weiteres Kriterium:
ein Benefiz-Konzert sollte es sein. Mit-Veranstalter UNICEF hatte
verschiedene Förder-Projekte vorgeschlagen, die Orchester durften
aber auch andere Projekte ihrer Wahl zum Gegenstand ihres Benefiz-Konzertes
machen.
Konzertplakat: Alles
Zauberei beim JSO Hannover, dem zweiten Preisträger.
Die Ergebnisse waren wie schon beim ersten Jugendorchester-Wettbewerb
der JMD faszinierend: für die Juroren, aber auch für
die Jugendlichen selbst, die ganz neue Qualitäten an sich entdeckten,
die plötzlich stundenlang über einer Plakat-Gestaltung
saßen oder über einem Pressetext, die mit aller Kraft
versuchten, zu den Ansprechpartnern in Tageszeitungen und Rundfunksendern
vorzudringen, die sich um Säle kümmerten, Podeste beschafften
und vor allem: höchst kreativ ihre Konzert-Ideen entwickelten.
So mancher Dirigent beklagte, dass die organisatorischen Vorbereitungen
der musikalischen Proben-Arbeit den Rang abgelaufen habe. Aber am
Schluss waren dann auch die Chefs begeistert von ihren
Mitgliedern. Nicht selten hatten diese den musikalischen Leitern
eine Menge Arbeit abgenommen.
Mitmachen heißt gewinnen so lautete das
Motto, das die JMD ihrem Jugendorchesterpreis vorangestellt hatte.
In einer Zeit der Spezialisierung und Arbeitsteilung, in einer Gesellschaft,
die das Vertrauen in Gemeinschaften und solidarische Unterstützung
zu verlieren scheint, war das Ziel der Preis-Ausschreibung eher
unzeitgemäß. Dass Jugendliche, wenn sie entsprechende
Impulse erhalten, durchaus fähig und bereit sind, sich über
ein auf den persönlichen Vorteil bezogenes Egoismusdenken hinaus
für eine gemeinsame Sache zu engagieren, haben die Konzert-Besuche,
die Gespräche mit den Orchester-Teilnehmern und die zur Verfügung
gestellten Dokumentationen mehr als deutlich gezeigt. Das schönste
Ergebnis waren aber sicherlich die fröhlichen und stolzen Mienen
der Beteiligten, wenn sie nach den Konzerten noch fassungslos und
begeistert auf die vergangenen Wochen zurückblickten: fassungslos
darüber, dass am Ende trotz Krisen und unvorhergesehener Schwierigkeiten,
trotz der Erkenntnis, dass man den Zeit- und Arbeitsaufwand vielleicht
falsch eingeschätzt hatte, doch alles so gut geklappt hatte.
Begeistert, weil sie gemerkt hatten, wieviel Spaß ein solches
Engagement machen kann.
Nur wenige Beispiele können an dieser Stelle den Ideenreichtum
der jugendlichen Teilnehmer belegen. Das Münchner Jugendorchester,
das sich über den ersten Preis freuen durfte, hatte sein Konzert
ganz auf die Bewohner mehrerer Münchner Kinderheime abgestellt,
denen auch die Einnahmen zugute kamen. Schon im Vorfeld hatten die
jungen Musiker die Kindern mit Mussorgskys Bildern einer Ausstellung
bekannt gemacht und sie dazu Bilder malen lassen. Die Bilder wurden
beim Konzert ausgestellt und natürlich für den
guten Zweck an die Zuhörer verkauft. Und das Beste:
die jungen Künstler saßen selbst im Publikum, konnten
die Musik nun live erleben und durften zudem in der Konzertpause
die Orchesterinstrumente selbst ausprobieren. Hier hatte eine vorbildliche
Einbindung des Förderprojektes in das Konzertgeschehen stattgefunden.
Das Jugendsinfonieorchester Hannover verzauberte sein Publikum
regelrecht: Alles Zauberei lautete der Titel des Kinderkonzertes,
das sich die Jugendlichen in kompletter Eigenregie ausgedacht hatten.
Maestro Dini, der Zauberer-Moderator, lockte die Kinder in seinen
Bann. Im Orchester waren Stühle frei geblieben, die Kinder
aus dem Publikum besetzen und das Konzert auf diese Weise aus der
Musiker-Perspektive erleben durften.
Mit einer Besonderen Erwähnung wurden das Kolping-Jugendblasorchester
Neckarsulm und das JSO der Städtischen Musikschule Lahr gewürdigt,
die eine langfristige Zusammenarbeit mit behinderten Kindern und
Jugendlichen eingegangen sind. Mit Engagement und Eigeninitiative
hatten sich die Jugendlichen Projekten in ihrer nahen Umgebung gewidmet
und die Behinderten unmittelbar in das Konzertgeschehen eingebunden.
Beispielhafte Ideen ergab das Projekt Jugendorchester-Preis
in großer Zahl: Grund genug für die JMD, auch diesmal
eine Dokumentation in Angriff zu nehmen, die das Potenzial der Jugendorchester
ausführlich darstellen wird.
Insgesamt 193 Jugendorchester hatten sich für den Preis interessiert,
43 Orchester bewarben sich, 21 wurden für die letzte Runde
ausgewählt: ein beachtliches Ergebnis und Zeichen dafür,
dass die Idee des Engagements für eine gemeinsame Sache auch
in heutigen Zeiten eine Chance hat.