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nmz-archiv
nmz 2002/06 | Seite 4
51. Jahrgang | Juni
Cluster
Der Dipl.- Kulturkritiker
Kompetente Kulturberichterstattung in den Acht-Uhr-Nachrichten? Das gibt es bestenfalls in Österreich.
Dort lieben die Menschen die Kunst, die Musik und sogar die Künstler. In Deutschland haben es diese schwerer.
Auch in den Medien. Freilich, es gibt Arte, Abendmagazine und überregionale Feuilletons. Aber: Unter den
Kulturjournalisten herrscht großes Wehklagen. Abbau wohin man blickt. Ein nicht unerheblicher Teil der
Opern- und Musikkritik wurde in den vergangenen Jahren zuerst bei den regionalen, dann mit dem drastischen
Rückgang des Anzeigenaufkommens auch bei den überregionalen Zeitungen eingespart. Die öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten sind nicht faul und ziehen nach. Wo möglich werden Kosten gedämpft, indem man vakant
gewordene Stellen nicht mehr neu besetzt oder sie anderen Redaktionen zuschlägt (siehe
auch den Artikel von Frieder Reininghaus auf Seite 30).
Patentrezepte gegen diesen längst nicht mehr schleichenden Abbau gibt es nicht. Doch vielleicht muss man
antizyklisch denken? Vielleicht lohnt sich ein Blick zu den Musikhochschulen. Die wandeln sich gerade von weltabgewandten
Übe-Klöstern zu multifunktionalen High-Tech-Kunst- und Kulturzentren. Ein Beispiel: Jede
Hochschule entwickelt heute ihren eigenen Multimedia-Musikjournalisten-Aufbaustudiengang. Thema
Nummer eins für Musiker, Musikwissenschaftler und -pädagogen ist hier nicht länger die Produktion,
sondern die kompetente Vermittlung von Musik.
Ganz unspektakulär entstehen hier neue Berufsbilder und hoffentlich auch die Grundlage für neue
Betätigungsfelder für Musiker. Einige aktuelle Beispiele unter vielen: Die Münchener Musikhochschule
bietet ab dem Wintersemester einen viersemestrigen Diplomstudiengang MultiMediaMusikjournalismus
an (ganz neu), die Musikhochschule Karlsruhe setzt weiterhin auf ihr bewährtes Lernradio und die Universität
der Künste in Berlin eröffnet (brandneu) einen zweijährigen Masterstudiengang Kulturjournalist.
In zwei Jahren erwirbt man sich so die Studienordnung nicht nur fundiertes Know-how, sondern soll
auch ein tragfähiges Netzwerk aufgebaut haben. Nicht ganz kostenfrei allerdings: die Gebühren für
den Studierenden betragen jährlich 5.200 Euro.
Nun ist es an den frischgebackenen Diplom-Kulturkritikern, sich auf den Marsch in die längst nicht mehr
so heile Medienwelt zu machen, dabei sich selbst einen Arbeits- und den Künsten einen angemessenen Platz
in der medialen Öffentlichkeit zu verschaffen.
Andreas Kolb
PS: Angehende und auch qualifizierte Musik- und Kulturjournalisten können sich bei der neuen musikzeitung
auf Praktikumsplätze bewerben.