Laudatio für Bernhard Freiherr Loeffelholz von Colberg ·
Von Antje Vollmer
Als ich vor einigen Wochen diese Einladung leichtfertig angenommen
habe, wusste ich überhaupt nicht, was am heutigen Tage sein
würde. Das schönste an einer Demokratie ist ja das Wählen,
das schwierigste ist das gewählt Werden – ich habe es
heute gerade hinter mir –, aber ich wusste auch nicht, dass
heute Nachträge zur Koalitionsverhandlung bekannt würden.
Damals habe ich die Einladung zu dieser Laudatio gerne angenommen,
da ich geehrt war und auch überrascht, dass ich die Laudatio
halten sollte – heute denke ich: hätten Sie doch Herrn
Eichel gebeten! Wie auch immer – ich glaube, wir werden in
der nächsten Zeit einigen Ärger wegzuräumen haben,
einiges zu tun haben und ich finde, die heutige Versammlung hier,
die zu Ihren Ehren hergekommen ist, ist potent, schwergewichtig
und illuster genug, um Sie gleich als NGO hier alle zu verhaften,
dass Sie in dieser Sache mit tätig werden sollen, über
die ich Ihnen noch nichts Endgültiges sagen kann, außer
meiner Bereitschaft, auf welcher Ebene auch immer, mitzumachen,
dass wir gute Beschlüsse hinkriegen.
Das Ganze passt auch sehr gut zu Ihrer Arbeit, Herr von Loeffelholz.
Sie sind nämlich ein Mensch, dem schon sehr früh klar
geworden ist, dass die öffentliche Hand die vielfältigen
Aufgaben in der Kulturförderung niemals allein schultern kann
und der sich seit mehreren Jahrzehnten mit der Lösung des Problems
sehr kreativ auseinander gesetzt hat und immer, indem er sich selber
in die Lösung des Problems miteinbezogen hat. Das habe ich
an Ihnen immer ganz außerordentlich geschätzt –
dass Sie niemals nur Sender, sondern immer gleich Empfänger
der Ansprüche waren, die Sie an andere gestellt haben.
Ignes Ponto (li.) und Antje
Vollmer. Foto: Helmut Biess
Ich spiele hier auf Ihre Passion an, die zum zweiten Drehpunkt
und ich glaube, wenn ich Sie richtig verstanden habe, zum wichtigsten
Moment Ihres Lebens gemacht worden ist. Denn Sie kommen ja einerseits
aus der Wirtschaft – nachdem Sie in München und Saarbrücken
Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft studiert haben, promovierten
Sie an der FU Berlin, Ende der 60er-Jahre wurden Sie Mitarbeiter
Jürgen Pontos bei der Dresdner Bank. Und das ist nun wieder
etwas Merkwürdiges am heutigen Tag: Sie werden sich erinnern,
dass wir heute vor 25 Jahren die Toten in Stammheim hatten, die
nun ihrerseits dem Tod von Hanns-Martin Schleyer und seinen beiden
Fahrern gefolgt sind. Das ist eine sehr eigenartige Koinzidenz der
Daten. Wir haben darüber nie gesprochen, auch wir beide persönlich
nicht, aber ich habe, je mehr ich darüber nachgedacht habe,
verstanden, dass Ihr Engagement für die Kultur irgendwie etwas
damit zu tun haben musste, dass Sie das letztendlich für die
einzige Möglichkeit halten, extreme Gewalt zu überwinden,
und auch extreme gesellschaftliche Konflikte zu überwinden.
Und das ist nun wiederum ein gutes Erinnerungsmoment an die Frage:
Wie löst man das, was uns weltweit jetzt beschäftigt?
Nämlich das neue und andere und noch gravierendere Terrorismusproblem.
Welchen Beitrag kann das Engagement für die Kultur dabei leisten?
Ich glaube, Sie haben immer verstanden – und so lese ich das
auch aus Ihrem Leben –, dass Kultur ein sehr großes
Moment dabei spielen muss. Schnell durchliefen Sie eine vorbildliche
Banklaufbahn, wurden zunächst Direktor der Niederlassung München
und später dann Direktor der Zentrale in Frankfurt. Auf der
Höhe Ihrer Karriere verlagerten Sie Ihre Tätigkeit von
der Wirtschaft hin zu Ihrer zweiten, größeren Passion,
der Kultur. Zunächst in der Jürgen-Ponto-Stiftung, die
zum Andenken an Ihren ehemaligen Vorgesetzten Jürgen Ponto
nach dessen Ermordung durch die RAF errichtet wurde. Später
waren Sie im Vorstand der Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank.
Sie sind Vorstand der Orchesterakademie des Berliner Philharmonischen
Orchesters, das wir hier in Abwesenheit sehnsüchtig erwarten,
die Sie unter anderem zusammen mit Herbert von Karajan schon 1972
gegründet haben. Ich beneide Sie darum, dass Sie so früh
schon solche wichtigen Bündnisse schließen konnten. Die
Akademie bietet besonders begabten Nachwuchsmusikern nicht nur eine
ausgezeichnete Ausbildung, sondern ermöglicht ihnen auch die
Mitarbeit im Berliner Philharmonischen Orchester. Diese Erfahrung
ist für die jungen Musiker von außerordentlicher Bedeutung,
und ich glaube, für viele auch dann die „Einstiegsdroge“
gewesen, Musik zu einer dauerhaften beruflichen Existenz zu machen
– denn wer mal mit den Philharmonikern spielen durfte, glaube
ich, der kann das nie wieder lassen. Für Ihre Verdienste in
der Förderung junger Musik sind Sie im Jahre 2000 mit der Leo-Kestenberg-Medaille
des Verbands deutscher Schulmusiker ausgezeichnet worden. Zudem
sind Sie seit 2001 Präsident des Sächsischen Kultursenats,
um nur einige ausgewählte Funktionen im Kulturbereich zu nennen.
Seit 1978 ist Herr von Loeffelholz ehrenamtliches geschäftsführendes
Vorstandsmitglied des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft, und
da haben wir sie dann – die für manche Menschen typische
Ämterhäufung. Und zwar immer im ehrenamtlichen Bereich,
immer mit viel, viel Zeit. Das kostet Zeit – bringt aber gute
Laune.
Die zentrale Fragestellung in Ihrem Leben ist die Verbindung zwischen
Wirtschaft und Kultur. Kaum jemand hat sich intensiver um eine Verständigung
und Verbindung dieser beiden Bereiche unserer Gesellschaft bemüht
– das haben meine beiden Vorredner auch schon gesagt. Dabei
sind Sie von der Überzeugung ausgegangen, dass Wirtschaft und
Kultur sich gegenseitig brauchen – eine Gesellschaft, die
auf reiner Ökonomie basiert, würde ohne die finanzielle
Unterstützung auch aus der Wirtschaft genauso verkümmern
wie die Kultur – und das ist heute aktuell etwas klarer. Nicht
nur, dass wir dieses Riesenproblem der Spendenregelung vor uns haben,
wo wir uns alle zusammenschließen wollen, es zu lösen,
sondern auch weil ich glaube, dass kulturelle Voraussetzungen in
Zukunft unter den neuen ökonomischen Bedingungen noch sehr
viel mehr eine Bedeutung haben werden – zum Beispiel, diese
neuen wirtschaftlichen Betriebe auch in die Fläche, auch in
die Provinz zu verlagern. Und da wird es eine immer entscheidendere
Rolle spielen, wie viel Kultur diese neuen Betriebe, die weitgehend
mittelständische Betriebe sein werden, vorfinden. Und darum
wird es eine ganz wichtige Standortentscheidung sein, ob es diese
kulturellen Daten noch gibt. Ich hätte da eine ganze Menge
an neuen Bündnissen anzubieten, für die ich Ihre Hilfe
auch noch gebrauchen könnte, übrigens auch in Berlin –
also, wenn Sie bei der Operninitiative mitmachen wollen: herzlich
willkommen!
Die Künste zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Nutzen nur
schwer und vor allem nicht in Zahlen messbar ist. Wie kann man die
Wirtschaft nun davon überzeugen, dass sich Investitionen in
Kunst und Kultur, die sich schwer in Zahlen messen lassen, trotzdem
lohnen? Sie, Herr von Loeffelholz, machen uns dies seit Jahren vor.
Sie knüpfen dabei an die mäzenatische Tradition des 19.
Jahrhunderts an, die ja gerade in Deutschland eine bürgerliche
Tradition war, die auch diesen emanzipatorischen Impuls hatte zu
sagen: Was früher und anderswo der Hof macht, das können
wir schon alleine und wir können es besser und reichhaltiger
und flächendeckender und nachhaltiger.
Diejenigen, die etwas von der Gesellschaft bekommen haben, haben
damit der Gemeinschaft etwas zurückgeben wollen. Und dieser
Zusammenhang, dass man sich verpflichtet fühlt, einer Gesellschaft,
die einem die Möglichkeit gibt, kulturelle Welterfahrungen
zu machen, eine vorzügliche Bildung zu genießen, dass
das umgesetzt wird in einen Impuls: nun will auch ich mich für
das Gemeinwesen engagieren.
Das ist zunehmend etwas, das auch in einer sich entwickelnden Zivilgesellschaft
verstanden wird und das jemand wie Sie früher als andere verstanden
hat. Wir beide – um jetzt das Rätsel zu lösen, was
uns überhaupt verbindet – wir beide haben hart an der
Stiftungsreformdebatte gekämpft und ich weiß, dass ich,
als ich Sie damals eingeladen hatte, keineswegs sicher war, ob Sie
kommen würden. Sie sind sofort gekommen. Sie sind sehr kämpferisch
gekommen und haben gesagt, genau an dieser Sache mache ich sehr
gerne mit – und ich finde, wenn wir nun so zurücksehen,
haben wir jeder an unserem Platz doch einiges bewegt. Wenn ich allein
daran denke, dass wir seit der Reform des Stiftungssteuerrechts
und des Stiftungszivilrechts jährlich tausend neue Stiftungen
haben, dann kann man das auch in Mark und Pfennig oder in Euro und
Cent ausrechnen, wie viel Geld tatsächlich in den Kulturbereich,
im Wesentlichen in Kultur, oder in den Sozialbereich oder den ökologischen
Bereich in dieser Zeit gegangen ist. In der Kunst- und Kulturförderung
ist die Stiftung nun einmal der beste Weg, denn sie gewährt
Unabhängigkeit und Dauerhaftigkeit in der Finanzierung. Sie
gewährt das, was Kultur am meisten braucht: nämlich einerseits
Planungssicherheit, denn alle großen Kulturvorhaben müssen
lange vorher geplant werden, und gleichzeitig Freiheit, künstlerische
Freiheit. Also: ökonomische Berechenbarkeit und künstlerische
Autonomie. Das bedeutet ein Auskommen für die Künstler
und Erhaltung und Pflege ihrer Werke. Die Kunst ist ja eine langsame
Tätigkeit. Sie braucht Anreize und Spielräume, um sich
zu entwickeln und zu entfalten, und sie braucht Zeit, um zu reifen.
Und sie braucht noch einmal mehr Zeit, um Anerkennung zu finden.
Jedenfalls die großen, die sperrigen, die gegen den Zeittrend
gerichteten Werke. Sie haben erkannt, dass die Wirtschaft nicht
nur die Kapazitäten für eine effektive Stiftungsarbeit
hat, sondern dass sie auch ein ureigenes Interesse an den Produkten
dieser Kunst hat. Der Kulturkreis fördert besonders die jungen
Künstler und Künstlerinnen aller Sparten und investiert
also klug in seine, in unser aller Zukunft.
Denn genau diese kreativen Potenziale sind der eigentliche Reichtum
dieses Landes. Eines wird gerne bei der privatwirtschaftlichen Kulturförderung
übersehen: da wo Geld fließt und Unterstützung vorgeschossen
wird, können auch Abhängigkeiten entstehen. Dort wo die
Wirtschaft investiert, sollen ja in der Regel Gewinne eingefahren
werden. In der Verbindung von Kultur und Wirtschaft liegt also auch
eine Gefahr: dass nämlich der Künstler und die Künstlerin
sich vereinnahmen lassen, dass sie sich auf das glatte Parkett der
Popularität, der schnellen Wirkung, der kurzfristigen Wirkung
verführen lassen. Aber die wahre Kunst führt ein Eigenleben
und braucht diesen Abstand zum Gefälligen; sie ist eben nicht
das, was sich momentan gut verkaufen lässt oder womit sich
momentan die Büros gut ausschmücken lassen. Sie entwickelt
sich oft gegensätzlich zu den Trends der Zeit. Dabei ist sie
genauso anfällig für Schmeichelei, Korruption und Intrigen
wie andere Teile unserer Gesellschaft auch, nur, würde sie
dem nachgeben, würde sie daran zugrunde gehen. Es ist also
außerordentlich wichtig, dass es Menschen gibt, die sich für
die Unabhängigkeit der Künste engagieren, ja, die sie
geradezu mit großem Pathos vertreten. Und zwar müssen
sie an den Stellen handeln und einwirken, wo diese Gefahr zur Abhängigkeit
am größten ist. Und hier sehe ich den dritten Grund für
die Ehrung heute Abend, gerade Ihnen gegenüber. Sie nämlich
bringen nicht nur die Wirtschaft und die Kultur zusammen, sondern
Sie plädieren auch, wenn ich Sie richtig verstanden habe, in
all Ihren Beiträgen, Reden und Gesprächen für die
Wahrung dieser künstlerischen Autonomie, dieser Nichtverfügbarkeit,
auch nicht für die Interessen der Sponsoren. Finanzielle Unterstützung
– gerne, Einflussnahme aber so gering wie möglich. Diese
Position zeichnet einen wirklichen Liebhaber der Freiheit der Künste
aus.
Und das ist das Konzept, das den Kulturkreis so außergewöhnlich
macht. Die meisten Menschen können sich glücklich schätzen,
wenn sie ein Thema für ihr Leben gefunden haben und darin auch
Erfolge erzielen können. Sie, Herr von Loeffelholz können
dies gleich in zwei Bereichen für sich geltend machen, die
noch dazu in einer sehr komplexen Beziehung zueinander stehen: Für
Ihre wirtschaftliche Arbeit sind Sie, glaube ich, auch schon einige
Male ausgezeichnet worden, unter anderem durch das Bundesverdienstkreuz,
aber ich bin ziemlich sicher, dass die künstlerischen Ehrungen
irgendwie für Sie noch wichtiger sind. In diesem Sinne wünsche
ich Ihnen, sehr verehrter Herr von Loeffelholz, weiterhin viel Kraft
für Ihre Arbeit und weiterhin viele Ideen und weiterhin dieses
streitbare Element, für die Freiheit der Kunst einzutreten,
auch diese Tapferkeit vor denen, die dann doch das Geld bereitstellen
müssen.
Das, was Sie hier erhalten, ist ja ein Märchenmotiv, dazu
noch sehr symbolisch: aus dem Pfennig ist ein Groschen geworden,
eine Mark oder ein Euro soll noch daraus werden, eigentlich heißt
das ja, dass man Ihnen die Kraft zutraut, Gold zu spinnen und aus
diesen symbolischen Dingen auch weiterhin kräftige Taler für
die Kultur zu machen. Ich bin ziemlich sicher, diese Hoffnung werden
Sie nie enttäuschen, solange Sie sich für Kunst und Kultur
einsetzen, und dafür möchte ich mich im Namen von uns
allen für Ihre Arbeit bedanken!