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nmz-archiv
nmz 2002/03 | Seite 20
51. Jahrgang | März
Rezensionen
Ohne jede Form von Fett
Sergiu Celibidaches Probenarbeit auf DVD-Video
Als Sergiu Celibidache in die Stiftskirche St. Florian einzog, da wurde es unruhig in der altehrwürdigen
Kathedrale. Denn wenn Celi am Pult stand, war auch das Teil der Probenarbeit: Die Pauken gehen nach links.
Ein bisschen sparen, wir müssen noch zwei Plätze schaffen. Die Damen jetzt einen Meter nach vorne
kommen. So eng wie möglich!
Man muss nicht Celi-Fan
sein, um zu begreifen: Hier geht es mitnichten um Details der Partitur. Klanglich war in seinen Interpretationen
ja selten etwas eng. Aber der Kirchenraum von St. Florian, wo Anton Bruckner selbst als Organist tätig
war, der war eng, als Celibidache dort die f-Moll-Messe aufführte. 1993 war das und Jan Schmidt-Garre war
mit der Kamera dabei. Sein Film zeigt die Einstudierung im Münchner Gasteig, die Stellproben und das anschließende
Konzert. Und weil das alles nicht kommentiert wird, entsteht eine Collage aus etlichen kleinen Szenen. Aber
das heißt keineswegs, dass sein Streifen ein zusammenhangloses Gewirr von Archivmaterial ist. Viel eher
handelt es sich hier um ein gefühlvolles Stimmungsbild, das einen ständig am Mitdenken hält.
Schmidt-Garre arrangiert die drei Erzählebenen nämlich nicht stringent von der ersten Probe bis zur
Aufführung, er mischt sie. Dadurch entsteht ein ruhiger, deshalb aber nicht spannungsarmer Fluss, bei dem
es viel zu entdecken gibt: Celibidaches liebevollen Umgang mit seinem Orchester und dem Philharmonischen
Chor München.
Noch spannender ist vielleicht, dass man nachvollziehen kann, was er sich bei seiner Interpretation gedacht
hat. Und wer Celibidache je als schlechterdings romantisierenden Metaphysiker verunglimpfte, wird hier eines
Besseren belehrt. Der Beginn des Kyrie etwa ist für ihn nicht nur klingende Phänomenologie:
Warum so sentimental? Tango ist das... Ohne jede Form von Fett. Einzig über die Arbeit mit
den Solisten erfährt man leider nicht allzu viel. Der anrührende Klangreichtum einer Margaret Price
allerdings spricht ohnehin für sich selbst.
Oliver Wazola
Celibidache In Rehearsal: A. Bruckner, Große Messe Nr. 3 f-Moll; Margeret Price (Sopran), Doris
Soffel (Alt), Peter Straka (Tenor), Matthias Hölle, Hans Sotin (Bass), Philharmonischer Chor München,
Münchner Philharmoniker, Sergiu Celibidache; Regie: Jan Schmidt-Garre (1993)
Arthaus/Naxos 100 250 (60)