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nmz-archiv
nmz 2003/12 | Seite 13
52. Jahrgang | Dez./Jan.
Forum
Die Integration war ein wesentliches Merkmal
Anmerkungen zum Beitrag „Ein Hochschulmodell mit Perspektiven“,
nmz 9/03, Seite
3
Es ist für mich langsam eine Zumutung, mit welcher Ignoranz
gelebte Geschichte des ostdeutschen Teils dieser Republik schlichtweg
übergangen wird .
Wenn in der nmz 9/03 unter der Rubrik „Zukunftswerkstatt“
über die Ausbildung von Schulmusikern an Pädagogischen
Hochschulen nachgedacht wird, dann vergisst der Autor in seinen
historischen Betrachtungen sowohl die bloße Existenz solcher
Einrichtungen in den neuen Bundesländern bis 1991 als auch
die Erfahrungen, die man dort über 30 Jahre in der Ausbildung
von Schulmusikern gemacht hat. Welchen Stellenwert die Pädagogischen
Hochschulen hatten, lässt sich etwa daran ermessen, dass die
Hochschule, an der ich beschäftigt war – die PH Zwickau
– als größte musiklehrerbildende Einrichtung in
er DDR galt. Die Auflösung und „Integration“ des
Lehrerstudiums dieser Hochschule in die Technische Universität
Chemnitz führte zu Übernahme von 10 und zur Kündigung
von 50 hoch qualifizierten wissenschaftlichen und künstlerischen
Lehrkräften, übrigens ohne Abfindungen, Sozialplan, geschweige
denn Übernahmeangeboten.
Warum die PHs eliminiert wurden, kann man nur vermuten: Vielleicht
gab es eine Tendenz, alles, was nach Erfolg „roch“,
rasch zu ideologisieren, dann zu evaluieren, meist also zu liquidieren,
weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte. Unterschätzt
wird so beispielsweise bis heute, mit welcher Akribie und mit welchem
Sachverstand sich Mitarbeiter und Studierende um Reformen gerade
in den Pädagogischen Hochschulen bemühten. So waren gerade
die achtziger Jahre geprägt von einer umfassenden Diskussion
zur Kennzeichnung von Niveaustufen des pädagogischen Könnens
im Ausbildungskonzept der zukünftigen Lehrer.
Während es in einer ersten Stufe des Studiums vor allem um
die Ausprägung der Befähigung, pädagogische Aufgaben
auf geistig modellierender, theoretisch analysierender Ebene zu
meistern, ging, umschloss die zweite Niveaustufe die Befähigung
zum Erteilen des Fachunterrichts unter Berücksichtigung aller
Ebenen und Phasen der Lehrertätigkeit.
Die dritte Stufe, die schulpraktische Ausbildung, die im Lehrerstudium
in einem 5. Studienjahr – nach vorangegangenen schulpraktischen
Übungen – integriert war, war gekennzeichnet durch die
Befähigung in einem ausgewogenen Verhältnis von Anleitung
und Eigenverantwortung den Unterrichtsprozess zu gestalten und aktiv
bei allen anderen pädagogischen Aufgaben mitzuwirken. Die Integration
der Voraussetzungen und Beiträge aus allen Lehrdisziplinen
war wesentliches Merkmal dieser Stufe. Diese so verstandenen Niveaustufen
der Entwicklung des pädagogischen Könnens im Ausbildungsprozess
boten einen Rahmen für Überlegungen zur generellen Könnensentwicklung,
da sie halfen, die Beiträge der einzelnen Lehrdisziplinen zu
koordinieren und ihre Inhalte genauer zu bestimmen und auszuwählen.
Plausibel sind mir die Vorzüge der Zweiphasigkeit gegenüber
der Einphasigkeit deshalb bis heute nie so recht geworden.
Inzwischen gibt es nur noch Wenige, die über die Ausbildung
von Musiklehrern an Pädagogischen Hochschulen in der DDR etwas
aussagen wollen – zu groß ist die Enttäuschung
darüber, dass ihre Erfahrungen im vereinten Deutschland überhaupt
nicht gefragt sind oder permanent in die linke, indoktrinäre
Ecke gestellt werden. Schade eigentlich!