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nmz-archiv
nmz 2002/12 | Seite 22
51. Jahrgang | Dez./Jan.
Bücher
Anregend, aufregend, zupackend
Alexander Suder zieht zu seinem 75. Geburtstag ein kulturpolitisches
Resümee
Für bürgerliche Courage in MUPO, MEPO und VEPO ist die
neue Maßeinheit ein „SUD“. Und einer, der sich
so engagiert, heißt dann einfach SUDer. Und den gibt es wirklich.
Er selbst, Alexander L. Suder, legt Zeugnis ab von unzähligen
Guinnesbuch-verdächtigen „SUDs“, von unablässigen,
freiwilligen, eigenverantwortlichen Crescendo-Einsätzen in
Musik-, Medien- und Verbands-Politik, 50 Jahre lang. Vielleicht
als Frustausgleich für doch allzu begrenzte Musikresonanz bei
Techno-Fachhochschülern? Seine Liebe zur Musik, vom Elternhaus
geprägt, ist einer der SUDer’schen Aktivposten, die andere
Triebfeder seine ungebändigte Unruhe, für die Musik etwas
tun zu wollen. Sein Unbehagen über den miesen Stellenwert der
Musik im öffentlichen Bewusstsein traf mitten hinein in jene
Nachkriegs-Aufbruchstimmung. Die Musikszene suchte sich neu zu orientieren,
neu zu organisieren, brauchte Partner in Legislative, Exekutive
und Medien und fand sie auch.
Von all dem erzählen diese 250 Seiten. Hier lässt der
Autor noch einmal seine Aufsätze, Ansprachen, Vorträge,
Gruß-, Lob- und Dankesworte, Eingaben und Interviews, ein
Gutteil als nmz-Reprint, Revue passieren. All diese An- und Aussprachen
stammen von ihm, der den Marsch durch und mit den Institutionen
im Interesse der Musik in und für unsere Gesellschaft gut und
gerne, ja beispielgebend ging. Sein 75. Geburtstag war für
den Bayerischen Kulturfonds ein guter Anlass, all das dokumentieren
zu lassen, weil es zugleich ein besonders anschauliches Stück
jüngster Geschichte erfolgreicher Kultur- und Verbandspolitik
in Bayern darstellt. Den Umgang mit der Bundespolitik einschließend.
Im Ergebnis einzigartig für den wiedergefundenen Stellenwert
der Musik im Freistaat, aber wie nachhaltig?
Die Szene beginnt, wie der noch junge Spund gar nicht zimperlich
das Allgemeine Deutsche Mammutmusikfest seines Fast-Ziehvaters Fritz
Büchtger, weiland Tonkünstlerpräsident, madig macht,
um Jahre später selbst ein oder mehrere solche auf Bayerns
Beine stellt. Neunzig solcher Rückblicke. Sie reichen bis zu
ganz persönlichen Geständnissen zu Kirche, Kirchenmusik
und Glaubensfragen, bis zur Kritik an der permanenten Allgemeinverfügbarkeit
von Musik – und niemand hört zu. Dass aber die Politiker
zunehmend zuhörten und reagierten bei all den Appellen und
Fürsprachen, die Suder wesentlich mit inszeniert hat, das ist
zweifellos sein Erfolg, auf den er stolz sein darf.
Er fand offensichtlich die richtigen Argumente im Kampf um die
„schleichende Auszehrung“ der Musik in unserer Schule
– ein Kampf wie gegen Windmühlen. Im Eintreten für
bessere soziale Sicherung der freiberuflichen (Ton-) Künstler.
Um Sicher- und Besserstellung von Bayerns Musikpflege in allen Bereichen
und Ressorts des Laien- und Profi-Musizierens. Dies führte
folgerichtig – vor 25 Jahren – zum bundesweit ersten
auf Landesebene agierenden (Bayerischen) Musikrat, den er zwei Dezennien
lang im Ehrenamt auf Trapp zu halten verstand, für den er unermüdlich
Motor und Vorausdenker war. Hier trafen sich Büchtgers Aktionsgemeinschaft
Musik und die AG der singenden und musizierende Laien, um gemeinsam
dem Parlament und Minister den ersten (zehn Jahre später einen
zweiten) Bayerischen Musikplan als Wunsch-, Forderungs- und Förderungskatalog
zuzuspielen und – welch ein (Suder-) Glück der Stunde
– auch dort angenommen und weitgehend umgesetzt zu werden.
Quasi Sanierungs- und Entwicklungspläne für die kränkelnde
Musiklandschaft. Sie wirkten sich segensreich aus, beispielsweise
in Form dreier Bayerischer Musikakademien, in 200 finanziell mitgetragenen
Sing- und Musikschulen, in etlichen Projekten zur Begabtenförderung
oder auch in Erhaltungshilfen für nichtstaatliche Orchester.
Errungen zwar der Platz im Rundfunkrat, aber noch nicht zu Ende
das Ringen um den Spiel- und Hörraum der Musik, um den Sendeplatz
im Hör- und Fernsehradio. Und nie Endzeit, den Umgang zu üben
mit der Macht der Medien. Suders ertragreiches Resümee zeigt
in aller Deutlichkeit, wie man lernen kann anzuregen, aufzuregen
und zuzupacken.
Eckarts Rohlfs
Alexander
L. Suder: Anregen – aufregen – zupacken. Publikationen
zu Musik, Medien und Politik 1953–2001, ConBrio
Verlagsgesellschaft 2002