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nmz-archiv
nmz 2006/05 | Seite 1
55. Jahrgang | Mai
Leitartikel
Phono-Graphie
Da tobt die Revolution – oder keimt ernsthaft eine späte
Erkenntnis? „Musikwirtschaft und gesellschaftliches Engagement“
ist die Unterzeile eines herausfordernd kulturpolitischen Artikels
in der nmz Jahrgang 1993 – und die Headline des Intros zum
Jahrbuch der Phonographischen Wirtschaft 2006. Verantwortlich gezeichnet
vom neuen Vorsitzenden des Bundesverbandes, Michael Haentjes und
vom marktunwetter-gestählten Geschäftsführer Peter
Zombik. Es werden dort erstaunliche Festlegungen getroffen: Die
deutsche Phonowirtschaft ist eigentlich schon länger –
bekennend ab sofort – kulturell, sozial, ökologisch und
politisch engagiert.
Man verortet sich offenkundig gesellschaftlich, übernimmt
Verantwortung für musikalische Breitenbildung, Nachwuchsförderung
und für ein kulturnahes Urheberrecht. Welche Töne aus
einem schlingernden Schiff, das noch zur Thomas-M.-Stein-Zeit überwiegend
nach Versace- samt Bacardi-Cola-Dunst duftete. Mit dem wenig später
ein Club der kalten Rechner auf der Kommando-Brücke etliche
Millionen beim fantasielosen Kampf gegen die Schulhof-Kopier-Piraten
versenkte. Das dann beim Aufbau einer gemeinsamen Download-Plattform
jämmerlich zerschellte. Aus dem als lautestes Geräusch
immer noch der „Echo“ – ein eitles Preis-Gestrüpp,
ausgedealt zwischen den später gepriesenen Labels – mühsam
erschallt. Welche Töne zu einem Zeitpunkt, da mit Hartmut Spiesecke
der bis dato musischste und offensichtlich intelligenteste Lotse
des alten Panzerkreuzers „BV Phono“ leider von Bord
geht. Aber vielleicht gründet dieser neue Stand- und Ausgangspunkt
ja auch noch mit auf Spieseckes langjähriger, mühsamer,
qualitätvoller Arbeit.
Etwas im Schatten sonstiger greller Selbstvermarktungs-Aktivitäten
entstand da in Kooperation mit der GEMA und dem Deutschen Kulturrat
ein ziemlich gescheites Heft samt CD zum Thema „Geistiges
Eigentum“ als Unterrichtsmaterial (beim Mainzer Schott-Verlag).
Auf spektakuläre Schüler-Kriminalisierung à la
„Copy kills music“ verzichtete man zugunsten sachlicher
Information. Und ein paar harte Jahre auf dem Buckel – die
sich freilich in fruchtbarer Erfahrung auszahlen – hat auch
schon die „School-Tour“ der verbandseigenen Phono-Akademie.
Anders als beim leicht kommerziell müffelnden Pop-Ausscheid
des Deutschen Musikrates namens „School-Jam“ –
hier werden Fertigprodukte aus dem Schülerband-Reservoir in
recht schlichter Hitparaden-Manier abgegrast und im Profit-Center
der Frankfurter Musikmesse exhibitioniert – geht es bei der
School-Tour um eine qualitätvolle, zeitgemäße Form
der Musikpädagogik (siehe
auch Seite 40). Ein Team authentischer Realisatoren trägt
für jeweils eine Woche komplette CD-Produktions-Kompetenz direkt
in Schulklassen, erzeugt kreative Kraftfelder, vermittelt technisches,
musikalisches und wirtschaftliches Wissen und liefert ganz nebenbei
die Erkenntnis, wie viel Leistung hinter der Aufnahme eines jeden
eingespielten Titels steckt.
Wenn das den neuen Selbstdarstellungs-Stil des BV Phono repräsentiert:
Herzlich Willkommen im Kreis der glaubwürdigen Musikvermittler!