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nmz-archiv
nmz 2002/03 | Seite 21
51. Jahrgang | März
Internet/Computer
Neues und Altes aus dem Downloadland
Vom Spunkkrachlexikon zu fetten Beats
Die Verbreitung von Musik im und über das Internet hat in den letzten Jahren rapide zugenommen. Schnellere
und breitbandigere Zugänge ins Netz machen es immer einfacher, sich Musik in einer einigermaßen erträglichen
Zeit zu bemächtigen. Doch die urheberrechtliche Lage ist nach wie vor problematisch, wenn man sich Musik
aus so genannten Tauschbörsen wie Morpheus (http://www.morpheus.com
mit an die 500.000 Teilnehmern) oder der Gnutella-Netzwerk-Software Lime-Wire (http://www.limewire.com)
von anderen Nutzern herbeiholt.
Doch jenseits dieser Verfahren ist das Problem des Urheberrechts dann natürlich irrelevant, wenn die Musik
offen und frei angeboten wird, weil offenbar entsprechende Erlaubnis besteht sowie entsprechende Honorare abgeführt
werden.
Ein
solcher Umgang scheint sogar unter marketingtechnischen Aspekten längst kein Schnitt ins eigene Fleisch,
sondern das Gegenteil scheint richtig. Wenn man der letzten aktuellen Untersuchung des Allensbacher Instituts
für Demoskopie zu den Auswirkungen von MP3 auf das Kaufverhalten der Musikkonsumenten trauen darf, dann
war in den letzten drei Jahren unter 10.000 befragten Internetnutzern bei 37 Prozent das Kaufverhalten rückgängig,
während es jedoch bei 28 Prozent zunahm. Insgesamt haben sich nach dieser Umfrage allerdings überhaupt
nur 21 Prozent jemals MP3-Soundfiles über das Internet geladen. So gesehen, und das ist auch durchaus meine
Erfahrung, sind die kleinen Häppchen für Kost-Nix, ein Anreiz zur Nachbeschaffung von Musik.
Das haben längst auch einige Plattenlabels und Gruppen erkannt. Die Labels Kitty-Yo (http://www.kitty-yo.de
Kante, Maximilian Hecker, To Roccoco Rot) oder Ladomat (http://www.ladomat.de
Sensorama, beigeGT, Golden Boy) stellen zum Beispiel einzelne Tracks in guter Qualität zur Verfügung.
Gruppen wie Aphex Twin entwickeln sogar eigene Webseiten für ihre neueste Musik (http://www.drukqs.net).
Diese Soundfiles liegen jedoch nicht so leicht auffindbar herum beziehungsweise an vielen verschiedenen Quellen,
die erst einmal gefunden werden müssen. Abhilfe schaffen dann Internetseiten, die entsprechende Links sammeln
und mitunter sehr intelligent einbinden. Wer einmal den Tonspion (http://www.tonspion.de)
aufsucht, findet dort nicht nur die nötigen Links, sondern allerhand Informationen zur Musik selbst. Man
kann die Musiken kommentieren oder einfach bewerten. Jedes downloadbare Stück wird außerdem ausführlich
von der Redaktion selbst besprochen. Und daneben gibt es bei Tonspion zudem Neuigkeiten aus der
Welt von MP3. Die Attraktivität dieses Angebots rührt nicht zuletzt auch daher, dass gelegentlich
Nummer-1-Hits aufzufinden sind, wie unlängst Alicia Keys Fallin.
Mehr in der Funktion einer Musiksammlung sind die Seiten von Epitonic (http://www.epitonic.com)
zu sehen. Neben einem breiten Spektrum von Musik aus der DJ-Szene, sind hier auch Jazz, Experimentelles und
E-Musik aus dem letzten Jahrhundert vertreten.
Es ist ganz offensichtlich, dass dieses Konzept nicht auf den sich-einfach-so bedienenden Nur-Musik-Konsumenten
abzielt, sondern eher anspruchsvolle Titel aus E- und U-Musik miteinander verknüpft sieht. Unter Jazz
findet man zum Beispiel Han Bennink, Peter Brötzmann, Joe McPhee und unter 20th-Century Composers
Pauline Oliveros, John Cage, Anthony Braxton, Alvin Curran, Henry Cowell et cetera mit einzelnen Stücken
von CD. Diese werden dann sowohl mit einem Link zum Kaufen angeboten und auf Detailseiten werden die Komponisten
einzeln beschrieben und in Verbindung zueinander gesetzt. Das ist vor allem im Bereich elektronischer Popmusik
ein sehr interessantes Feature.
Dass es gerade um die so genannte E-Musik des letzten Jahrhunderts schlecht bestellt ist, was deren downloadbare
Präsenz im Netz betrifft, ist natürlich traurig. Doch steht dahinter meistens das Problem der Angst,
dass ein freies Downloaden die Einnahmen der Autoren beziehungsweise deren Erben schmälern würde.
Das mag im Bereich der Chart-Musik durchaus nicht abwegig sein. Aber Neue Musik ist ja doch meistens
nicht so eine Nach-Gebrauch-Wegwerfmusik, sondern wird in der Regel mit einem sehr viel höheren Anspruch
wahrgenommen. Und gerade weil derartige Musik schon kaum noch in den Regalen der gängigen CD-Verkaufsläden
zu finden und vorzuhören ist, könnten Ansätze wie bei Epitonic das Geschäft wieder beleben.
Abschließend noch ein Blick auf eine ambitionierte Soundsammlung. Auf den Seiten von Deutschlandfunk
und DeutschlandRadio breitet sich Frieder Butzmanns Spunkkrachlexikon (http://www.dradio.de/magazin/hoerspiel/spunk/index.html)
aus. Das ist ein kein bisschen langweiliges Lexikon zur Welt des Hörens mit zahlreichen Klangbeispielen.
Wussten Sie etwa, dass jedes Jahr die Wahrnehmung der oberen Frequenzen um 180 Hertz abnimmt, dass
Stille physikalisch das Fehlen irgend einer mechanischen Schwingung in einem elastischen Medium ist?
Kennen Sie die Top Five der akustischen Nichtshitparade? Nein, dann ist ein Blick in dieses Lexikon
ganz zwingend. Es zeigt nicht zuletzt auch, wie innerhalb des Mediums Internet die multimedialen Möglichkeiten
vorzüglich verwendet werden können.