Die Junge Deutsche Philharmonie mit Bruckners Achter in Nordkorea
zu Gast
Als erstes Orchester überhaupt durfte die Junge Deutsche
Philharmonie während ihrer letzten Tournee sowohl im südkoreanischen
Seoul als aus auch in Pjöngjang in Nordkorea auftreten. Monatelange
Vorarbeit von Seiten des Goethe-Institutes in Seoul war nötig,
bis es letztlich zu dem kulturellen Austausch kommen konnte. Dabei
profitierte man von den traditionell guten Beziehungen mit Korea,
die auch nach der Teilung des Landes 1948 weiterbestanden: die DDR
pflegte Kontakte zum Norden, die Bundesrepublik zum Süden.
So konnte man im April 2002 unter der Leitung Alexander Liebreichs
Bruckners achte Sinfonie zu Gehör bringen und gleichzeitig
an einem nationalen Festakt teilnehmen: dem Frühlingsfest zum
90. Geburtstag von Kim Il Sung, den „Ewigen Präsidenten“.
Uwe Schmelter, Leiter des Goethe-Instituts in Südkoreas Hauptstadt
Seoul, hat Basisarbeit geleistet. Über die Musik baute er seit
2001 ein Kulturprogramm für das bis dahin völlig isolierte
Nordkorea auf. Mit Schmelter sprach für die nmz Stefan Schickhaus.
neue musikzeitung: Vor einigen Monaten hatten Sie die Junge
Deutsche Philharmonie zu Gast in Korea und zwar im Norden wie auch
im Süden. Was war das Besondere an diesem Besuch?
Arirang (Massengymnastik
unter Beteiligung von 100.000 Nordkoreanern) zu Ehren des
Staatspräsidenten auf Ewigkeit, dem 1994 verstorbenen
Kim Il Sung. Foto: Holger Pfeuffer
Uwe Schmelter: Zum einen der musikalische Aspekt: Bruckners
achte Sinfonie, gespielt von einem Orchester, das sich trotz der
Jugend seiner Musiker im internationalen Vergleich auf höchstem
Niveau präsentiert – das erlebt man hier in der Region
Ostasien nur ganz, ganz selten. Für die Programmarbeit des
Goethe-Instituts ist so etwas ein absolutes Highlight. Zum anderen,
und das ist das Entscheidende, hatten wir die Möglichkeit,
dieses Orchester in das isolierteste und unbekannteste Land der
Welt zu bringen, nach Nordkorea. Wenn man dann noch bedenkt, dass
süd- und nordkoreanische Musiker gemeinsam mit den Gästen
aus Deutschland musizierten, kann man das ohne Übertreibung
ein einzigartiges Projekt nennen. Es war mit Sicherheit das aufwändigste
Projekt des deutschen Kulturhaushaltes 2002 hier in ganz Ostasien,
finanziert mit Sondermitteln des Auswärtigen Amtes über
den Deutschen Musikrat.
nmz: In das isolierteste Land der Welt eine einzelne Person
hineinzubekommen, ist schon schwer genug. Sie haben einem ganzes
Orchester Zutritt verschafft. Durch welche Tür ging denn das?
Schmelter: Die Tür hieß Vertrauen. Es stimmt,
man kommt schon alleine kaum hinein und es hat auch ein Jahr geduldiger,
stiller Vorarbeit über viele Kanäle bedurft, bis es schließlich
zu einer Einladung aus Pjöngjang kam. Im Januar 2001 war ich
zu ersten Gesprächen dort, um überhaupt zu erfahren, ob
dort Interesse an kultureller Zusammenarbeit mit Deutschland besteht.
nmz: Gab es zu diesem Zeitpunkt überhaupt schon diplomatische
Beziehungen zwischen Deutschland und der demokratischen Volksrepublik
Korea?
Schmelter: Nein, zu dieser Zeit noch nicht. Die DDR hatte
natürlich diplomatische Beziehungen zu Nordkorea, doch mit
der Wende brachen die ab. Erst ab März 2001 gab es dann auch
diplomatische Beziehungen mit der Bundesrepublik. Schwierig war,
dass wir eine kulturelle Zusammenarbeit mit Deutschland nur über
das Goethe-Institut von Südkorea anbieten konnten. Sie müssen
sich klar machen: Zwischen beiden Länden gibt es keinerlei
direkte Kommunikationsmöglichkeit. Sie können weder Post
schicken noch telefonieren oder Mails senden, natürlich auch
nicht reisen.
nmz: Wieso haben Sie für den Erstkontakt auf die Musik
gesetzt?
Schmelter: Wir vom Goethe-Institut sind bisher leider die
Einzigen, die überhaupt Kulturarbeit dort betreiben, davor
war rein gar nichts. Da bietet sich die Musik natürlich als
Einstieg an, sie ist nonverbal und international verständlich.
nmz: Immerhin fällt einem in der Musik gleich ein koreanischer
Name ein: Isang Yun.
Schmelter: Yun ist ein ganz wichtiges Bindeglied zwischen
Korea und Deutschland, eine Verbindung, die weit über seine
Rolle nur als Komponist hinausgeht. 1967 wurden südkoreanische
Intellektuelle, die wegen der Diktatur in ihrer Heimat in Deutschland
lebten, aus Deutschland nach Südkorea entführt und dort
fast ausnahmslos zum Tode verurteilt – darunter auch Yun,
dessen Urteil aber nach internationalen Protesten gemildert wurde.
Vorwurf war Spionage für den Norden – er wurde abgeschoben,
ging nach Deutschland und nahm dort mit seiner Familie die deutsche
Staatsbürgerschaft an. In Nordkorea wird Yun noch heute hoch
verehrt. Es gibt das renommierte Isang Yun-Institut, das für
uns auch der direkte Veranstaltungspartner vor Ort ist.
nmz: Auf welchem Niveau wird in Nordkorea klassisch musiziert?
Es saßen ja 20 Streicher des Yun-Instituts bei Bruckners Achter
mit im Orchester.
Schmelter: Zum großen Teil spielt sich das auf wirklich
hohem internationalen Niveau ab. Dass nordkoreanische Musiker mit
im deutschen Orchester sitzen werden, musste man in Pjöngjang
erst mühsam vorbereiten. Doch das hat das Goethe-Institut von
Anfang an klar gemacht: Wir machen keine Konzerte, wie sie auch
Agenturen als Veranstalter anbieten können – Probe, Konzert,
Hotel, das war’s. Unser Ziel ist, dass Menschen zueinander
kommen, lernen miteinander umzugehen und miteinander zu arbeiten.
Das sind die Multiplikatoren, die uns wichtig sind.
nmz: Ist das, was an kultureller Basisarbeit aufgebaut wurde,
jetzt gefährdet? Schließlich ist Nordkorea derzeit in
den Schlagzeilen wegen eines eventuellen Atomwaffenprojekts.
Schmelter: Natürlich darf in einer Krisensituation
alles zur Disposition gestellt werden, mit Ausnahme des humanitären,
kulturellen und edukativen Bereichs. Das darf mit Wirtschafts- oder
Energieprojekten, die eingefroren werden können, nichts zu
tun haben. Inzwischen sollte man in der Welt ja begriffen haben,
wozu es führt, wenn man den Dialog zwischen den Kulturen und
Systemen nicht sorgfältig pflegt oder ihn gar abbricht.