Leider wurden in dem genannten Artikel zum Tod Norbert Schultzes
einige Fakten verschwiegen. Neben dem genannten Schlager „Lili
Marleen“ schrieb der Komponist während des Zweiten Weltkrieges
eine Reihe von Marschliedern für Truppenteile der deutschen
Wehrmacht, wie zum Beispiel das „Marschlied deutscher Grenadiere“,
das „Lied vom deutschen U-Boot-Mann“, „Bomben
auf Engelland“, „Panzer rollen in Afrika vor“,
„Ewiges Fußvolk“ oder auch „Führer
befiehl, wir folgen dir“. Er selbst sagte: „Also, ich
glaube, es gibt kaum eine Truppengattung, für die ich kein
Lied geschrieben habe ...“ (1). Für den Angriff auf die
Sowjetunion schrieb Schultze das „Lied zum Feldzug im Osten“.
Den im Artikel lobend hervorgehobenen „eleganten Chansongestus“
wird man hier wohl vergeblich suchen. Diese Lieder entstanden in
enger Zusammenarbeit mit dem Rundfunk und dem Propaganda-Ministerium.
Schultze komponierte auch Filmmusik zu Propagandafilmen, wie, um
nur ein Beispiel zu nennen, für den Film „Feuertaufe“
des Regisseurs Hans Bertram über den Einsatz der Luftwaffe
im Polenfeldzug, der dem britischen Premierminister Chamberlain
die Verantwortung für die Zerstörung Warschaus zuschiebt.
Diese Kompositionen galten als wichtige Propagandastücke, auf
die Josef Goebbels persönlich, zum Teil bis in Einzelheiten,
Einfluss nahm. So arbeitete Schultze eng mit dem Minister zusammen
an der Propagandamaschine. (2)
Der Artikel in der nmz erwähnt lediglich, den Nazis habe
nicht gefallen, dass die Melodie „Lili Marleen“ von
den deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg zu einem „seelischen
Überlebensmittel“ erhoben wurde und konstatiert: „...
aber gegen die kollektive Volksseele ist wohl sogar ein diktatorisches
Regime ohnmächtig.“ Die Tatsache, dass das Propaganda-Ministerium
unter bewusster aktiver Mitarbeit Norbert Schultzes die Bevölkerung
massiv beeinflusst hat, wird hier geradezu auf den Kopf gestellt.
Im weiteren Verlauf kommt der Artikel auf Schultzes Oper „Schwarzer
Peter“ von 1936 zu sprechen und erwähnt, dass diese „nach
dem Krieg häufiger auf kleineren und mittleren Opernbühnen
erschienen“ sei. Es wird verschwiegen, wie überaus erfolgreich
dieses Stück in der Nazi-Zeit gewesen ist. Von den Opern, die
während des „Dritten Reiches“ uraufgeführt
wurden, war sie mit durchschnittlich über 120 Aufführungen
pro Spielzeit mit Abstand die meistgespielte, vor Gersters „Enoch
Arden“ sowie „Arabella“ und „Daphne“
von Richard Strauss (3).
Es wird der Eindruck erweckt, Norbert Schultze, „einst Schlagerlieferant
für den totalen Krieg“ (4), habe mit den Nazis nichts
zu tun gehabt oder deren Missfallen erregt.
So ist dieser Artikel ein Teil der hier zu Lande ärgerlicherweise
immer noch anzutreffenden Geschichtsfälschung, die die Rolle
der Akteure des Hitler-Faschismus zu retuschieren versucht. Hierzu
sollte die nmz nicht als Plattform dienen! Es würde besser
zu Ihrer Zeitung passen, wie auch in anderen Bereichen die Dinge
beim Namen zu nennen.
Klemens Kaatz, Haburg
1 zitiert nach Fred K. Prieberg: Musik im NS-Staat, Frankfurt/M.:
Fischer 1982, Seite 338
2 vgl.: ebenda, Seite 335–340
3 vgl.: Hans-Günter Klein: Viel Konformität und wenig
Verweigerung. Zur Komposition neuer Opern 1933–1944. In:
Hanns-Werner Heister/Hans-Günter Klein (Hg.): Musik und Musikpolitik
im faschistischen Deutschland, Frankfurt/M.: Fischer 1984, Seite
149
4 Volker Kühn: „Man muß das Leben nehmen, wie
es eben ist...“. Anmerkungen zum Schlager und seiner Fähigkeit,
mit der Zeit zu gehen. In: ebenda, Seite 217