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nmz-archiv
nmz 2002/12 | Seite 15
51. Jahrgang | Dez./Jan.
Initiative
Konzerte für Kinder
Den Prozess gemeinsam in Gang halten
Stimmen und Stimmungen zum Abschluss der „Initiative Konzerte
für Kinder“
Die „Initiative Konzerte für Kinder“ der Jeunesses
Musicales Deutschland geht ihrem Ende entgegen. Über einen
Zeitraum von mehr als zwei Jahren haben wir versucht, Konzerte für
Kinder aus zahlreichen Blickwinkeln zu beleuchten: Methoden der
Konzertpädagogik in Fort- und Weiterbildung, Best-Practice-Modelle,
kultur- und bildungspolitische Perspektiven, Musikvermittlung im
internationalen Kontext. Diese und andere Aspekte haben gezeigt,
dass das Genre Konzerte für Kinder ein bislang wenig fokussiertes
und erforschtes Feld ist, obwohl das Thema Musikvermittlung „für
junge Ohren“ in Schulen, Orchestern und Ausbildungsinstitutionen
zunehmend diskutiert wird. Im Laufe von zwei Jahren konnte die Initiative
einige wichtige Impulse geben, die unter anderem zur Entwicklung
eigenständiger Projekte und zur Gründung neuer Initiativen
an verschiedenen Orten der Republik geführt haben. Damit wurde
ein Prozess in Gang gesetzt, dessen Ende noch lange nicht abzusehen
ist. Bleibt zu hoffen, dass immer mehr Entscheidungsträger
aus Kultur, Wirtschaft und Politik die dringend nötige Verantwortung
für diesen Bereich übernehmen. Denn eines ist sicher:
Konzerte für Kinder waren, sind und bleiben eine unverzichtbare
Investition in die Zukunft.
Barbara Stiller, Berthild Lievenbrück
Im Folgenden dokumentieren wir in Auszügen einige der Stellungnahmen,
die uns in den vergangenen Tagen erreicht haben. (Vollständig
sind sie auf unserer Homepage nachzulesen: www.konzerte-fuer-kinder.de)
Die „Initiative Konzerte für Kinder“ halte ich
für eine der wichtigsten bildungspolitischen Einrichtungen
der Gegenwart mit großer Strahlkraft auf alle Bereiche unseres
Musiklebens und -lernens und entscheidender Bedeutung für die
Zukunft unserer Musikkultur. Dass spannend inszenierte Konzerte
ein Ort des musikalischen Vergnügens, der Lust an gemeinsamer
ästhetischer Erfahrung und der nachhaltigen Bereicherung des
Lebens sein können, auch und gerade für Kinder und Familien,
diese im Grunde alte Einsicht verdanken wir neuerdings wieder der
Koki-Initiative, die sich wie auf viele Ebenen der musikalischen
Bildung und Ausbildung so auch auf meine Hochschullehre und Ensemblearbeit
gewinnbringend ausgewirkt hat. […] Vieles bleibt noch zu tun
auf dem Wege zu einer erfüllteren Konzertkultur, etwa die An-
und Einbindung des Konzertwesens in die schulischen und außerschulischen
Bereiche der Musikausbildung – Kindergarten, Musikschule,
allgemein bildende Schule, Hochschule, Laienmusizieren – im
Sinne eines umfassenden Konzepts von Musikerziehung und Musikerleben.
Um all dies und noch mehr ins Werk zu setzen, plädiere ich
mit Nachdruck für eine Fortsetzung, ja Intensivierung und Ausweitung
dieses wichtigen Projekts. Prof. Dr. Wolfgang Rüdiger, Robert- Schumann-Hochschule
Düsseldorf
[…] Ich wünsche mir, dass dieses beispielhafte Engagement
hinübergetragen wird in ein fest etabliertes, anregendes europäisches
Netzwerk. So, wie das im Musiktheater mit RESEO, dem „European
Network of Education Departments in Opera Houses“ schon umgesetzt
werden konnte. Gemeinsam könnten auch hier Frankreich, Deutschland
und unsere osteuropäischen Nachbarländer mit ihren guten
Beispielen voranschreiten. Benno Schnatz, Bonn
Seit zwei Jahren bewegt die „Initiative Konzerte für
Kinder“ einiges in Sachen Musikvermittlung. Konzerte für
Kinder sind kein Randthema eines internationalen Konzertbetriebes
mehr, sondern Basis und Herausforderung auf der Suche nach einem
spontanen kunstwilligen, jungen Publikum. Orchester erkennen ihren
Auftrag, neue und innovative Schritte auf ihr Publikum hin zu gehen,
Musiker begreifen sich als Musikvermittler, wenn sie ihre Programme
für Kinder und Jugendliche gestalten und Veranstalter sehen
neue Wege, ihr Publikum anzusprechen. Als Drehscheibe im pädagogischen,
veranstalterischen, öffentlichkeits- und meinungsbildenden
Bereich fungiert die „Initiative Konzerte für Kinder“.
Mit der Gründung eines lebendigen Netzwerkes von über
400 Institutionen, einer interaktiven Homepage und engagierter Öffentlichkeitsarbeit
setzte sie in den letzten Jahren wesentliche Impulse, um zum Thema
Konzerte für Kinder einen neuen Diskurs auf hohem Niveau anzuregen.
[…] Die Informationen aus dem Netzwerk sind eine Bereicherung
und helfen mit, diese Kunstsparte auch länderübergreifend
weiterzuentwickeln. Für die Zukunft der „Initiative Konzerte
für Kinder“ gibt es spannende Pläne. Die Jeunesse
Österreich möchte diese in enger Zusammenarbeit mit der
Initiative in die Tat umsetzen. Matthias Naske, Generalsekretär der Jeunesses Musicales
Österreich
Die Konzertpädagogik ist hierzulande noch eine recht junge
Disziplin, die in den letzten Jahren ein rasantes Wachstum zu verzeichnen
hat – sowohl auf Seiten des Angebotes wie auf Seiten der Nachfrage.
Dementsprechend wird an die Vergabe von Subventionen im Musikbereich
zunehmend der Wunsch geknüpft, das Geld möge so eingesetzt
werden, dass auch der junge Publikumsnachwuchs davon profitiere.
Andererseits sind jedoch viele Fördergremien in ihren satzungsmäßig
fixierten Strukturen nach wie vor auf eine strenge Trennung zwischen
entweder kulturellen oder pädagogischen Förderzwecken
festgelegt, so dass es schwer fällt, Institutionen zu finden,
die sich für die Förderung genuin konzertpädagogischer
Ansätze […] überhaupt zuständig fühlen.
Dass nun ausgerechnet die „Initiative Konzerte für Kinder“
zum Opfer dieser merkwürdigen Paradoxie öffentlicher Kulturförderung
wurde ist in unseren Augen besonders bitter. Anders als noch vor
wenigen Jahren besteht heute kein Mangel mehr an erfolgreichen Einzelinitiativen
und praxiserprobten Vermittlungskonzepten. Doch es lässt sich
noch immer beobachten, dass dieser Reichtum an Ideen und Erfahrungen
bei vielen großen Konzertveranstaltern kaum bekannt ist. Was
fehlt, ist eine überregionale professionelle Kontaktbörse
und Koordinierungsstelle – eine Aufgabe, der sich die „Initiative
Konzerte für Kinder“ zweieinhalb Jahre lang erfolgreich
gewidmet hat und deren Fortführung dringend nötig wäre.
Anke Eberwein, Büro für Konzertpädagogik, Köln
Impulse für meine Arbeit durch die Initiative Konzerte für
Kinder? Allein die ständige Präsenz durch den Newsletter
war für mich wichtig. Zu wissen, dass zur gleichen Zeit viele
Menschen an ähnlichen Projekten arbeiten wie ich, mit ähnlichen
Problemen zu kämpfen haben, sich über ähnliche Erfolge
freuen. Durch den Kongress 2001 bin ich mit einigen Kollegen in
Kontakt gekommen, mit denen ich jetzt noch in regem Austausch bin
– das ist sehr inspirierend. Auch einige der dort durchgeführten
Workshops schwingen in mir immer noch nach, und ich versuche, dort
aufgegriffene Ideen in meiner Arbeit in Bielefeld umzusetzen, sowohl
bei der Entwicklung von einzelnen Kinderkonzerten, als auch bei
der Netzwerkarbeit, die uns in Kontakt mit Kindern, Eltern und Schulen
bringt. Vermisst habe ich beim Kongress Fragen nach den „heiligen
Kühen“ … Natürlich, in meinem Inneren weiß
ich, dass Musik wichtig ist und wie viel sie mir bedeutet. Aber:
Wie mache ich das einem Politiker klar, der unter Umständen
nur seine Finanzen sieht, die selbstverständlich auch sehr
wichtig sind? […] Ein Nachfolgeprojekt der Initiative könnte
für mich ein „Markt der Ideen“ sein, bei dem Konzertformen,
Finanzmodelle und wissenschaftliche Ansätze dargestellt werden
zum Zugriff für alle Netzwerkmitglieder. Und Seminare sollten
angeboten werden, in denen Weiterbildung Konzertpädagogik und
Opernpädagogik angeboten wird, in denen erfolgreiche Projekte
für Kollegen aufgearbeitet werden und Neues entwickelt wird.
Ich glaube, dass nur durch noch engere Zusammenarbeit zwischen den
Kulturinstitutionen und konsequentes Bemühen um Menschen, die
mitarbeiten, die Wichtigkeit unserer Anliegen vermittelt werden
kann. […] Tilmann Böttcher, Orchestergeschäftsführer der
Bielefelder Philharmoniker
Wir haben – angeregt durch den Kongress „Neue Wege
für junge Ohren“ – einen „Arbeitskreis Konzerte/Musiktheater
für Kinder und Jugendliche“ in Berlin gegründet,
der alle Akteure der Stadt auf diesem Gebiet bündelt. Beglückt
konnten wir eine Vielzahl von Aktivitäten in diesem Bereich
feststellen – allerdings oft, ohne voneinander zu wissen.
Zukünftig wollen wir enger zusammenarbeiten, um gerade im Bereich
der Öffentlichkeitsarbeit Synergien zu entwickeln. Vielen Dank
für Eure wichtige Arbeit, wir wünschen uns noch viele
Projektnachfolger, die die europäische Vernetzung auf diesem
Gebiet vorantreiben, weitere Kongresse veranstalten und auch auf
politischer Ebene für dieses Thema streiten. Antje Valentin, Landesmusikakademie Berlin
Die Initiative ist nur so gut und effektiv, wie eben möglichst
viele Teilnehmer zu Wort kommen und übrigens auch so unterschiedliche
wie möglich. Außerdem wäre eine Liste mit Veranstaltern
und möglicherweise auch eine Aufstellung von Konzertprojekten
(vor allem exotische oder erstmalige) wünschenswert. Eine Auflistung
von spezifischen Internetadressen und Links zu entsprechenden Gruppen
könnte eine „Vernetzung“ von Publikum und Interpreten
überdies fördern. Auch ein Kontakt von Konzertveranstaltern
zu Konzertanbietern wäre hilfreich für die Suche nach
kompetenten Partnern für Gastkonzerte. Für Ihre Arbeit
in der JMD wünschen wir weiterhin viel Erfolg und vielleicht
das eine oder andere Mal in der näheren oder weiteren Zukunft
einen Blick „über den Tellerrand“ bis zu uns nach
NRW (Wuppertal) hinauf. Thomas Honickel, künstlerischer Leiter von „Kid´s
Klassik“
So etwas wie eine Veranstalterkartei und das entsprechende Pendant
von Seiten der Programm-Anbieter, gibt es das schon? Schwerpunkt
zumindest in der Berichterstattung etwas zu sehr in der Orchesterarbeit.
Ansonsten hättet Ihr bestimmt auch weiterhin noch zu tun. Dierk Zaiser, Rhythmiktheater Mobili
Die Stiftung Podium Junger Musiker wird sich in Zukunft noch stärker
dem Thema „Musikvermittlung“ widmen. Auch wenn Kinder
nicht unsere direkte Zielgruppe sind, bieten die Anregungen der
„Initiative Konzerte für Kinder“ der Jeunesses
Musicales Deutschland hilfreiche Anhaltspunkte für unsere Projekte.
Vor allem die Fachtagung in Heek im Mai diesen Jahres ermöglichte
den Einblick in einen umfangreichen Pool wertvoller Ideen […]
Vielleicht (hoffentlich) gibt es ja doch demnächst ein Nachfolgeprojekt! Ruth Jakobi, Geschäftsführerin Stiftung Podium Junger
Musiker
Das klingt ja traurig! Hoffentlich geht es hier weiter! Kopf hoch. Wolfhagen Sobirey, Präsident des Landesmusikrates Hamburg
Zur Pflege und Gestaltung von zukünftiger (Musik-)Kultur ist
es meiner Ansicht nach notwendig, das Thema „Konzerte für
Kinder“ dauerhaft ins öffentliche Bewusstsein zu bringen.
Dazu hat die Jeunesses Musicales mit ihrer Initiative in Zusammenarbeit
mit unterschiedlichen Partnern einen wichtigen Beitrag geleistet.
Zweifellos wird die positive Resonanz auf diese Aktivitäten
groß sein. Für mich ist eines der wichtigsten Ergebnisse,
dass […] nicht nur ein Qualitätsbewusstsein in Bezug
auf die Musik selbst diskutiert wurde, sondern dass auch dazu beigetragen
wurde, ein Qualitätsbewusstsein für die Konzertveranstaltungen
selbst zu etablieren. […] Etwas schwach repräsentiert
fand ich in der Auswahl beispielhafter Projektvorstellungen solche,
die sich an Schulen als Publikum richten. Müssen nicht gerade
in Schulen (und Kindergärten!) deutliche Akzente bei der Musikvermittlung
gesetzt werden, da hier doch das beste Abbild der zukünftigen
kulturtragenden Gesamtgesellschaft zu finden und damit zu formen
ist? Die Fachtagung in Heek hat mir deutliche Defizite gezeigt,
die es noch zu bewältigen gibt: Vor allem müssen gemeinsame
Ebenen des Verständnisses und der Kommunikation gefunden werden:
intern und besonders in der Zusammenarbeit von Musikern, Musikpädagogen,
Musikwissenschaftlern sowie bei den für die Jugendarbeit zuständigen
Institutionen bis hin zu Kulturpolitikern. […] Christoph Gotthardt, Musikpädagoge in Frankfurt am Main
[…] Vor etwas mehr als zwei Jahren hat die Jeunesses Musicales
Deutschland mit der Gründung der „Initiative Konzerte
für Kinder“ die omnipräsente Angst der Musiker,
Musikliebhaber, Musiklehrer und Veranstalter um die Zukunft der
klassischen Musik […] in eine positive Richtung gelenkt. […]
Auf nationaler Ebene war bis dahin niemand bereit, diese Aufgabe
zu formulieren, geschweige denn zu tragen. Es gab zwar vereinzelte
– meist regionale – Initiativen, die sich auf dem Gebiet
der Vermittlung versucht haben […], von einem nationalen Bewusstsein
waren wir jedoch meilenweit entfernt. Die Gründung der Initiative
war eine Mischung aus Weitsicht und dem Gespür für Zeitgeist,
sie hat den Nerv aller Beteiligten getroffen. Unter ihrer Federführung
haben sich alle gesammelt, die etwas bewirken wollen und dabei gleichzeitig
akzeptieren, dass sie in den eigenen Aktivitäten doch einigermaßen
eingefangen sind und dringend Impulse von außen brauchen.
[…] Die Ausgangssituation hat sich nicht grundsätzlich
geändert, wir haben keinen Grund zur Passivität. Deswegen
an dieser Stelle ein Appell an alle 450 Netzwerkler (die Kokis inbegriffen):
Lasst uns unbedingt weitermachen! Lasst uns laut sagen, dass wir
dringend Unterstützung brauchen und bereit sind, dafür
etwas zu tun! Zuzana Pesselová, Glocke Bremen