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nmz-archiv
nmz 2002/07-08 | Seite 16
51. Jahrgang | Aug./Sep.
Portrait
Mit Alter Musik modernes Theater machen
Freyheit ist die beste Lust: Die Berliner Lautten Compagney hat noch einiges vor
Angefangen hat alles vor beinahe 20 Jahren. Statt wie ihre Kommilitonen als Musiklehrer zu arbeiten, gründeten
die beiden Lautenisten Wolfgang Katschner und Hans-Werner Apel nach ihrem Studium ein Lautenduo in der
DDR des Jahres 1984 ein recht ungewöhnlicher Entschluss zur Selbstständigkeit. So entstand die Lautten
Compagney, ein Ensemble, dass sich seitdem ein umfangreiches Repertoire erschlossen hat. Neben die Solomusik
für Laute, die zunächst den Schwerpunkt der Auftritte bildete, trat bald die Arbeit mit Sängern
und anderen Instrumentalisten, um die ganze Vielfalt der Renaissance- und Barockmusik aufführen zu können.
Immer auf der Suche nach neuen Inspirationen und Wegen: die Lautten
Compagney. Foto: Matthias Knoch
Wenn man die Lautenmusik des 16. und 17. Jahrhunderts spielt, kommt man zwangsläufig zur Vokalmusik, weil
die gesungene Musik die Basis für die Instrumentalmusik war so beschreibt Wolfgang Katschner
den Weg des Ensembles. Inzwischen hat man sich einen weiteren Arbeitsbereich erschlossen die Bühnenmusik
vom Oratorium bis zur Oper. Da kann die Arbeit als Solist für die Gründer des Ensembles nur noch ein
gelegentlicher Genuss nebenbei sein. Von Dowland bis Carl Philipp Emanuel Bach reicht das Repertoire, und immer
wieder entdeckt man durch eigene Studien neue Musik ob vergessene Opern wie Nicolaus Adam Strungks Antiope
(Dresden 1689), die auf den Dresdner Musikfestspielen 2000 wieder aufgeführt wurde oder Werke Berliner
Komponisten um 1700 wie Giovanni Battista Bononcini, dem die Lautten Compagney eine eigene CD widmete
(MA 9606820/NCA).
Dass die Laute dabei vom Solo- zum Generalbassinstrument wurde und die Lautenisten ein wenig in den Hintergrund
treten, stört sie nicht: Natürlich wissen wir, dass im Vordergrund immer die Solisten stehen,
und das ist auch absolut in Ordnung. Schließlich bleibt der Generalbass das Fundament dieser Musik,
und ein immer wieder mit verschiedenen Besetzungen und Klangfarben realisierter bunter Generalbass
gehört zur der Ensemble eigenen Ästhetik. Ebenso wie das Vergnügen daran, Neues versuchen zu
können. Nicht nur, dass es noch viele Schätze in den Archiven auszugraben gilt, auch das Aufführen
dieser Werke erlaubt und erfordert ein hohes Maß an eigener Kreativität und Inspiration. Sich immer
wieder ausprobieren, andere Ausdrucksmöglichkeiten zu finden, dafür gibt es kaum ein besseres Feld
als die Alte Musik: Der Geist dieser Musik lebt von einer gewissen Freiheit und einer gewissen Zufälligkeit;
sie lässt viel Platz für das, was der Interpret dazu gibt, für seine Kreativität und auch
für die Spontaneität des Augenblicks.
Kein Wunder bei dieser Philosophie, dass die Mitglieder des Ensembles auch einmal eine Grenzüberschreitung
riskieren neben dem klassischen Repertoire spielen sie mal zusammen mit Jazz-Musikern, mal
verbinden sie, wie zuletzt im Berliner Neuen Museum, geistliche Musik Dietrich Buxtehudes mit zeitgenössischen
Video-Installationen. Die eigenen Ideen entwickeln zu können, empfinde ich schon als Luxus
so beschreibt Wolfgang Katschner seine Motivation.
Die Adressaten ihrer Konzertprogramme sind ein breites Publikum, nicht nur Spezialisten für Alte Musik:
Wenn wir Programme konzipieren, möchten wir jeden Musikinteressierten erreichen, nicht nur ein Spezialpublikum.
Mit unserer Musik möchten wir jeden ansprechen können, der sich für klassische Musik interessiert
und in unser Konzert kommt. Auch darum bemüht man sich, ausgetretene Pfade zu verlassen: Indem man
Prominente wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse oder Schauspielerin Katharina Thalbach als Sprecher
für seine Weihnachtskonzerte gewinnt, erreicht man ein großes Publikum, dass zu einem Alte-Musik-Programm
wohl kaum gekommen wäre. Die Lautten Compagney ist also mehr als nur ein Ensemble für
Alte Musik. Gründungsmitglied Katschner bezeichnet sie als sein Lebensprojekt, mit dem er noch
einiges vorhat: Neue Wege beschreiten in der Bühnenmusik zum Beispiel mit Alter Musik modernes
Theater machen. Wie wäre es einmal mit einem Händeloratorium in einer modernen Inszenierung?
Da ist sicherlich noch manches zu erwarten von den Musikern. In diesem Jahr stehen unter anderem noch eine Südafrika-Tournee
mit dem Tenor Kobie van Rensburg und, rechtzeitig zu Weihnachten, Händels Messias auf dem Programm.
Klemens Hippel
Aussschnitte ihres Schaffens können Sie in der Jubiläumssendung von taktlos nachhören. taktlos
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