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nmz-archiv
nmz 2001/09 | Seite 10
50. Jahrgang | September
Medien
Neue Musik zum alten Film
Die Leuchte Asiens auf Arte
Einmal pro Jahr präsentieren Arte und ZDF eindrückliche Dokumente der Stummfilm-Ära in technisch
aufgearbeiteter Form. So feiert im September 2001 der deutsch-indische Stummfilm Die Leuchte Asiens
aus dem Jahre 1925 sein Come-back, durch aufwendige Viragierung (Einfärbung) restauriert und von dem Münchner
Komponisten Pierre Oser mit einer neuen Musik versehen. Das Filmepos erzählt die Geschichte des Königssohns
Gautama, der seinen Thron für ein Leben der Entsagung aufgab, allbekannt als Stifter des Buddhismus. Aus
dem Werk des deutschen Regisseurs Franz Osten atmet Pioniergeist der ersten Stunde, galt doch sein Unternehmen,
ausschließlich mit indischen Schauspielern an Originalschauplätzen in Bombay zu drehen, in den 20er-Jahren
durchaus als Wagnis. Das Staunen des damaligen Publikums angesichts der exotischen Aufnahmen überträgt
sich noch heute: Every winter large numbers of European tourists are attracted to romantic India
the land of many wonders and many contrasts, leitet der Zwischentext ein. Genau jene Perspektive möchte
der Komponist Pierre Oser nun auch musikalisch hörbar machen und zwar durch bewusste Verwendung
europäischer Klänge, Instrumente und Klangbegriffe. Ihm geht es darum, dieser exotischen
Welt mit unseren Mitteln, aus unserer Sicht nachzuspüren, ohne folkloristisch zu verfremden. Tatsächlich
treten die Bilder des Films wie vor einem kontrastreichen Hintergrund konturenscharf hervor, werden atmosphärisch
umrahmt, ohne in ihrem fremdartigen Reiz überdeckt zu werden. Dennoch (oder eben deshalb?) finden Musik
und Film eine eigentümliche Verständigung, die wohl auch dadurch gelingt, dass auch die Musik von
epischer Weite ist transparent tonal, impressionistisch offen und motivisch fein nuanciert.
Der Klangstrom legt sich geradezu wie ein Fluidum zwischen die grobkörnigen Bilder und Textseiten
des Stummfilms, ja lässt sich biegsam vom Geschehen formen. So begleitet die Musik die lebendigen Basarszenen
mit rhythmisch-komödiantischen Elementen, erhält zu den prächtigen Palastaufnahmen ein monumentalem
Gepräge und zeigt sich schließlich bei der Erleuchtung Buddhas, an einen Choral erinnernd, selbst
in gereinigter Form. Dieser musikalisch restaurierte Stummfilm bringt gewiss mehr zur Sprache als
viele seiner redegewandten Brüder im besten Sinne völkersverständigend.