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nmz-archiv
nmz 2007/06 | Seite 1
56. Jahrgang | Juni
Leitartikel
Kongress wirkt
Ein Landesjugendorchester, das im Kongress-Ambiente Xavier Naidoo
den Background weichspielt. Ein Kriminologe, ehemaliger Landes-Justizminister,
der im Grundsatzreferat ernsthaft Musikpädagogik als Schutzimpfung
empfiehlt – gegen Medien-Verwahrlosung im Allgemeinen und
Computer-Verblödung im Besonderen. Ein Pädagogik-Professor,
der ununterbrochen elementare Musikerziehung zur vergeblichen Liebesmüh
niederargumentiert. Und ein Musikschulleiter, der vom toten Gleis
BAT maximal Zwo aus Mitteln der Bundeskulturstiftung sowie seines
Bundeslandes ins Karriereglück eines Geschäftsführers
avanciert. Und das auch noch für ein hochkarätig ausgestattetes
Projekt namens „Jedem Kind ein Instrument“: Hätte
man mir vor drei Jahren berichtet, all solches sei organischer
Bestandteil eines Kongresses des Verbandes deutscher Musikschulen
gewesen mit so viel Mut zur kulturellen Extrovertiertheit, zur
Infragestellung der gewachsenen eigenen Verbands-Programmatik – ich
wäre spontan einem Trappisten-Orden beigetreten.
Das passiert
jetzt nicht mehr (manche Musikmenschen dürften
es bedauern) – obwohl all diese Ereignisse das diesjährige
VdM-Meeting in Mannheim zu einem ganz besonderen machten. Die Musikschulen
sind in der harten Realität scharfer Konkurrenz um die Zuteilung
von Lebenszeit-Kontingenten und Medien-Awareness angekommen. Es
wird nicht mehr gejammert, sondern gehandelt. Ökonomisch sensibles
Management, schlanke Strukturen, quantitative Leistungskriterien
als Benchmarks für Mitarbeiter haben umständliche Diskussionen
um Vorzüge und Nachteile alltäglicher pädagogischer
Feinjustierung streckenweise überlagert oder abgelöst.
Schade. Doch das ist dem geistigen Klima unseres Landes geschuldet.
Kienbaum mit Partner würden diese Entwicklung „sehr
vernünftig“ nennen. Wir befinden uns eben im tiefen
Tal der Erbsenzähler.
Was wir in Zukunft brauchen, sind aber Erzähler und Erfinder.
Auf dem Instrument, auf der Leinwand, auf Papier und Bildschirm.
Auch dem trug der VdM in Mannheim Rechnung. Informations- und Fortbildungsangebote
zu Hauf. Manche vermissten freilich Wegweiser. Eine neue Selbstständigkeit
wird künftig vorausgesetzt.
Wohin führt dieser Aufbruch: Zumindest politisch entsteht
Bewegung. Ein Norbert Lammert stellt Musikerziehung an die Spitze
seiner kräftigen bildungspolitischen Aktivitäten. Eine
Gitta Connemann schafft quasi parteiübergreifend mit ihrer
Kultur-Enquete-Kommission eine suprakapitalistische Kulturbilanz
samt Visionen. Für all das liefert der VdM Boden und Spalier.
Dieser Verband hat einen gesund gewachsenen Werte-Vorrat. Ihn gilt
es zu festigen, seinen Gewinn zu maximieren. Gern gemeinsam mit
natürlichen Verbündeten: den Schulmusikern, den Musikhochschulen,
den Komponisten, den Privatmusikerziehern, den Musikern in freien
und festen Ensembles. Wo dabei die groben Werkzeuge unserer Marktwirtschaft
behilflich sein könnten, seien sie willkommen. Als Hilfs-Mittel.
Theo Geißler
Mehr zum Musikschulkongress auf den Seiten 15, 28 und 48 sowie
unter www.nmzmedia.de