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nmz-archiv
nmz 2001/07-08 | Seite 52
50. Jahrgang | Juli/August
Kulturpolitik
In der Hauptstadt herrscht Streit zwischen Kultur und Politik
Der Berlin-Ticker der neuen musikzeitung: die aktuellen kulturpolitischen
Nachrichten im Überblick
Gebannt schauen die Bundesbürger derzeit nach Berlin. Finanzkrisen,
Machtwechsel, neue Köpfe, neue Bundeskulturstiftung... Wie
soll man da den Überblick behalten? Die wichtigs-ten Ereignisse
hat die nmz-Redaktion in einem Berlin-Kulturnachrichtenti- cker
zusammengefasst.
Neue Kultursenatorin
Nach vierzehn Monaten im Amt musste wegen des Machtwechsels in Berlin
Kultursenator Christoph Stölzl seinen Posten verlassen. Nachfolgerin
ist die 45-jährige Adrienne Goehler. Die Parteilose wurde von
den Grünen nominiert und war bisher Präsidentin der Hochschule
für Bildende Künste in Hamburg.
100 Millionen für Berlin
Die Unterzeichnung des Hauptstadt-Kulturvertrages gehörte
zu den letzten Amthandlungen von Kultursenator Christoph Stölzl
(CDU). Er und Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin unterzeichneten
das Dokument am 13. Juni. Der Vertrag sieht vor, dass bei einer
Laufzeit von mindestens vier Jahren der Bund jährlich 100 Millionen
Mark für kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen Berlins
zahlt. Davon sind 80 Millionen Mark zur Förderung von Einrichtungen
von nationaler Bedeutung vorgesehen, die restlichen 20 Millionen
Mark ohne konkrete Bestimmung für den Hauptstadt-Kulturfonds.
SPD gründet Kulturforum
Die SPD hat im Juni ein Kulturforum Berlin gegründet. Winfried
Sühlo, Staatssekretär a. D. in der Senatsverwaltung für
Kulturelle Angelegenheiten, ist Vorsitzender des Forums, das sich
produktiv in den Streit um Kultur und Politik in Berlin einmischen
soll.
Pleite abgewendet
Der Konkurs des Berliner Theater des Westens ist vorerst abgewendet.
Die Bühne bleibe mit den für dieses Jahr verfügbaren
Finanzmitteln zahlungsfähig, erklärten Kultursenatorin
Adrienne Goehler (parteilos) und Intendant Elmar Ottenthal.
Umstrukturierung
Die Rundfunk-Orchester und -Chöre GmbH (R.O.C.) will neuer
Träger des Berliner Konzerthauses am Gendarmenmarkt werden.
Es sei laut Gesellschafterversammlung außerdem vorgesehen,
das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) mit dem Berliner Sinfonie-Orchester
(BSO), dem Hausorchester des Konzerthauses, zu einem Klangkörper
zu verschmelzen. Dagegen solle das Deutsche Symphonie-Orchester
(DSO) unter seinem Chefdirigenten Kent Nagano auch weiterhin vorwiegend
in der Philharmonie auftreten. Umsetzen soll diese Maßnahme
Bettina Pesch, die neue Intendantin der R.O.C. GmbH. Sie war bisher
Verwaltungsdirektorin der Oper Leipzig und löst am 1. Juli
Dieter Rexroth ab. Er soll künftig die Dramaturgie des Hauses
übernehmen.
R.O.C. GmbH ohne Bund?
Monika Griefahn (SPD), die Vorsitzende des Ausschusses für
Kultur und Medien des Bundestages, geht davon aus, dass Berlin die
von Nida-Rümelin geforderten Kompensationsprojekte benennen
muss. Sie könne sich aber vorstellen, dass der Bund beispielsweise
aus der Rundfunk-Orchester und -Chöre GmbH (R.O.C.) aussteige.
RIAS-Big Band
Der Streit um die Zukunft der RIAS Big Band hat sich zugespitzt.
Wie der Förderverein des Jazz-Orchesters mitteilt, werde es
im Wirtschaftsplan 2001 der Rundfunk-Orchester und
-Chöre GmbH (R.O.C) ab September nicht mehr aufgeführt.
Petrenko an Komische
Kirill Petrenko wird Generalmusikdirektor (GMD) der Komischen Oper
Berlin. Er tritt in der Spielzeit 2002/03 Yakov Kreizbergs Nachfolge
an.
Zwangsarbeiter
Udo Zimmermann, Intendant der Deutschen Oper Berlin, hat an die
deutschen Theater appelliert, ebenfalls Verantwortung für die
früheren Zwangsarbeiter zu übernehmen. Er geht davon aus,
dass während des Zweiten Weltkrieges viele Bühnen ihren
Spielbetrieb mit Zwangsarbeitern aufrechterhalten haben. So sei
das Deutsche Opernhaus in Berlin unmittelbar dem Reichspropaganda-Ministerium
unterstellt gewesen.
Bundeskulturstiftung
Im Jahr 2002 soll die Bundeskulturstiftung ihre Arbeit aufnehmen.
Grundanliegen wird es sein, die zeitgenössische Kunst im internationalen
Kontext zu fördern. Mehr darüber auf den Seiten 8 und
9.
Bestandsgarantie
Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD),
hat ein deutliches Bekenntnis zur bestehenden Opernlandschaft in
der Hauptstadt abgelegt. Auch eine Vertragsverlängerung für
Daniel Barenboim als künstlerischem Leiter der Staatsoper Unter
den Linden über 2002 hinaus will Wowereit realisieren.
Stiftung beschlossen
Das Berliner Abgeordnetenhaus hat am 28. Juni dem Gesetz über
eine Stiftung Berliner Philharmoniker mit nur einer
Stimmenthaltung zugestimmt. Die Stiftung, die den Philharmonikern
eine weit gehende künstlerische und wirtschaftliche Eigenverantwortung
einräumt, war eine der Vorbedingungen von Sir Simon Rattle
für seinen Amtsantritt in Berlin. Der Intendant der Berliner
Philharmoniker, Franz Xaver Ohnesorg, äußerte sich jedoch
zurückhaltend. Zum Jubeln sei es noch zu früh, denn der
Zuwendungsvertrag läge noch nicht auf dem Tisch. Dieser regelt
die Finanzierung der Stiftung. Er soll Anfang Juli im Hauptausschuss
des Parlaments beraten werden. Das Orchester soll künftig 27,3
Millionen Mark jährlich erhalten.
Berlin-Engagement
Mehr Hilfe durch den Bund hat der SPD-Bundestagsfraktionschef Peter
Struck der Stadt Berlin in Aussicht gestellt. Nach Strucks Ansicht
könne Berlin besondere Hilfe verlangen. Für den Haushalt
2002 sieht Struck aber noch keinen Entscheidungsbedarf.