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nmz-archiv
nmz 2004/09 | Seite 15
53. Jahrgang | September
Hochschule
Musikhochschule Münster macht’s ab sofort
Drei Bachelor of Music-Studiengänge ab dem Wintersemester
2004/05 · Von Hartwig Maag
Nein, uns ereilt kein Hitzschlag in diesem doch noch erwähnenswerten
Sommer. Aber die Musikhochschule in Münster macht’s möglich
– nicht nur in dieser sprachlichen Alliteration, sondern mit
der Einführung der ersten künstlerischen und künstlerisch-pädagogischen
BA-Studiengänge an nordrhein-westfälischen Musikhochschulen.
Ein kleiner Blick zurück:Die Empfehlungen der Musikkommission
über Impulse und Modelle für das zukünftige Musikstudium
in Nordrhein-Westfalen aus dem Jahre 2002 setzte die Landesregierung
zügig in Reformen um.
Seit dem 1. April 2004 bildet die Musikhochschule Münster
einen eigenständigen Fachbereich innerhalb der Westfälischen
Wilhelms-Universität Münster.
Er dient der Pflege der Künste auf dem Gebiet der Musik durch
Lehre und Studium, Kunstausübung und künstlerische Entwicklungsvorhaben
sowie der Ausübung des Promotionsrechts (HG §28, NRW 05.12.2003)
Parallel zu diesen Strukturreformen entschied die damalige Abteilung
Münster der Hochschule für Musik Detmold die baldige Einführung
konsekutiver Bachelor/Master-Studiengänge und beauftragte eine
interne Profil- und Strukturkommission, die inhaltlichen Änderungen
vorzubereiten.
Mit der Unterstützung des Kollegiums, der Studierenden, den
Gremien der Universität und der uneingeschränkten Förderung
des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung des Landes
Nordrhein-Westfalen beginnt im Oktober der erste BA-Jahrgang.
Ministeriell genehmigt wurde eine zweijährige Probephase von
drei BA- Studiengängen mit der Auflage, innerhalb dieses Zeitraums
auch die nun anlaufende Akkreditierung abzuschließen.
Das Wichtigste im Überblick
Aus der Sicht einer/eines Studierenden ergeben sich für den
Studienverlauf folgende Aspekte:
Bewerbung für einen BA-Studienplatz Musik mit Instrument/Stimme
oder für Elementare Musik
mit der Bewerbung Einreichung einer detaillierten Beschreibung
der Studienmotivation
zweijähriges gemeinsames Basisstudium in thematischen
Zusammenhängen aller drei Studiengänge
Wahl eines der folgenden Berufsfeldorientierten Studienprofile
ab dem dritten Studienjahr:
„Musik und Vermittlung“
„Musik und Kreativität“
„Musik im Kontext“
Hospitationspraktikum zwischen dem zweiten und dritten Studienjahr
Projektmodul im vierten Studienjahr
Erweiterung des bisherigen Hauptfachunterrichts zum Kernmodul
mit Ensemblespiel und Spezifizierungen im Hauptstudium innerhalb
der drei Studiengänge
persönliches Coaching der Studierenden mit regelmäßigen
Beratungsgesprächen
Aufbau eines persönlichen Portfolio ab dem ersten Studienjahr
ausgeglichene Verteilung der Präsenzstundenzahl in allen
Semestern.
Ausgangspunkte, Leitideen
Klaus-Ernst Behne schrieb in seinem Artikel „Quo vadis Musikhochschulen“:
„Die Musikhochschulen müssen einen Weg finden, den Spagat
zwischen Praxisorientierung auf der einen und höchsten künstlerischen
Ansprüchen auf der anderen Seite zu bewältigen.“
(nmz
2/03).
Aus der Sicht der potenziellen Studierenden ließe sich anfügen:
Wer Musik studieren möchte, möchte einen Traum realisieren.
Ob dieser Traum auf dem Berufsmarkt eine Wirklichkeit findet, steht
zu oft auf einem anderen Blatt. Aus derartigen Grundüberlegungen
heraus entstand in Münster die Idee eines geteilten BA-Studiums.
Die Studierenden beginnen ein zweijähriges Basisstudium mit
dem jeweiligen Instrument/Stimme. Sie studieren anfänglich
„nur“ Musik und entscheiden erst zu Beginn des dritten
Studienjahres über ihr individuelles Ausbildungsziel.
Ab dem dritten Jahr ist die Wahl eines der drei nachfolgend aufgeführten
Studiengänge möglich, verbunden mit einer gründlichen
Beratung und Begleitung. (siehe Tabelle I : Musik und Vermittlung
ab dem 3. Studienjahr)
Tabelle I: Musik und Vermittlung ab dem 3. Studienjahr
Für diesen Studiengang entscheiden sich Studierende, welche
eine musikpädagogische Kompetenz erwerben möchten. Die
Spezialisierung zum Musikvermittler erfolgt in mehreren Modulen:
Im jeweiligen instrumentalen/vokalen Kernmodul wird zielgruppenspezifische
Literatur in das Unterrichtsangebot aufgenommen.
Das Modul „Musikvermittlung“ umfasst allgemein- und
fachdidaktische Inhalte sowie Grundlagen des Musiklernens und -lehrens.
Das Modul „Studienschwerpunkt“ beinhaltet die Unterrichtspraxis
mit unterschiedlichen Zielgruppen sowie die Planung, Analyse und
Reflexion von Unterrichtsprozessen.
Im vorgelagerten Hospitationspraktikum erkunden die Studierenden
musikpädagogische Einrichtungen. Der pädagogische Abschluss
im vierten Jahr wird durch ein Mentoren betreutes Unterrichtspraktikum
in einer musikpädagogischen Einrichtung, vorzugsweise einer
Musikschule, vorbereitet.
Während dieser Praktikumszeit haben die Studierenden zusätzlich
eine wöchentliche Unterrichtsbegleitung durch den jeweiligen
Fachdidaktiklehrer der Hochschule.
Neu eingerichtet wird zum Wintersemester der Studiengang „Elementare
Musik“. Er vermittelt eine Zweifach-Qualifikation mit der
Lehrbefähigung für Elementare Musik und für das jeweilige
Instrument/Stimme. Mit der entsprechenden Modulauswahl können
die Studierenden individuelle Akzente setzen in Richtung elementare
Gruppenimprovisation, Ensembleleitung oder Gestaltung in Musik und
Bewegung. (siehe Tabelle II: Musik und Kreativität ab dem 3.
Studienjahr)
Tabelle II: Musik und Kreativität ab dem 3. Studienjahr
Mit diesem Studiengang sind Studierende angesprochen, welche eine
künstlerische Kompetenz erwerben möchten. Durch die kontinuierliche
Verknüpfung des jeweiligen Instrumentes/Stimme mit Ensemblepraxis
gewährleistet das Curriculum den flexiblen Einsatz für
die unterschiedlichsten Anforderungen der Berufspraxis. Im Studienverlauf
sammeln die Studierenden Erfahrungen in verschiedenen Ensemblebesetzungen,
wobei der Schwerpunkt im Aufbau kammermusikalischer Ensemblearbeit
liegen wird.
Im Modul „Studienschwerpunkt“ wählen die Studierenden
Angebote aus den Bereichen „Management und Marketing“,
Tonstudioarbeit sowie „Arbeitsfeld Bühne“.
Mit diesem Studiengang bietet die Musikhochschule Münster
erstmals die praxisorientierte Verknüpfung von Musiktheorie
und Musikwissenschaft in einem Studiengang an. Im Kernmodul werden
stilorientierte Improvisation, Arrangement- und Stilkopietechniken
sowie praxisorientiertes Klavierspiel vermittelt. Im Modul „Studienschwerpunkt“
absolvieren die Studierenden vergleichbar den „Musikvermittlern“
ein musikpädagogisches Praktikum mit eigenen Unterrichtsversuchen.
Semesterwochenstunden
Die Studierenden klagen in den derzeitigen Diplomstudiengängen
häufig über ein erhebliches Ungleichgewicht in der Verteilung
der Präsenzstunden im Grund- und Hauptstudium. Mit den künftigen
BA-Studiengängen sind die Modulstunden so über die vier
Studienjahre angeordnet, dass sich eine annähernd gleichmäßige
Präsenzstundenzahl von 15 Semesterwochenstunden ergibt. In
der musiktheoretischen und -wissenschaftlichen Ausbildung sind die
Module so miteinander verknüpft, dass die zu studierenden Inhalte
in thematischer Abstimmung geplant und vermittelt werden.
Hierzu bildet die Hochschule jährliche Dozententeams, welche
ihre Inhalte in den Modulen koordinieren. Durch diese gleichzeitige
Annäherung erschließen sich die Inhalte für die
Studierenden in effizienter Weise.
Projektmodul
Zu Beginn des vierten Studienjahres wählen die Studierenden
aller drei Studiengänge ein Projekt für die Dauer von
zehn Wochen. In einem Team von in der Regel sechs bis acht Studierenden
wird in diesem Zeitraum eine praxisbezogene Themenstellung selbstständig
geplant, erarbeitet und realisiert.
Das gesamte Modul vom Exposé bis zur Präsentation wird
dokumentiert und evaluiert und nimmt den Stellenwert einer schriftlichen
Bachelor-Arbeit ein.
Kernmodul
Die Bezeichnung Hauptfach verwendet die Musikhochschule Münster
in ihrem Modulplan nicht mehr. Geht man von der Annahme aus, dass
etwa ein Modul einen Cluster von Lehrveranstaltungen bezeichnet,
bedeutet dies auch die Ausweitung der traditionellen Auffassung
vom bisherigen Hauptfachunterricht. Zum semesterwöchentlichen
Einzel-Unterricht von 90 Minuten kommt ein gleicher zeitlicher Umfang
von Ensemblepraxis in allen acht Semestern hinzu. Die Hochschule
fördert somit klassenübergreifend eher den Teamplayer
als den Solisten vom ersten Semester an.
Coaching und Portfolio
Beratung erhält in diesem komplexen Studiensystem eine zentrale
Bedeutung. Wie stelle ich meinen Studienplan zusammen, welche „Reparaturmaßnahmen“
kann ich in Anspruch nehmen, wenn ein Modul nicht erfolgreich absolviert
werden konnte, welche Profilwahl im Hauptstudium kommt für
mich in Frage. Fragen und Probleme, die ein einzelner Berater zeitlich
nicht bewältigen kann. Die Studierenden in Münster erhalten
ihren persönlichen Coach, der sie durch das gesamte Studium
begleitet und mit dem sie regelmäßig Kontakt halten.
Ihrerseits dokumentieren die Studierenden ihren individuellen Studienverlauf
durch den kontinuierlichen Aufbau eines Portfolios. Es enthält
Notizen, Reader, Literaturlisten, Ausarbeitungen, Skizzen und Kompositionen
oder Internetrecherchen. Das Portfolio wird so gestaltet, dass es
den Studierenden für Bewerbungen und Präsentationen nützlich
wird. Gleichzeitig dient es den regelmäßigen Coaching-Gesprächen.
Ausblick
Die Eingliederung der Musikhochschule in die Westfälische
Wilhelms-Universität ermöglicht weiterhin gemeinsame modulare
Angebote mit dem Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik.
Hierzu sind intensive Planungen angelaufen.
Der Einführung der BA-Studiengänge folgt die Planung
von konsekutiven Master-Studiengängen in Zusammenarbeit mit
den Institutionen der Region einschließlich der Niederlande
(Euregio). Gemeinsame Lehre und Forschung, Dozenten- und Studierendenaustausch
sowie gemeinsame Veranstaltungen werden wesentliche Elemente der
Master-Studiengänge werden.
Doch zunächst gilt es, den ersten Schritt zu wagen. Das Premierenfieber
hat uns gepackt. Macht Münster es möglich?