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nmz-archiv
nmz 2002/03 | Seite 22
51. Jahrgang | März
Bücher
Punk-Saulus
Eine Lebensbeichte
Dirk Buck: Teenage Wasteland, hrsg. v. Archiv der Jugendkulturen, Verlag Thomas Tilsner, 192 Seiten,
15,- €
In einer Jugendgerichtsverhandlung würde sich eine solche Lebensgeschichte extrem gut machen: Harte Kindheit
in einem äußerlich normalen Milieu. Hass auf verständnislose Eltern, kaum Liebe, traumatische
Erfahrung als der beste Freund stirbt. Punkmusik als Ventil, Drogen, viel Alkohol, Lehre nicht beendet. Bindungsunfähig,
aber ziemlich erfolgreich als Musikproduzent mit Bootlegs. Beginn einer Therapie, weil keine Beziehung mehr
als wenige Monate überdauert. Fängt an Sinnsuche zu betreiben, gerät in den Bannkreis esoterischer
Lehren und bekehrt sich zum gläubigen Paulus.
So weit, so normal, möchte man meinen, angesichts ähnlicher Lebenswege von auffällig oder gar
straffällig gewordenen Jugendlichen. Nur haben´s die nie aufgeschrieben. Dirk Buck hat eine Geschichte
daraus gemacht, eine Lebensgeschichte (1966 1998) sozusagen oder ganz altmodisch eine Lebensbeichte mit
viel Tiefen und wenig Höhen. Ein Stück Popliteratur, welches vieles von dem weit hinter sich lässt,
was gemeinhin als Popliteratur auf den Büchertisch gepackt wird. Aus der authentischen Ich-Perspektive
gewährt Buck tiefe Einblicke in die Abgründe kleinstädtischer Enge und eine familiäre Erziehung
zwischen Unlust und gnadenloser Ahnungslosigkeit. Wer meinte, autoritär-ignorante pädagogische Beschränktheit
sei ein Privileg unmittelbarer Nachkriegselterngenerationen gewesen, sieht sich hier eines Schlechteren belehrt.
Kindliche Grundbedürfnisse nach Zuwendung und Anerkennung werden ignoriert, brechen sich Bahn in wilder
Punkmusik und düsteren, herausgeschrieenen Depri-Texten. Dass es dann auf eine fernöstliche Heilsbekehrung
im seligen Eso-Trip hinausläuft, ist zwar ernüchternd, aber Happy-Ends gibts sowieso nur im
Kino.