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nmz-archiv
nmz 2006/05 | Seite 7
55. Jahrgang | Mai
Magazin
„Die Buchpreisbindung muss erhalten bleiben“
Gespräch auf der Frankfurter Musikmesse: Über den Handel
mit Noten
„Stirbt der deutsche Musikalienhandel?“ Mit dieser
Frage übertitelten wir in unserer letzten Ausgabe die
Presseerklärung des Berliner Musikalienhändlers Hans-Wolfgang
Riedel. Die Erläuterungen Riedels zum Verhältnis zwischen
Verlag und Musikalienhändler, zur Buchpreisbindung (er fordert
deren Aufhebung), zu Rabatten und Preisen lösten unter den
Verlegern nicht eben Freude aus. Das ist verständlich. Seine
Händler-Kollegen allerdings scheinen nicht viel glücklicher
mit dem zu sein, was er hier – doch scheinbar im Sinne des
Handels – über das Ende des Sortiments schreibt. Zwar
habe er in einigem Recht, so lauteten die vielstimmigen Kommentare
im Verlauf der Frankfurter Musikmesse, welche sowohl Verlage (Aussteller)
als auch Musikalienhändler (Fachbesucher) zu ihrer Kernkundschaft
zählt. Dennoch überwog das Unverständnis. Daniela
Zimmer, Inhaberin der Stuttgarter Musikalienhandlung „Lausch
& Zweigle“ und Vorsitzende des Fachverbandes Musikalien
im Gesamtverband deutscher Musikfachgeschäfte (GDM), Thomas
Tietze, Leiter der Rechtsabteilung des Bärenreiter-Verlages,
sowie Heinz Stroh, Geschäftsführer des Deutschen Musikverlegerverbandes
(DMV), trafen sich am Messestand der neuen musikzeitung, um über
das Geschäft mit den Noten zu diskutieren.
Lebhafte
Debatte am ConBrio-Stand (v.li.): Heinz Stroh, Daniela Zimmer,
Thomas Tietze und Barbara Haack. Foto: Koch
Es scheint große Einigkeit zu herrschen. Händler und
Verleger der Musikbranche sind zwar nicht – wie es die Buchbranche
mit ihrem Börsenverein vormacht – in einem Verband vereint.
Dennoch zeigt sich durch die gemeinsame Geschäftsstelle und
die Geschäftsführer-Personalunion ein starkes Signal zum
Miteinander. Dennoch, so viel sei gesagt, sprechen Verleger unter
der Hand anders als vor dem Medien-Mikrofon. Kritik am „vorgestrigen“
Musikalienhandel wird da gerne mal geäußert. Der auch
nicht immer genug für den Absatz tue. Gefragt nach den Wünschen
der Verlage an das Sortiment, sprach Thomas Tietze das Thema IDNV
an. Er äußerte den Wunsch, dass sich noch mehr Händler
an dieses Katalogsystem anschließen sollten, das von GDM und
DMV gemeinsam entwickelt wurde und das als bestes System für
alle am Handel Beteiligten angesehen wird.
Zu preiswert würden Noten angeboten, hatte Riedel angemahnt.
Deutschland sei zum „Noten-Billig-Land“ geworden. Das
jedoch scheint an den realen Verhältnissen vorbeigedacht. Die
Verlage kalkulieren haarscharf, um, wie Tietze sagt, gerade mal
so hinzukommen. „In der heutigen Zeit sind wir froh um jede
Note, die wir verkaufen.“ Die Musikalienhändler ihrerseits
müssen sich an die Preisbindung halten. Den Preis jedoch bestimmt
letzt-lich der Endkunde. Nur wer hier angemessen kalkuliert, das
wissen Verlage wie Händler, wird seine Noten in ausreichender
Stückzahl verkaufen können. Sicher gebe es Kunden, so
Zimmer, die ein Notenheft auch kaufen würden, wenn es drei
Euro mehr koste. Aber der Kunde, der samstags zum Stöbern kommt,
nimmt das Heft dann eher nicht mit. „Zu teuer, da kopieren
wir lieber“, ist häufig die zwar nicht ausgesprochene,
aber doch gedachte und auch realisierte Konsequenz.
Was wünschen sich denn nun die Verleger von den Händlern
und die Händler von den Verlegern? Natürlich Verständnis
für die jeweilige Rabattpolitik bzw. -erwartung des anderen.
43 Prozent Rabatt seien nötig, so hat es ein vom Händlerverband
beauftragter Unternehmensberater errechnet, damit der Handel kostendeckend
arbeiten könne. Einige Verlage würden sich im Rabattdurchschnitt
daran halten, so Daniela Zimmer, mit den anderen sei man im Gespräch.
Auf jeden Fall gebe es hier große Unterschiede, einige „schwarze
Schafe“ seien auch darunter.
Am liebsten würden die Verlage nur zehn oder gar fünf
Prozent gewähren, um wirtschaftlich kalkulieren zu können,
so Tietze. Aber natürlich tun sie das nicht, denn der Handel
sei „nach wie vor der wichtigste Partner der Verlage“.
Im Gespräch scheint es, als ob Rabattharmonie die Regel, Differenzen
die Ausnahme seien. Im Übrigen hat der Fachverband Musikalien
ein Händler-Premiummodell entwickelt. Verlage sollen danach
Händlern, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, besonders
gute Rabatte einräumen. Solche Voraussetzungen sind unter anderem
ein offenes Ladengeschäft, ein integrierter Versandhandel,
ausgebildetes Personal oder die Teilnahme an dem das Bestellwesen
erleichternden Datenbanksystem IDNV. Der Verlegerverband setzt sich
für das Modell ein, und die Verlage sind teilweise schon aufgesprungen.
Obwohl Rabattverhandlungen in letzter Konsequenz keine Verbandssache
sind. Noch immer ist es der Verlag selbst, der seine Rabattpolitik
bestimmt und sie mit den Händlern im Einzelnen „ausdealt“.
Und wie sieht es aus mit dem Handel im Internet? Kein Problem,
so Thomas Tietze; fast alle Verlage bieten ihre Produkte inzwischen
auch über einen Internet-Shop an. Alle aber seien daran interessiert,
den Handel zu stützen. Bärenreiter macht es daher so,
wie viele andere Verlage auch: Man lässt dem Internet-Kunden
die Wahl, bei welchem Musikalienhändler er die Ware kaufen
möchte. Die wird dann über die entsprechende örtliche
Musikalienhandlung ausgeliefert. Daran verdienen alle. Alles andere
sei lediglich „kurzfristig verdientes Geld“, so Tietze.
Daniela Zimmer räumt allerdings ein, dass sich auch hier
eine Reihe von Ausnahmen unter den Verlegern finden. Es gebe durchaus
einige, die ihre Produkte über das Netz direkt an den Endkunden
verkaufen und den Handel damit umgehen. Diese werden allerdings
vom Sortiment dann auch „sanktioniert“. Ihre Ware findet
sich weit seltener in den Regalen als die der „handelstreuen“
Verlage. Im Übrigen hat fast jeder Musikalienhändler heute
einen eigenen Webshop. Das ist in der Regel eine – komfortablere
und nutzerfreundlichere – Fortsetzung des gut funktionierenden
Versandhandels, den Musikalienhändler schon seit Jahrzehnten
betreiben. Einige Händler – wie zum Beispiel das Detmolder
„Haus der Musik“, das einen herausragenden Kundenservice
im Netz anbietet – sind auf diesem Gebiet Vorreiter und werden
für die Zukunft sicher Maßstäbe setzen.
Größten Unmut hatte Riedels Forderung nach Aufhebung
der Buchpreisbindung (die auch für Noten gilt) ausgelöst.
Gottlob haben wir die, so Daniela Zimmer, denn ohne diese Regelung,
die im Jahr 2000 gesetzlich fixiert wurde, würde es nur noch
einige wenige „Brotartikel“ für sehr geringe Preise
geben. Weitere Produkte würden unerschwinglich für das
breite Publikum. Das flächendeckende aktive Musizieren müsste
erheblich darunter leiden. Eine Aufhebung der Buchpreisbindung hätte
auf jeden Fall einen Rückgang der Produktvielfalt auf dem Musikalienmarkt
zur Folge. Gleichzeitig brächte sie eine spürbare Reduzierung
vor allem der kleinen und mittleren Musikalienhandlungen in Deutschland
mit sich, die den Dumpingpreisen großer Ketten nicht mehr
gewachsen wären. Das aber widerspricht auch den Wünschen
Hans-Wolfgang Riedels. Im Übrigen vollzieht sich der durchaus
zu beobachtende zahlenmäßige Rückgang der Musikalienhändler
in Deutschland parallel zum Einbruch des gesamten Einzelhandels.
„Wir haben eine wirtschaftliche Krise in Deutschland, die
insbesondere den Einzelhandel betrifft“, erläutert Heinz
Stroh. Gerade dem Handel, der schwerpunktmäßig Noten
verkauft, geht es aber – gerade wegen der Preisbindung –
vergleichsweise gut. Händler, die vor allem Instrumente oder
Musik-Elektronik verkaufen, haben sehr viel mehr Grund zur Klage.
– Sicher ist, dass auch das Geschäft mit den Noten nicht
eben auf Rosen gebettet ist. Die Aufhebung der Buchpreisbindung
allerdings würde für keines der Probleme eine Lösung
bedeuten.