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nmz-archiv
nmz 2001/07-08 | Seite 12
50. Jahrgang | Juli/August
Kulturpolitik
In den Jazzclub statt auf die Couch
Interview mit der neu gewählten 1. Beisitzerin der Deutschen
Jazz-Föderation, Yvonne Moissl
Wie die neue musikzeitung in der vorletzten Ausgabe kurz berichtete,
hat die Deutsche Jazz-Föderation (DJF), die Interessenvertretung
der deutschen Jazzclubs und -initiativen, einen neuen Vorstand gewählt.
Zu den Vorstellungen, Zielen und Anliegen der neuen Macher mit Ihno
von Hasselt (JazzFest Berlin) an der Spitze und dem 2. Beisitzer
Waldo Riedl, sprach Ursula Gaisa mit der 1. Beisitzerin Yvonne Moissl,
die mit großem Erfolg das Weinkulinarische Jazzfestival
Palatiajazz in der Pfalz managt.
Yvonne Moissl. Foto: S.Y.M.
neue musikzeitung: Welche Punkte liegen Ihnen in der Arbeit
als Interessenvertretung der Jazzveranstalter am meisten am Herzen?
Yvonne Moissl: Zu meinem Aufgabenbereich zählt die
Kommunikation. Und Waldo Riedl betreut die Mitglieder, leitet
die Verwaltung und richtet derzeit die Geschäftsstelle in
Dortmund ein. Unser Präsident wird sich für Kulturpolitik
und andere medienpolitische Jazzkontakte der Szene einsetzen,
da er hierfür wohl die besten Verbindungen von uns allen
hat. So sind die Aufgaben recht sinnvoll verteilt. Von den Mitgliedern
am meisten gewünscht ist die weitere Verbesserung des Informations-
und Bildungswesens für die Vereinsmitglieder aus Sicht des
Veranstalters. Daher werden wir auch hier einige Schwerpunkte
bilden und uns auch noch Partner suchen, die uns unterstützen
können.
nmz: Was möchten Sie fortführen, was verbessern?
Moissl: Der Vorstand wird das bisherige Konzept der Deutschen
Jazz-Föderation auf Wunsch der Mitglieder weiterführen
und aktiv ausbauen es wird eine Veränderung für
die interne und externe Kommunikation geben (auch beim Internetauftritt)
die verschiedenen Beratungs- und Service-Dienstleistungen
werden mehr ausgebaut und wir werden auch das Projekt Deutsche
Jazzwoche weiterführen. Wir suchen auch zur Ergänzung
der Aufgabengebiete des Vorstandes noch einen sachkundigen Experten
für die Jazz-Szene in den neuen Bundesländern. Gerne
würden wir diesen Bereich betreuter sehen, um die Mitgliedschaften
besser ausbauen zu können. Natürlich bleiben
wir auch bei der Forumsarbeit zur Reform der Ausländersteuer
nach Paragraph 50a im Kielwasser der großen Verbände
und des Deutschen Musikrates.
nmz: Gibt es neue Pläne?
Moissl: Bei der letzten Mitgliederversammlung wurde auch
ganz besonders von den Mitgliedern der Wunsch geäußert,
mehr für die Jugend-Jazzkultur zu tun. Es gab einige Vorschläge
der Mitglieder, an denen nun gearbeitet wird. Mehr dazu, wenn
konkrete Mitteilungen zu machen sind.
nmz: Geht es den deutschen Jazzveranstaltern gut?
Moissl: Ich denke, da gibt es unterschiedliche Fälle
und man kann das Thema nicht allgemein beurteilen. Sicherlich
gibt es Clubs und Festivals, die gut laufen, und andere, die schlecht
laufen, dies ist übrigens in allen Marktebenen so.
Es gibt jedoch vielerorts die Beobachtung, dass die Besucherzahlen
bei Jazzveranstaltungen zurückgehen...
nmz: Was könnten die Veranstalter besser machen, um
mehr Publikum zu bekommen?
Moissl: Es liegt nicht immer am attraktiven Programm
eines Clubs, um gut besucht zu sein sondern an der Vielseitigkeit
der Attraktionen, verbunden mit weiteren Wohlfühl-Effekten.
Die heutige Event-Welt mit vielen Freizeitangeboten bietet meist
viel mehr, als der Jazzclub oder das Jazzkonzert für sich
allein betrachtet. Da haben wir noch einiges nachzuholen oder
zu verbessern. Das Publikum der Jazzliebhaber ist auch älter
geworden, wir (!) sind älter geworden und bequemer.
Wenn ich nur mich betrachte: Um mein schönes Heim, meine
geliebte Jazzscheibensammlung für ein gutes Konzert zu verlassen,
muss es schon ein toller Künstler sein. Wenn es der aber
nicht immer ist, weil sich die Clubs das eben auch nicht immer
leis-ten können, dann müssen noch weitere Angebote den
Aufenthalt im Club als schönen Abend in Aussicht stellen.
Dann würden sicher auch mehr Couchpotatoes wieder in die
Clubs gehen oder mehr junge Fans erscheinen , die
etwa bei anderen Veranstaltungen mit unglaublichen Lifestyle-
und Highlife-Programmen umgarnt werden. Man muss hierbei auch
nicht alles nachahmen aber Verbesserungen bisheriger Konzepte
sind bei Besucherrückgang sicher angebracht. Aufgabe der
Veranstalter ist es, mehr zu kommunizieren, mehr Begeisterung
zu vermitteln, mehr Zusatzeffekte zu bieten, wie etwa gute Clubatmosphäre,
gepflegtes Ambiente, gutes Gastroangebot, sich mehr öffnen,
kommunizieren, witzige und preisinteressante Angebote für
die Besucher schaffen und damit mehr Öffentlichkeit ansprechen.
nmz: Hat der Jazz für Sie eine Zukunft in Deutschland?
Moissl: Alles hat eine Zukunft, wenn man es intensiv
betreibt und daran glaubt. Fans entstehen immer dort wo überzeugend
gearbeitet wird. Trotzdem müssen wir an vielen Strippen ziehen,
damit das Ganze in Bewegung kommt dazu gehören auch
viele überzeugte Mitmacher nämlich Mitglieder
ohne diese geht die Kulturgesellschaft verloren und jedem
gebührt hier größter Dank, der seine Freizeit
für einen Verein ehrenamtlich andient...
nmz: Haben Sie eine Vision, ein Wunschbild, wie die Szene
eines Tages gestaltet sein könnte?
Moissl: Doch einen Wunsch hätte ich schon
es wäre schön, wenn sich die öffentlichen Medien,
das heißt Radio, Fernsehen auch mehr für Jazz öffnen
würden. Schade, dass für oberflächliche Sendungen
nehmen wir mal die ganzen soaps oder daily shows soviel
Geld ausgegeben wird. Warum gibt es nicht einen Sender,
der sich mit ansprechenden Spartenthemen auseinander setzt...
nmz: Was könnte auch staatlicherseits
getan werden, um dem Jazz und den Verbänden eine größere
Rolle innerhalb des Kulturlebens in Deutschland zu verschaffen?
Moissl: Hier würde jeder sofort die Hand hochhalten
und nach mehr Förderung rufen. Doch mehr Geld
für Jazzkonzerte und Festivals, das ist das eine
das wirklich Entscheidende ist, das schon in den Schulen die Musiklehrer
fehlen zu wenig Musikpädagogen in Deutschland
zu wenig Talentförderung. So kann der Jazz an der Basis nicht
wachsen und erfährt keinen Nachwuchs. Schon hier kann der
Staat etwas tun und den Musikunterricht an Schulen fördern.
So könnte auch in Landeskulturstiftungen eigens für
Talentförderung und Auftritte von deutschen Bands ein Fördertopf
eingerichtet werden der nach verschiedenen Kriterien vergeben
wird. Ideen gäb es da noch viele mehr, doch meist ist gerade
für die Kultur am wenigsten zu verteilen. Was mich auch immer
stört, ist, dass unsere wirklich sehr guten deutschen Musiker
kaum oder gar keine Chance haben, im Ausland bekannt zu werden.
In Amerika kann man nicht ohne Arbeitsgenehmigung als Musiker
auftreten, sonstige Auslandsaufenthalte funktionieren nur über
Kulturaustausch oder über schwierige Eigeninitiative. Wie
sollen die deutschen Musiker an die internationale Spitze kommen,
wenn sie im Konkurrenzkampf der internationalen Stars nicht arbeitspolitisch
mithalten können? Ich finde, das neue Europa hat hier auch
eine Aufgabenstellung ebenso wie Amerika zu Europa. Dies
könnte der Staat unterstützen etwa durch mehr
Projektförderung im internationalen Kulturaustausch.