[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2002/03 | Seite 31
51. Jahrgang | März
Deutscher
Tonkünstler Verband
Früchte des kulturellen Austausches
Der Blick über den Zaun: Deutsche Festspiele in Indien
Der deutsch-indische Kulturaustausch hat eigentlich eine 500-jährige Tradition. Erneuert wurde diese
Tradition im Jahr 1988 anlässlich eines Besuches des damaligen indischen Ministerpräsidenten Rajiv
Gandhi bei Helmut Kohl in Bonn, in dem ein bilaterales Abkommen beschlossen wurde, das Kulturfestivals im jeweils
fremden Land vorsah, um damit eine Brücke zwischen Indien und Deutschland zu schaffen. Darauf basierend
fand im Winter 1991/92 das Indische Festival in Deutschland statt, die Deutschen Festspiele in Indien wurden
fast zehn Jahre später vom September 2000 bis zum April 2001 durchgeführt. Die Ziele dieser Festspiele
waren sehr hoch gesteckt und man versuchte vielleicht auch unter dem Aspekt deutscher Gründlichkeit
fünf wesentliche Leitgedanken zu realisieren.
Die Festspiele sollten nicht ausschließlich auf die Meta-Metropolen Neu Delhi, Mumbai und Calcutta
konzentriert sein. Dies hatte zur Folge wenn auch zum Teil unter schwierigsten Umständen ,
dass es 28 Austragungsorte verstreut über ganz Indien gab.
Man wollte den Durchschnittsbürger erreichen im Idealfall hieß dies, wenigstens
einen Großteil der sprachlich, ethnisch und religiös sehr vielfältigen Bevölkerung Indiens
anzusprechen.
Ein besonderes Augenmerk lag auf der konkreten Programmgestaltung der Festspiele, die in Indien die Vielfalt
deutschen kulturellen Schaffens aufzeigen sollten. So konnte man im Bereich Tanz vom klassischen
Ballett (Bayerisches Staatsballett) bis hin zu modernem Ausdruckstanz verschiedenste Schattierungen dieses
Genres finden. Im Bereich Theater wurden sieben Companies vorgestellt, unter anderem das Berliner
Ensemble mit Brecht, die Bremer Shakespeare Company, das Theater der Klänge oder figura
theater tübingen. Auch der Bereich Musik zeigte eine große Bandbreite musikalischen Schaffens
in Deutschland angefangen von Werken der deutschen Klassik und Romantik über Jazz/Rock bis hin
zu Leckerbissen mit Weltmusik aus Bayern mit einem Hackbrett-/Gitarrenduo. Im Bereich Kunst dokumentierte
eine Wanderausstellung mit Künstlern wie Joseph Beuys, Gerhard Richter, Georg Baselitz oder Rebecca Horn
Höhepunkte der Malerei des 20. Jahrhunderts. Daneben gab es eine Ornament- und Figurenausstellung mit
dem Thema Mittelalterliche Kunst sowie eine Ausstellung Zeitgenössische Keramik, Glas,
Textil und Juwelen. Auch die Städteplanung wurde berücksichtigt in Form von zwei Fotoausstellungen
über die Entwicklung Berlins und Weimars. Da gerade das Kino in Indien einen besonderen Stellenwert in
der Gesellschaft einnimmt, bemühte man sich, einen Querschnitt deutscher Kinokultur vorzustellen. Es
liefen Filme wie Lola rennt, Kaspar Hauser oder Buena Vista Social Club.
Besonders attraktiv war im Bereich Literatur die Präsentation des ersten Hindu-German Dictionary,
mit Sicherheit ein Meilenstein in der deutsch-indischen Völkerverständigung. Auch die Sparte Entertainment
mit Auftritten des Clowns Shiven oder Ingo von Wilkes wurde nicht vergessen. Schon aus den genannten Beispielen
geht hervor, dass
großer Wert darauf gelegt wurde, deutsche Kultur in überdurchschnittlicher Qualität in
Indien zu präsentieren und vor allen Dingen, dass die auftretenden Künstler einen hohen Grad an
Popularität in Deutschland in Anspruch nehmen können. Ein
Ziel war, statt Kulturexport einen Kulturaustausch zu schaffen, um Kommunikation
und gegenseitiges völkerverbindendes Verständnis zu erreichen.
Daher schenkte man Programmen, die sich in Form von Workshops, Diskussionsrunden oder interkulturellen Meetings
mit der Pflege der deutsch-indischen kulturellen Beziehung beschäftigen, besondere Beachtung. Vor allem
wollte man die Jugend in besonderem Maße mit in die Festspiele einbeziehen, etwa in der Förderung
von Filmstudenten durch einen länderübergreifenden Studienaustausch, im Rahmen des Wettbewerbs Jugend
forscht oder auch in einem Internet-Quiz Information on Germany and India. Dies sind allerdings
nur einige wenige Beispiele aus den zahlreichen, die deutschen Festspiele begleitenden Exchange-Programmen und
Zusatzangeboten.
Insgesamt fanden im Zeitraum von September 2000 bis April 2001 zirka 240 Veranstaltungen in 28 indischen Städten
statt. Dass dies einen Kraftakt an Organisation darstellte, liegt auf der Hand, ganz zu schweigen
von der Finanzierung, die sich im Wesentlichen auf drei Pfeiler stützte: die Bundesrepublik Deutschland
in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut, die zu diesem Projekt zwei Millionen Euro außerordentlicher
Haushaltsmittel zur Verfügung stellte, deutsche Industrieunternehmen (im Übrigen die größten
ausländischen Investoren in Indien), die die Festspiele mit 650.000 Euro unterstützten, und die Republik
Indien mit rund 2,5 Millionen Euro. Allerdings tauchten auf Grund dieser Mischfinanzierung immer wieder Kompetenz-
oder Definitionsprobleme auf, so dass bei Mitwirkenden teilweise Irritationen bezüglich Kostenübernahmen
hervorgerufen wurden, die zur Demotivierung oder sogar zum Arbeitsstopp führten.
Die künstlerische Resonanz war jedoch überwältigend, ebenso die Früchte des kulturellen
Austausches zwischen zwei so unterschiedlichen Nationen wie Indien und Deutschland. Umso bedauerlicher ist es,
dass es laut Information des Goethe-Instituts derartige spartenübergreifende und flächendeckende Deutsche
Festivals im internationalen Umfeld langfristig nicht mehr geben wird, da sowohl der organisatorische wie auch
der finanzielle Aufwand zu hoch sind.
Inka Stampfl
Weitere Infos unter http://www.goethe.de, oder: Goethe-Institut
München (Hrsg.), German Festival in India 20002001.