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nmz-archiv
nmz 2002/12 | Seite 23
51. Jahrgang | Dez./Jan.
Pädagogik
Erfolgreiches Ringen mit dem schwer Verdaulichen
Premiere eines Wettbewerbs im Rahmen der Weidener „Max-Reger-Tage“
48 Veranstaltungen, 82 Künstler, 7.000 Besucher – das
sind die diesjährigen Weidener „Max-Reger-Tage“
in nackten Zahlen. Um die alleine geht es freilich nicht, sagt Prof.
Kurt Seibert, der künstlerische Leiter des Festivals. Regers
nach wie vor vernachlässigte Musik hineinzutragen in den Musikbetrieb,
sie gerade jungen Künstlern und Studenten nahe zu bringen,
das sei das große Anliegen. Deshalb auch der heuer erstmals
ausgetragene Wettbewerb mit – Achtung: Zahlen! – 32
Bewerbungen, zehn Ensembles in der Endrunde und einem Preisgeld
von insgesamt 18.000 Euro.
Weiden, die Stadt, in der Reger aufgewachsen ist und später
seine fruchtbarsten Jahre erleben sollte, „leistet“
sich die „Max-Reger-Tage“ seit 1999, stellt Büroräume
zur Verfügung und heuer auch 10.000 Euro, die zusammen mit
dem „Förderpreis der Stadt Weiden“ im Rahmen des
erstmals ausgetragenen Wettbewerbs vergeben wurden. Aber Weiden
ist es eben nicht allein, wo – im wahrsten Sinne des Wortes
– die Musik spielt.
Preisträger: Claudia
Schneider und Lukas Maria Kuen.
Foto: Göttinger
Die Reger-Tage sind längst in einer ganzen Reihe von Städten
und Gemeinden in der nördlichen Oberpfalz vertreten. Konzertiert
wird dabei in einer industriellen Fertigungshalle ebenso wie in
einem barocken Klostersaal, und wenn es sein muss auch mal „open
air“. Ein „Netzwerk an Auftrittsmöglichkeiten“
nennt Kurt Seibert das, den Versuch, die überaus komplexe Musik
Regers auch auf’s platte Land zu tragen und neue Publikumsschichten
zu erschließen. Offensichtlich mit wachsendem Erfolg. „Das
Feedback war heuer enorm“, sagt Seibert, „wir hatten
in manchen Konzerten mehr als doppelt so viele Besucher wie noch
im letzten Jahr.“
Das ist schon deshalb erstaunlich, weil die Musik Regers allgemein
als schwer verdaulich gilt. Auch unter Musikern, Musikwissenschaftlern,
Kritikern. Peter Cossé, in Salzburg lebender Musikjournalist
und Mitglied der hochkarätig besetzten Jury, die über
die Preisvergabe beim erstmals ausgetragenen Wettbewerb im Rahmen
der „Max-Reger-Tage“ zu entscheiden hatte, spricht denn
auch unumwunden von Vorurteilen gegenüber Reger. Diese Vorurteile
auszuräumen, und zwar bei Publikum wie Künstlern, ist
für Cossé die vordringlichste Aufgabe von Festival und
Wettbewerb. Regers Musik sei halt nicht einfach nur überdimensioniert,
wie viele glaubten, sondern besitze unglaubliche Tiefe, ja mitunter
sogar eine gewisse Leichtigkeit – in vielen der Scherzi zum
Beispiel.
Freilich, das räumt Cossé ein, würde sie vor
allem den Musikern auch so ihre Schwierigkeiten bereiten. Kein Wunder:
Reger taucht in der Ausbildung an den Musikhochschulen so gut wie
überhaupt nicht auf. Schallplatteneinspielungen, die zum Vergleich
herangezogen werden könnten, sind rar oder gar nicht vorhanden.
Von einer durchgängigen Rezeptionsgeschichte ganz zu schweigen.
Der Wettbewerb, bei dem in der Endrunde zehn Kammermusikensembles
ein komplettes Konzertprogramm gestalten mussten, in dessen Mittelpunkt
Reger zu stehen hatte, diente deshalb auch dazu, dies zu ändern.
Schillernd sei das Niveau gewesen, auf dem gesungen und gespielt
wurde, sagt Cossé, höchst unterschiedliche Leistungen
seien erbracht worden. Mancher hätte die Schwierigkeiten schlichtweg
unterschätzt. Exzeptionell hingegen hätten sich die Gewinner
des „Förderpreises der Stadt Weiden“ präsentiert.
Tatsächlich haben die Mezzosopranistin Claudia Schneider und
ihr Pianist Lukas Maria Kuen mit ihrer enormen Gestaltungskraft
den vorgetragenen Reger- und Richard-Strauss-Liedern eine ungeheure
Plastizität verliehen.
Ob sie zu jenen Multiplikatoren gehören, die sich Kurt Seibert
wünscht? Das ist jedenfalls die Strategie des Festivals: Den
Nachwuchs an Reger heranführen, ihn in Meisterkursen zu schulen,
Auftrittsmöglichkeiten zu bieten, mit den Hochschulen zusammen
zu arbeiten. Und natürlich das Publikum für Reger und
die Musik zu Beginn des letzten Jahrhunderts zu begeistern.