[an error occurred while processing this directive]
nmz-news
nmz 2002/03 | Seite 2
51. Jahrgang | März
Personalia
Personalia
Die neue musikzeitung hat ihre interaktiven Tätigkeiten ausgeweitet. Mit dem Kulturinformationszentrum
stellen wir die engagierte Diskussion in das Zentrum der Aktivitäten im Netz. An dieser Stelle können
Fragen gestellt, Informationen verbreitet und die Arbeiten anderer kultureller Initiativen zur Darstellung gebracht
werden.
Thomas Rietschel
neuer Generalsekretär des Deutschen Musikrates
Wir gratulieren! Noch ist es nicht offiziell, aber Thomas Rietschel wird voraussichtlich Generalsekretär
des Deutschen Musikrates werden. Das Präsidium des Deutschen Musikrates hat den Generalsekretär der
Jeunesses Musicales Deutschland (JMD) nach zuverlässigen Informationen am 15. Februar 2002
zum Generalsekretär des Deutschen Musikrates berufen. Jetzt müssen nur noch vertragliche Einzelheiten
geklärt werden.
Thomas Rietschel (47) war seit knapp zehn Jahren Generalsekretär der Jeunesses Musicales Deutschland,
der deutschen Sektion des weltweit mitgliederstärksten Verbandes für musikalische Nachwuchsförderung.
Zuvor betreute er das Kammerorchester Schloss Werneck, einen Musikerverbund, der mit eigenartigen
und eigenständigen Konzertprogrammen erfolgreich ist.
Als Vater von drei Kindern kennt Thomas Rietschel die aktuelle Bildungs-Problematik persönlich. Auch in
den Wirrnissen des deutschen Musik-Verbandswesens wird er im Rahmen seiner Jeunesses-Tätigkeit Erfahrungen
gesammelt haben. Unter der Leitung Rietschels war die Jeunesses Musicales immer im Bereich der bildungspolitischen
Avantgarde zu Hause, wenn es darum ging, wertbewusste Konzepte zu entwickeln und sie fantasievoll umzusetzen:
Konzerte für Kinder ist so ein lebendiges Modell, das sich inzwischen eigenständig entfaltet.
Bildungspolitischer Avantgardist
Die Flamme brannte bis zuletzt
Zum Tode des Dirigenten Günter Wand Seine letzten Platteneinspielungen, insbesondere die Bruckner-Aufnahmen mit dem Höhepunkt der Achten
vor wenigen Monaten, kamen mit fast beängstigender Regelmäßigkeit auf die Hitlisten von Klassikpreisen.
Und dennoch war der Dirigent Günter Wand geradezu der Gegenentwurf zum Pultstar, der mit großem PR-Einsatz
und Selbstilluminationen die Aufmerksamkeit eines begeisterungssüchtigen Publikums auf sich zu ziehen versucht.
Ich habe von Anfang an den Ehrgeiz besessen, im Musizieren den Kompositionsprozess noch bis ins Kleinste
nachzudenken, äußerte er einmal in einem Gespräch über seine Art, Musik zu vermitteln.
Diese Behutsamkeit und Aufmerksamkeit gegenüber dem Werk war für Wand auch Lebensprinzip geworden.
Im Jahr 1912 wurde
Günter Wand als Kaufmannssohn in Elberfeld geboren, gerade konnte er am 7. Januar seinen 90. Geburtstag
feiern. Er gehört damit zu der Dirigentengeneration, die sich die Kompositionen noch weitgehend über
das intensive Partiturstudium am Klavier erarbeiteten. Diesem Ethos blieb er sein Leben lang treu. Nicht selten
begegnete er den großen Werken der Musikliteratur mit ehrfürchtiger Scheu, erst mit sechzig Jahren
etwa traute er sich eine adäquate Annäherung an Schuberts Neunte zu, mit der dann Günter Wands
zweite Karriere begann. Und monatelang beschäftigte er sich unablässig mit Bruckners Fünfter,
bevor er ans Proben ging. Wands Stil war durch Genauigkeit, Werktreue und von tiefer Empfindsamkeit gegenüber
dem inneren Sinn der Musik geprägt. Es war auch ein Stil, der keine abrupten Wendungen nahm, der reifte
wie ein guter Wein. Je älter Wand wurde, umso intensiver drangen seine Deutungen in die kompositorische
Substanz vor. Fast wirkt es so, als seien bei ihm in späteren Aufführungen alle vorangegangenen im
dreifach Hegelschen Sinn aufgehoben also bewahrt, höher gehoben und zugleich abgeschafft.
Seine letzte Einspielung, Bruckners Achte mit den Berliner Philharmonikern hat somit den Charakter eines endgültigen
Resultats seiner schier unermüdlichen Annäherung an den großen österreichischen Komponisten,
der mehr und mehr zum Zentrum seines Wirkens wurde. Das Schaffensprinzip von Bruckner (dem bedeutendsten Sinfoniker
seit Beethoven, so Wand), nämlich das kontinuierliche Höher-Steigen war längst zur eigenen Lebensmaxime
geworden. Noch vor wenigen Monaten schien ihm Alter kein Problem zu sein, auch wenn das Publikum besorgt ein
Nachlassen der Kräfte bemerkte. Ein Sturz am Dirigentenpult vor wenigen Wochen (Wand musste in letzter
Zeit immer von Hilfskräften zum Pult geführt werden) setzte seinem Wirken ein Ende. Den Begriff des
Altersstils lehnte er ab, er glaubte einzig an die mögliche Kontinuität hin zum Besseren, bis hinan
in spirituelle Regionen. Die Dimension des Jenseitigen im irdischen Musizieren darzustellen, das ist sicherlich
eine der Hauptaufgaben, wenn man mit großer Musik arbeiten darf. Erst wenn die Flamme
nicht mehr da ist, wollte er aufhören, und zwar dann schnellstens. Seine immer tieferen Deutungen der Werke
gaben ihm Recht. In gewissem Sinn bin ich heute nicht älter als vor 35 Jahren, in meiner Anschauung
von Musik, in meiner Begeisterungsfähigkeit, äußerte er noch vor kurzem. Günter Wand
ist am 14. Februar 2002 in seinem Schweizer Wohnsitz Ulmiz bei Bern gestorben.
Reinhard Schulz
Foto: BMG
Neuer Geschäftsführer für Weill-Gesellschaft
Clemens Birnbaum (39) ist der neue Geschäftsführer der Kurt-Weill-Gesellschaft in Dessau. Er löst
Andreas Altenhof ab, der nach fast neunjähriger Arbeit in Dessau an die Neuköllner Oper nach Berlin
wechselt. Birnbaum will das Kurt-Weill-Fest in Dessau als kulturellen Höhepunkt in der Region fortentwickeln.
Das 10. Kurt-Weill-Fest vom 1. bis 10. März beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Thema
Krieg und Frieden.
Abschiedsläuten in der Glocke
Nach vier Jahren verlässt Ilona Schmiel das Bremer Konzerthaus Die Glocke. Am 31. Januar 2002
jährt sich die Wiedereröffnung der neuen Glocke bereits zum fünften Mal. In diesen
fünf Jahren ist es gelungen, das Konzerthaus an der Domsheide erfolgreich neu im internationalen Wettbewerb
zu positionieren.
Maßgeblichen Anteil an dieser Erfolgsgeschichte hat Ilona Schmiel, seit Februar 1998 Geschäftsführerin
der Glocke Veranstaltungs-GmbH und seit März 1999 auch Geschäftsführerin der Musikfest Bremen
GmbH. Nun beendet die Kulturmanagerin zum 31. März 2002 ihre Arbeit in Bremen. Unter den aktuellen
finanziellen Rahmenbedingungen ist es für mich nicht möglich, das anspruchsvolle inhaltliche Konzept
der Glocke auf eine sinnvolle zweite Stufe zu stellen und weiterzuentwickeln, so Schmiel. Von Anbeginn
ihrer Bremer Tätigkeit standen für Schmiel neben der reinen Verwaltung des Konzerthauses die inhaltlichen
Potenziale im Rahmen der Neupositionierung im Vordergrund.
Kopelent wird 70
Der Prager Komponist Marek Kopelent, der als Nestor der tschechischen Gegenwartsmusik gilt, feiert am 28. April
2002 seinen 70. Geburtstag. Seine Musik ist vor 1989 in seiner Heimat nur wenig gespielt worden, hatte aber
außerhalb der Tschechoslowakei recht große Resonanz. Die Distanz des Komponisten gegenüber
den damaligen kommunistischen Machthabern hat durchaus mit manchen kritischen Tönungen seiner Musik zu
tun. So zeichnet seine Ende der 70er-Jahre entstandene Sinfonie, die vor einigen Monaten in Prag
eine glanzvolle Wiederaufführung erlebte, eine konflikthafte Situation, um sich ihr sozusagen modellhaft
zu entwinden. Charakteristisch für viele seine Werke ist die ungewöhnliche Weise, Reflexionen der
politischen Wirklichkeit zu verankern. Manchmal wie im Rondo vor der Ankunft der liebenswürdigen
Henker oder die dreimalige Anbetung der Hoffnung gibt schon der Titel eine Andeutung darauf. Kopelent
ist seit langem für die mittlere und jüngere Generation von Komponisten ein sehr gefragter Lehrer.
50 Jahre Chorleitung
Ludwig Rutt wurde im Januar dieses Jahres in einer festlichen Matinee im Opernhaus Hannover für seine fünfzigjährige
Chorleitertätigkeit geehrt. Rutt hatte in Hannover Musik studiert und war dort als Musik- und Klavierlehrer
tätig. Daneben leitete er ab 1949 jahrzehntelang bis zu acht Chöre. Neben seinem wichtigsten Ensemble,
dem Mädchenchor Hannover, betreute er vor allem den Hochschulchor der Universität Hannover und den
Johannes Brahms-Chor, mit denen er in regelmäßigen Abständen in Konzerten an die Öffentlichkeit
trat. Geburtstag???
Immer im Dienst: Nuria Schönberg
Der Komponist Arnold Schönberg war zweimal verheiratet: In erster Ehe mit der Schwester des Komponisten
Zemlinsky, Mathilde von Zemlinsky, nach deren Tod heiratete er in zweiter Ehe Gertrude Kolisch, die Schwester
des Geigers Rudolf Kolisch, der mit seinem Streichquartett authentische Interpretationen der Werke Schönbergs
erarbeitete. Aus dieser Ehe gingen die Kinder Nuria (geboren 1932) sowie Ronald und Lawrence Adam hervor. Nuria
Schönberg heiratete dann den Komponisten Luigi Nono und trägt seitdem den Doppelnamen Nono-Schönberg.
In diesem Jahr wird Nuria Nono-Schönberg also siebzig Jahre alt, kein Grund, sich zur Ruhe zu setzen. Sie
erscheint überall da, wo es gilt, Aufführungen und Ausstellungen der Werke des Vaters und Nonos durch
ihre Anwesenheit zu ehren. Das geschieht besonders in letzter Zeit immer häufiger und so befindet sich
Nuria Nono-Schönberg ständig auf Reisen. Man trifft sie überall und schätzt das kundige
Gespräch mit ihr. Sie scheut auch nicht das kritische Wort, wenn ihr etwas nicht so gefallen hat. Deshalb
darf Nuria Nono-Schönberg durchaus als Instanz gelten. Sie hat auch eine dokumentarische Biografie ihres
Vaters geschrieben, ein Standardwerk für die Schönberg-Forschung. gr
Unentwegter Beweger
Hans Landesmann, der am 3. März 2002 seinen siebzigsten Geburtstag feiert, kennt ein Wort überhaupt
nicht: Ruhestand. Die anstrengenden, gleichwohl wundervollen und erfüllten Jahre als Finanzchef und, gleichzeitig
und für ihn viel wichtiger, als Konzertreferent der Salzburger Festspiele in der Mortier-Zeit, waren noch
nicht vorüber, da hatte der 1932 in Wien geborene Landesmann schon die nächste Herausforderung angenommen:
Für die Wiener Festwochen organisiert er jetzt den Musikbereich, hier vor allem die Beiträge der Neuen
Musik und des neuen Musiktheaters. Für Hans Landesmann, im Wiener Großbürgertum aufgewachsen,
gehören Kunst und Musik gleichsam zur existenziellen Grundlage des Lebens. Er hat, nach der Rückkehr
aus dem ungarischen Exil nach dem Zweiten Weltkrieg 1945, Musik studiert, danach Chemie an der Sorbonne und
der Columbia University New York. Aus internen Gründen trat er 1957 in das Familienunternehmen ein, was
ihn nicht hinderte, sich zugleich als Musikfreund zu betätigen. Er war Generalsekretär der Wiener
Konzerthausgesellschaft, gründete das Gustav-Mahler-Jugendorchester mit, beriet das Barbican Center London,
gründete mehrere Festivals, darunter die Mondseer Musiktage. Von 1989 an gehörte er zum
Salzburger Festspielkuratorium, 1992 trat er zusammen mit Gerard Mortier ins Direktorium der Salzbur-ger Festspiele
ein. In Salzburg gehörte es zu Landesmanns großen Taten, der Musik unserer Zeit in den Konzertprogrammen
einen gleichberechtigten Platz neben der so genannten Tradition einzuräumen. Die Reihen junger
Komponisten, die Composer-in-Residence-Einrichtung, die großen Projekte mit dem Pianisten Pollini, die
Einbeziehung des Zeitfluss-Festivals ins Festspielprogramm das alles war Hans Landesmann
zu verdanken. Den Siebzigsten feiert er in Wien, mit guten Freunden und viel Musik im Konzerthaus. Wie es sich
für ihn gehört. gr