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nmz-archiv
nmz 2002/12 | Seite 6
51. Jahrgang | Dez./Jan.
Musikwirtschaft
Die Erfolgsgeschichte eines Orchideenfaches
Die Ausbildung zum Kultur- und Medienmanager ist begehrter denn
je
Seit den achtziger Jahren kann man in Deutschland Kultur- und (wie
heute mancherorts genannt) Medienmanagement studieren. Das Berufsfeld
des Kulturmanagers boomt. Immer neue staatliche und private Studien-
und Ausbildungsorte entstehen in Deutschland, in Österreich
und in der Schweiz. Studium und Beruf des Kulturmanagers haben sich
nach anfänglichen Zweifeln etabliert. Was fehlt, ist aber nach
wie vor eine Verständigung über Qualitätsstandards.
Die Berufsbezeichnung „Kulturmanager“ ist ungeschützt.
Wer will, kann sich mit dieser Bezeichnung schmücken.
Im angelsächsischen Raum, wo öffentliche Gelder für
Kultur seit jeher knapp sind, hat das Berufsbild und auch die Ausbildung
zum Kulturmanager Tradition. Ob in Bloomington, Boston, Chicago,
Washington, New York, in Toronto, Banff oder in London ist Arts-
oder Cultural Management eine etablierte universitäre Disziplin.
An deutschsprachigen Universitäten und Hochschulen ist dieses
Fach dagegen noch relativ jung. Zwar kann man an der Universität
für Musik und darstellende Kunst in Wien Kulturmanagement schon
seit 1979 studieren, erst seit Mitte der achtziger Jahre jedoch
entstehen immer mehr Institute für Kultur- und Medienmanagement
an deutschsprachigen Hochschulen und Universitäten. Und auch
private, kommerzielle Anbieter drängen seit einigen Jahren
zunehmend in diesen Ausbildungsmarkt. Untersuchungen des Bonner
Zentrums für Kulturforschung konstatieren in der Publikation
KulturForschung (16, Nr. 1, 2001) insgesamt 83 Studiengänge
und Qualifizierungsmaßnahmen. Die Nachfrage nach Studienplätzen
für die Kulturmanagement-Ausbildung ist ungebrochen. Die Hoffnung
auf bessere Chancen am Arbeitsmarkt spielen dabei sicherlich ebenso
eine Rolle wie auch (in Zeiten knapper werdender Gelder) der zunehmende
Druck zum wirtschafltichen Denken und Handeln in Kulturinstitutionen.
Die Studienangebote lassen sich grob in drei Ausbildungsarten
und Zielgruppen kategorisieren: Grundstudien für Studienanfänger,
Aufbaustudiengänge für Berufsanfänger und sogenannte
Weiterbildungsangebote für Berufspraktiker. Grundstudien, das
heißt zum Teil achtsemestrige Diplom- und Magisterstudiengänge
mit Kulturmanagement-Schwerpunkten bieten beispielsweise die Universität
Hildesheim (Kulturpädagogik, Kulturwissenschaften und ästhetische
Praxis), die Universität Leipzig (Kulturwissenschaften) oder
die Universtität Lüneburg (Angewandte Kulturwissenschaften).
Der Weg für Berufsanfänger, man möchte fast sagen
der klassische Weg, scheint heute nach oder neben einem regulären
Studium der Geistes-, Sozial-, Wirtschafts- oder Rechtswissenschaften
ein meist viersemestriges Aufbaustudium Kulturmanagement zu sein.
Dazu gehören – um nur einige herauszugreifen –
die Institute für Kultur- und Medienmanagement mit langjähriger
Erfahrung wie beispielsweise an der Universität für Musik
und darstellende Kunst Wien, an der Hochschule für Musik „Hanns
Eisler“ in Berlin, der Hochschule für Musik und Theater
Hamburg oder an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Seit
einiger Zeit bietet auch die Hochschule für Musik „Franz
Liszt“ in Weimar ein Kulturmanagementstudium an, als Aufbaustudium
oder als Nebenfach. Zur dritten Kategorie gehören die stärker
auf Weiterbildung bedachten und berufsbegleitenden Kulturmanagementstudien.
So bietet beispielsweise die Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
neben dem Aufbaustudium ein so genanntes weiterbildendes Kontaktstudium
für Berufspraktiker an. Kultur- und Bildungsmanagement kann
man auch berufsbegleitend an der Hochschule für Wirtschaft
und Politik in Hamburg studieren. An der Fern-Universität Hagen
haben schon viele Kulturmanager ihre Tätigkeit weiterbildend
und berufsbegleitend mit einem Diplom abgeschlossen. Und auch an
der Universität Basel kann man seit zwei Jahren Kulturmanagement
zu einem stolzen Preis von 18.000 Schweizer Franken vier Semester
lang berufsbegleitend studieren.
Die Studieninhalte der unterschiedlichen Ausbildungen tangieren
kulturrelevante Bereiche der Volks- und Betriebswirtschaftslehre,
der Rechtswissenschaften, der Geisteswissenschaften, der Politik
und der Kommunikationswissenschaften.
Kernkompetenzen werden vermittelt, die von den Eigenheiten des
Produkts „Kultur“, des Betriebs, des Markts und des
Marketings bis zu den üblichen Managementtechniken reichen.
Ein Koffer voller Handwerkszeug ist das Eine; was aber macht den
studierten Kulturmanager zu einem kompetenten Praktiker? Neben dem
Handwerkszeug auch die Begabung. Eine Begabung, Werturteile fällen,
kulturelle Kompetenz und Qualität erkennen und beurteilen zu
können, eine Begabung, kommunizieren zu können und darüber
hinaus vielleicht sogar eine gewisse praxisnahe, unakademische Bodenständigkeit.
Die Lehrinhalte sind bei allen Studienangeboten recht ähnlich.
Bei den Kosten für ein Studium, dem Bekanntheitsgrad der Dozenten
und bei den Möglichkeiten, berufliche Kontakte zu knüpfen
und ein Netzwerk der Beziehungen aufzubauen, gibt es allerdings
große Unterschiede; so beschreibt eine jüngst diplomierte
Kultur- und Medienmanagerin der Hochschule für Musik und Theater
Hamburg den großen Vorteil ihres Ausbildungsortes: „Die
Kontakte werden auf dem Silbertablett serviert, man muss nur zugreifen“
– eine für andere Studienorte geradezu traumhafte Voraussetzung.
Die Wahl des Studienortes ist wichtig. Man sollte sich, wenn man
sich für eine solche Ausbildung entscheidet, über seine
Motive und Erwartungen im Klaren sein: Dabei kommt es vor allem
auf die Eigeninitiative an; wer vorher nicht wusste, was er will,
weiß es hinterher meist auch nicht.
Die Ausbildung zum Kulturmanager boomt, es gibt immer neue Studienorte,
es streben immer mehr Menschen in diesen Beruf und es entstanden
in den letzten Jahre neue Berufe, die bis dahin in Deutschland niemand
für möglich oder nötig gehalten hatte: beispielsweise
der Beruf des Geldbeschaffers, des „Fundraisers“. Das
Studium Kulturmanagement – eine „unglaubliche Erfolgsgeschichte
eines Orchideenfachs“, wie Klaus Siebenhaar von der Hochschule
für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin es nennt. Braucht
man das in dieser Masse? Gibt es hier gar eine Entsprechung zum
volkswirtschaftlichen Konjunkturzyklus mit Hausse und Baisse, mit
Aufschwung, Hochkonjunktur, mit Rezession und Depression? Hochkonjunktur
im Ausbildungsmarkt Kulturmanagement und Depression im Stellenmarkt?
Produzieren die Universitäten ein Überangebot an Kulturmanagern?
Sind vorgezeichnete Bildungsgänge mit der Gründung neuer
Studiengänge wie des Kulturmanagements ein Weg, der auch den
Universitäten zu mehr Renommee verhelfen soll? In der Wirklichkeit
sind Musterkarrieren bisher relativ selten. Quereinsteiger sind
eher Regel als Ausnahme. Das Studium des Kulturmanagement ist eine
Chance, nicht aber die einzige Möglichkeit.