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nmz-archiv
nmz 2001/07-08 | Seite 1
50. Jahrgang | Juli/August
Leitartikel
Wolkig, Nebel
Fahren Sie in Urlaub? Sie sind schon unterwegs? Da interessiert
Sie bestimmt das Thema Nummer eins: Früher war es ja offiziell
das Wetter, inoffiziell der Sex. Diese Reihenfolge änderte
sich unter dem Fähnlein Talk- show-gesteuerter Aufrichtigkeit.
Um ebenso konsequent wie rasch getoppt zu werden durch den Zentralfetisch
unserer freiheitlich-amerikanischen Gesellschaftsordnung: Dax und
Nemax, Cashcow und Cashflow sind an die Spitze der Hitparade verbal
getauschter Lebenssubstanz gestürmt. Geld wärmt besser
als Sonne (Lettisches Sprichwort). Ob das so gut ist?
Mit dem Dröhnen eines auf Blechdächer trommelnden Hagelschlages
erreichen uns indessen Horrormeldungen aus den Finanzabteilungen
des deutschen Musiklebens. Dagegen nehmen sich Jerichos Trompeten
aus wie ein Blockflötenduo: Vier Millionen Mark löhnen
die Stadt Bamberg und das Land Bayern aus heiterem Himmel, um dem
neuen Intendanten Paul Müller eine halbwegs ausgeglichene Startplattform
für das Fortleben der Symphoniker gewähren zu können.
Ähnlich tief soll ein Loch sein, das der bisherige Musterknabe
unter den bundesrepublikanischen Musik-Managern, Franz Xaver Ohnesorg
vor seinem Ausflug nach Amerika in Köln gebuddelt hat. Noch
steht es offen. Für einen gnadenvollen Goldregen aus dem Portefeuille
des Wirtschaftsministers?
Über die klimatischen Bedingungen der Kultur in Berlin mag
man schon gar nicht mehr schreiben: Selten ist die Haut der Musen
zwischen den Fängen profilierungsbedürftiger Bundes- und
Landespolitiker so gezerrt und geschunden worden wie in unserer
Bundeshauptstadt. Wenn jetzt der Interims-Regierende gönnerhaft
trügerische Sicherheit verspricht, dann ist das schlecht so.
Zumal die Peanuts unter den Kulturinstitutionen von solchen Versprechungen
keine rettende Berieselung erwarten können. Unter dem Schlagwort
Strukturverbesserung fusioniert Berlin seine Musikschulen
die Schließung von Zweigstellen so hat es die
Erfahrung mit Bibliotheken gelehrt ist später nicht
mehr so spektakulär. Da stimmt es uns doch fröhlich, dass
Plöns Musikschule doch nicht geschlossen, sondern nur im Etat
um ein Viertel beschnitten wird, und wir singen den Choral: Danke,
für diese zarte Streichung, danke, für diesen milden Guss...
Heiter bis wolkig auch unsere letzte Wettermeldung: Der Bundesrechnungshof
prüft den Deutschen Musikrat. So ein paar Ungereimtheiten aus
der Ära Kohl werden da schon zutage treten kürzlich
stand die Sommerarbeitsphase des Bundesjugendorchesters auf der
Kippe. Letztlich aber hoffen wir doch, dass endlich die zwei oder
drei Milliönchen auftauchen, die als Anschubfinanzierung für
die Hauptsache: Musik so bitter nötig sind. In
diesem Sinne: einen sonnigen, erholsamen Urlaub.