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nmz-archiv
nmz 2002/12 | Seite 5
51. Jahrgang | Dez./Jan.
Cluster
Nullpunkt
Der neue Steuersong und Top-Hit zur aktuellen Regierungstätigkeit
ist urheberrechtlich geschützt, warum auch nicht? Das sah man
bei der CDU-Internetgestaltung offenbar nicht und wollte diese Stückchen
per Link als Werbung gegen den noch amtierenden Kanzler auf der
eigenen Seite anbieten. Pustekuchen, meinte die Plattenfirma Sony,
so geht das nicht. Sony, die diesen Song auf den Markt warf, wollte
wenigstens mitkassieren. Erst kommt das Geld und dann die Moral.
Ja, wo sind wir denn hier gelandet. Hämische Freude kommt auf,
dass es dieses Mal nicht die klassischen Übeltäter, die
Schulhof-Kinder-Piraten oder Chinesen, erwischt hat. Nein, es ist
eine Partei, die Musik als politische Aufklärung zum Gemeingut
erklärte und sich über eigene Ansichten hinwegsetzte.
„Das Internet ist kein rechtsfreier Raum,“ so steht
es zumindest im „Beschluss des Bundesvorstands der CDU Deutschlands“
vom 3. Juni dieses Jahres. Doch die Häme hält nicht lange
an. Die Rechtslage ist verzwickt und nicht sicher darf sein, ob
Sony eine einstweilige Verfügung gegen die CDU hätte durchsetzen
können. Links, Downloads, Marken-, Patent- und Urheberrechte,
alles in einen Dampfkochtopf, zu unverbrüchlichem Eigentum
einkochen und dann den Deckel drauf bis der Geist der Freiheit und
Privatsphäre endgültig erkaltet ist. Drohen ist besser
als Denken. Schneller als man denken kann, sind neue Riegel auf
dem Rechtsweg entwickelt. Das Internet ist eben kein rechtsfreier
Raum, aber es wird mehr und mehr ein hirnfreier, denn die Bewusstseinsindustrien
besetzen immer mehr Land, versiegeln und verminen es bis es endgültig
tot und die letzten Reste menschlicher Würde zerborsten sind.
So bleibt die finale Drohung: „Schöne neue Welt“
– Sonnenschein am absoluten Nullpunkt.