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nmz-archiv
nmz 2002/12 | Seite 31
51. Jahrgang | Dez./Jan.
Laienmusik
Der Koalitionsvertrag – Chance für das Ehrenamt
Eine neu konzipierte Vereinssteuererklärung tut not ·
Von Nico Lauxmann und Stefan Liebing
Die Bundesregierung ist vom Wähler im September bestätigt
worden und hat ihre politischen Vorstellungen im Koalitionsvertrag
niedergeschrieben. Über 90 Prozent des Musiklebens in Deutschland
ist ehrenamtlich organisiert. Wie die Bundesregierung dieses gesellschaftliche
Engagement unterstützen möchte, eine Untersuchung der
politischen Rahmenbedingungen für das Ehrenamt anhand der Aussagen
im Koalitionsvertrag, dies versucht der Artikel zu erklären.
Bereits in der Präambel wird zum erste Mal vom Ehrenamt gesprochen.
Es heißt, dass die rot-grüne Regierung „auf das
soziale Engagement im Ehrenamt, in den Kirchen und in den Wohlfahrtsorganisationen
setzt“. Ob es sich hierbei um ein reines Lippenbekenntnis
von Politikern oder um einen Ausgangspunkt für konkrete Unterstützung
des Ehrenamts handelt, dies lässt sich anhand anderer Aussagen
der Koalitionsvereinbarung beurteilen.
In der Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände e.V. (BMDV)
musizieren über 11.000 Vereine und engagieren sich dadurch
im ehrenamtlichen Bereich. Problematisch bei Bewältigung dieser
ehrenamtlichen Arbeit ist sicherlich die jährliche Steuererklärung.
Die Vorschriften und Gesetze sind im Laufe der Zeit immer komplizierter
geworden. Dies hat zur Folge, dass es einer ehrenamtlichen Vereinsführung
unter Berücksichtigung aller komplizierter Verfahren beinahe
unmöglich geworden ist, eine fehlerfreie Steuererklärung
abzugeben. Noch nicht einmal Verbände mit hauptamtlicher Unterstützung
haben eine Übersicht über die komplexen Vorschriften,
dies zeigt auch die derzeitig schwierige Situation des Deutschen
Musikrats. Die Verantwortlichen in den Vereinen sind mit Themen
wie Wirtschaftskontrolldienst, Urheberrecht, Sozialversicherungsrecht
und steuerrechtlichen Problematiken so überlastet, dass die
Gefahr besteht, dass die eigentliche Aufgabe, nämlich das ehrenamtliche
Musizieren, in den Hintergrund gedrängt wird.
Im Koalitionsvertrag ist zur Steuerpolitik und zu den dazugehörenden
Gesetzen festgelegt, dass „die Modernisierung und Vereinfachung
der Steuerpolitik“ ein Ziel der Bundesregierung sei. „Eindämmung
der Normenflut“ sowie eine Verringerung der Änderungsgesetze,
dies hat sich die rot – grüne Regierung vorgenommen.
Eine nähere Ausführung, eine eventuelle Vereinfachung
für bestimmte gesellschaftliche Gruppen, davon ist im Koalitionsvertrag
nichts beschrieben. Auch konkrete Projekte sind nicht genannt. Dabei
könnte eine vereinfachte Steuererklärung eine wesentliche
Entlastung für Vereine und deren ehrenamtlichen Verantwortlichen
darstellen. Würde die Bundesregierung ein System entwickeln,
nach dem gemeinnützige Vereine in der Lage wären, ihre
jährliche Steuererklärung auf lediglich einer Formularseite
abzugeben, so wäre diese die beste Förderung für
das musizierende Ehrenamt, die wir uns derzeit in Deutschland vorstellen
können.
Eine Steuererklärung, die in Einnahmen und Ausgaben gegliedert
ist und bei beiden Haushaltspositionen die wirtschaftliche Tätigkeit
separat ausweist, wäre praktikabel und aussagekräftig.
Übersteigt der aufgrund dieser einseitigen Steuererklärung
ausgewiesene Gewinn einen noch festzulegenden Betrag nicht, so sollte
dieser Gewinn von der Körperschaftssteuer befreit werden. Abweichend
von der bisherigen Regelung dürfte nicht eine Umsatzgrenze
sondern eine Gewinngrenze entscheidend sein.
Diese Konzeption einer „Vereinssteuererklärung“
hätte für Vereine und für den Staat eine Menge an
Vorteilen zu bieten. Die Vereine hätten praktikable Anwendungen,
die im ehrenamtlichen Bereich bewältigt werden könnten.
Der Staat könnte bei diesem Modell mit voraussehbaren und regelmäßigen
Einnahmen aufgrund der Körperschaftssteuer profitieren.
Deshalb gilt es von allen Ehrenamtsverbänden die Modernisierung
und Vereinfachung der steuerlichen Vorschriften und Gesetze zu fordern
und sich bei den politischen Vertretern und bei der Bundesregierung
für eine vereinfachte Steuererklärung für Vereine
einzusetzen.
Die Förderung von Kindern und Jugendlichen steht in der Aufgabenpriorität
vieler Vereine und Verbände an erster Stelle. Schließlich
kümmern sich Tausende von Vereinsmitgliedern um ehrenamtlich
engagierte Jugendliche und nehmen dadurch eine für die Gesellschaft
in Deutschland nicht mehr wegzudenkende Aufgabe war. So sind zum
Beispiel in der Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände e.V.
(BDMV) 60 Prozent der aktiven Mitglieder in den Orchestern Kindern
und Jugendliche. Diese Funktion der Vereine und Verbände sollte
durch eine aktive und fördernde Politik der Regierung unterstützt
werden.
„Kinder wachsen in unserer Gesellschaft anders auf als früher.
Neben den Familien tragen zunehmend auch gesellschaftliche Gruppen
und Institutionen Verantwortung für die Entwicklung von Kindern
und Jugendlichen. In einer breiten Allianz mit Kindern und Jugendlichen
wollen wir die Zukunftschancen unserer jungen Generation verbessern
und sie zum Mitgestalten gewinnen. Wir werden ihnen den notwendigen
Schutz, aber auch die Freiräume geben, die sie brauchen, um
ihren Platz in unserer Gesellschaft zu finden.“, so die Aussage
im rot-grünen Koalitionsvertrag. Diese Aussage deckt sich sicherlich
mit den Meinungen in Vereinen und Verbänden und es herrscht
in diesem Punkt eine Übereinstimmung der Ziele der Bundesregierung
sowie der Zwecke, die die Ehrenamtlichen bei der Arbeit mit Kindern
und Jugendlichen erreichen möchten. Diese Aussage hätte
aber auch konkretisiert werden müssen. Erwerben doch Kinder
und Jugendliche bei der ehrenamtlichen Arbeit in Verbänden
und Vereinen die sogenannten Schlüsselqualifikationen, die
im späteren Hauptberuf immer wichtiger werden. Diese Vermittlung
der Schlüsselqualifikationen, das Lernen von Teamarbeit, die
Fähigkeit zur Kommunikation, Entwicklung der Überzeugungskraft
sowie das Mitwirken an demokratischen Prozessen in Vereinen und
Verbänden, dies ist ein Angebot an Kinder und Jugendliche.
Ein gesunder Altersmix in den Vereinen und Verbänden führt
zu Vielfältigkeit und zeichnet das ehrenamtliche Engagement
in Deutschland aus.
Dies bezeichnet die Bundesregierung die Bürgergesellschaft
und schreibt folgendes: „Bürgergesellschaftliches Engagement
ist unverzichtbar für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.
Wir [Anmerk. d. Verf.: rot – grüne Koalition] werden
auch in Zukunft die Vielfalt des Engagements von Bürgerinnen
und Bürger in Vereinen, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und
anderen Organisationen in Ehrenämtern, Selbsthilfegruppen,
Freiwilligendienste und anderen Formen nach Kräften unterstützen.
Wir [Anmerkung des Verfassers: rot-grüne Koalition] werden
auf der Grundlage der Handlungsempfehlungen der Enquete –
Kommission „Zukunft des bürgerlichen Engagements“
prüfen, wie der gesetzliche Rahmen für die Freiwilligenarbeit
weiter entwickelt werden kann und weitere Initiativen zur Verbesserung
des freiwilligen Engagements starten“. Die Wichtigkeit des
bürgerschaftlichen Engagements hat die Bundesregierung erkannt.
Aber auch bei diesem Thema werden keinerlei konkrete Vorschläge
gemacht, um die Vereine und Verbände zu unterstützen oder
zu entlasten. Lediglich wird auf die Empfehlung der Enquete –
Kommission der letzten Legislaturperiode verwiesen.
Als Fazit der rot-grünen Koalitionsvereinbarung ist zu sagen,
dass man anhand der getroffenen Aussagen ableiten kann, dass das
Ehrenamt und die tägliche Arbeit als unverzichtbar gewürdigt
wird. Konkrete Förderungsprojekte sind aber nicht erwähnt
und dargestellt. Eine Absicht zur besseren Förderung und Entlastung
wird zwar im Koalitionsvertrag erwähnt, diese Erwähnungen
münden aber nicht in konkrete Handlungsabsichten.
Es ist darauf zu hoffen, dass die zurzeit kritische finanzielle
Lage der öffentlichen Haushalte nicht auf dem Rücken der
ehrenamtlich Tätigen ausgetragen wird. Die vor wenigen Wochen
diskutierte Streichung der Abzugsfähigkeit bei Spenden für
Vereine und die Zurücknahme der Pläne aufgrund massiver
Proteste von Lobbyisten zeigt aber deutlich, dass die Funktionsträger
hier keine allzu großen Hoffnungen darauf setzten sollten.
Deshalb ist es eine Aufgabe der Dachverbände, den ständigen
Kontakt und die Diskussion mit politischen Vertretern zu suchen
und diese Treffen mit konkreten Vorschlägen und umsetzbare
Konzepte für Änderungen zu bereichern. Nur so wird den
politisch Verantwortlichen die Lage der Vereine und Ehrenamtlichen
tagtäglich deutlich gemacht. Auch eine Koordination der Aktivitäten
der Ehrenamtsvereine auf diesem Gebiet ist wichtige Voraussetzung,
der Stimme der Ehrenamtlichen ein größeres Gewicht zu
verleihen.
Wenn nicht bald etwas passiert, könnte für das ehrenamtliche
Engagement in Deutschland bald eine schwierige Zeit anbrechen.