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nmz-archiv
nmz 2001/07-08 | Seite 9
50. Jahrgang | Juli/August
Kulturpolitik
Manche Träume brauchen etwas länger....
Sinnvolle Ergänzung bestehender Förderstrukturen oder
Was bringt die Nationalstiftung für Kunst und Kultur?
Als Bundeskanzler Willy Brandt in seiner Regierungserklärung
im Jahr 1973 von der Gründung einer Nationalstiftung für
Kultur sprach, hätte er wohl nicht geglaubt, dass die Verwirklichung
fast 30 Jahre dauern würde. Und als der Widerstand der Länder
sich deutlich artikulierte und mit der Kulturstiftung der Länder
endlich im Jahr 1987 ein Kompromiss gefunden war, hätte niemand
gedacht, dass 15 Jahre später tatsächlich eine Nationalstiftung
der Bundesrepublik Deutschland für Kunst und Kultur errichtet
werden sollte. Und als im Bundestagswahlkampf 1998 der Ruf nach
der Bündelung der kulturpolitischen Kompetenzen des Bundes
lauter und ein Beauftragter für Kultur gefordert wurde, hätte
niemand zu hoffen gewagt, dass noch nicht einmal fünf Jahre
später ein Konzept für die Nationalstiftung für Kunst
und Kultur vorliegt und erste Gespräche mit den Ländern
geführt würden.
Es kommt also Bewegung in die Kulturpolitik und die Förderung
von Kunst und Kultur. Dieses ist ein wichtiger Schritt und nur zu
begrüßen. Zu begrüßen ist ebenfalls das Konzept,
das Staatsminister Nida-Rümelin zur künftigen Struktur
und zur Aufgabe der zu gründenden Nationalstiftung der Bundesrepublik
Deutschland für Kunst und Kultur vorgelegt hat. Es berücksichtigt
die beiden Säulen der von ihm formulierten Kulturförderpolitik:
die Pflege des Repertoires und die Förderung der Innovation.
Die Pflege des Repertoires wird der Kulturstiftung der Länder
zugewiesen. Die Kulturstiftung der Länder erhält hierfür
bereits heute jährlich 16 Millionen Mark vom Bund und noch
einmal dieselbe Summe von den Ländern. Die Stärke der
Kulturstiftung der Länder liegt in der Förderung und Bewahrung
von Kunst und Kultur nationalen Ranges. Auf diesem Gebiet hat sie
in den vergangenen 15 Jahren Beachtliches geleistet und große
Kompetenzen ausgebildet. Die Kulturstiftung der Länder ist
ein wichtiger und anerkannter Ansprechpartner, wenn es um den Erwerb
von national bedeutsamen Kulturgütern aus den Bereichen Malerei,
Grafik, Skulptur, Fotografie, Musik, Literatur und Kunstgewerbe
geht. Verschiedene wertvolle Autografen konnten dank der Unterstützung
der Kulturstiftung der Länder vor der Abwanderung in das Ausland
bewahrt werden. Ginge es nach Julian Nida-Rümelin und stimmten
die Länder seinem Angebot der Nationalstiftung der Bundesrepublik
Deutschland für Kunst und Kultur zu, würde die Kulturstiftung
der Länder künftig eine der beiden Säulen der genannten
Stiftung sein. Sie könnte noch angereichert werden durch die
Mittel für den Denkmalschutz, die derzeit von der Behörde
des Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der
Kultur und der Medien verwaltet werden.
Die zweite Säule dieser Stiftung soll der Förderung der
künstlerischen Innovation und der internationalen Kooperation
dienen. Hier soll die zeitgenössische Kunst aller Sparten gefördert
werden. Hier sollen Mittel für kulturelle Kooperation und den
kulturellen Austausch bereitgestellt werden. Hier können Projekte
zur Überbrückung kultureller Grenzen Förderung erhalten.
Wesentlich ist dabei, dass die bestehenden Förderprogramme,
die bislang ihre Mittel über die Kulturstiftung der Länder
erhalten, nicht angetastet werden sollen. Die Stiftung Kunstfonds,
der Deutsche Literaturfonds, der Fonds Darstellende Künste,
der Fonds Soziokultur und auch die Förderprogramme, die beim
Deutschen Musikrat angesiedelt sind, brauchen sich um ihr Fortbestehen
nicht zu sorgen. Anlässlich eines Gespräches, das der
Deutsche Kulturrat kürzlich mit Staatsminister Nida-Rümelin
führte, stellte Julian Nida-Rümelin sogar in Aussicht,
dass geplant ist, die Mittel für diese Förderprogramme
zu erhöhen.
Goldene Zeiten also für die zeitgenössische Kunst? Eigentlich
schon, doch scheint es keiner zu merken.
Erstaunlich wenig haben sich bislang die Organisationen der Künstler
zur geplanten Gründung der Nationalstiftung der Bundesrepublik
Deutschland für Kunst und Kultur geäußert. Auch
die Künstlerinnen und Künstler scheinen die immerhin 25
Millionen Mark an zusätzlichen Kulturfördermitteln hartnäckig
zu ignorieren. Ist es die Sorge, sich zu früh zu freuen, dass
dann doch nichts daraus wird? Oder ist es die Angst vor dem Missfallen
der Länder. Obwohl gerade die jede Mark vom Bund gerne annehmen
und dennoch ihre Kulturhoheit stets wie eine Monstranz vor sich
hertragen. Bei so viel Schweigen auf Seiten der Künstler könnte
man fast schon meinen, die neue Stiftung sei allein für die
Kulturpolitiker. Dabei wird ihr Einfluss auf die Vergabe der Mittel
denkbar gering sein. Diese wichtige Aufgabe soll von Fachleuten
aus den verschiedenen künstlerischen Sparten wahrgenommen werden.
Auch im Musikleben hält man sich zur geplanten Stiftung merkwürdig
bedeckt. Dabei könnte gerade die Musik von der neuen Stiftung
profitieren. Staatsminister Nida-Rümelin erwähnt stets,
dass die zeitgenössische Musik im Vergleich zum überlieferten
Repertoire zu wenig aufgeführt wird. Hier werden künftig
Mittel bereitstehen, um dies zu ändern. Doch nicht nur ausübende
Künstlerinnen und Künstler werden davon profitieren, auch
Komponistinnen und Komponis-ten werden Mittel beantragen können.
Musik als internationale Kunst, die anders als die Literatur keine
Sprachbarrieren überwinden muss, ist besonders prädestiniert,
dass Projekte umgesetzt werden können, da der internationale
Austausch im Förderprofil der Stiftung eine besondere Rolle
spielen soll.
Die neue Stiftung soll ausschließlich Projekte fördern.
Die institutionelle Förderung wird ebenso ausgeschlossen wie
die Doppelförderung. Mit dem Ausschluss einer institutionellen
Förderung wird auch deutlich, dass die Nationalstiftung die
bestehenden Förderstrukturen nicht ersetzen sondern ergänzen
will. Dieses Argument sollte eigentlich auch von den Ländern
erhört werden.Wollen die Länder dennoch nicht mitmachen,
wird zunächst die zweite Säule der Nationalstiftung der
Bundesrepublik Deutschland für Kunst und Kultur umgesetzt.
Das heißt die Förderung der zeitgenössischen Kunst
aller Sparten mit 25 Millionen Mark an zusätzlichen Bundesmitteln.
Die Kulturstiftung der Länder bleibt unberührt und damit
auch die vorhandenen Förderprogramme des Deutschen Musikrates
sowie die Fonds (Stiftung Kunstfonds, Deutscher Literaturfonds,
Fonds Darstellende Künste und Fonds Soziokultur) beim Durchlauferhitzer
Kulturstiftung der Länder.
Es bleibt Julian Nida-Rümelin und vor allem den Künstlerinnen
und Künstlern jedoch zu wünschen, dass direkt die große
Lösung angegangen wird und der Bund mit einem ansehnlichen
Förderprogramm zur Bewahrung des Repertoires und der Förderung
der Innovation nach vorne treten kann. Wenn sich dann, angestachelt
durch den Bund, auch noch die Länder nicht lumpen lassen wollen
und ebenfalls weitere Mittel für die Förderung der zeitgenössischen
Künste aller Sparten bereitstellen wollen, sollten die Klagelieder
über zu wenig Mittel vielleicht bald in Lobshymnen umgeschrieben
werden. Bis dahin ist es zwar noch weit, doch Träume werden
manchmal wahr.