Jürgen Vogt wischt Aussagen zur Wirkung von Musik als „Bullshit“ beiseite.
Ohne meinerseits diesen unschönen Begriff verwenden zu wollen,
muss ich dem entschieden widersprechen. Insbesondere die schädlichen
Wirkungen populärer Musik sind sehr ernst zu nehmen. Vogt
schreibt unter anderem: „Offensichtlich wird hier von einem
einfachen Reiz-Reaktionsmodell ausgegangen, das doch Psychologie
und Pädagogik schon lange hinter sich gelassen haben.“ Dabei übersieht
er, dass Einflüsse und Wirkungen auch ohne Vorliegen eines „einfachen
Reiz-Reaktionsmodelles“ existent sein können.
Psychologische Untersuchungen belegen, dass der Konsum von Mediengewalt,
seien es nun Computerspiele, Filme oder Musik, bei vielen Menschen
unmittelbar zu einer Erhöhung des Aggressionsniveaus führt.
Neben diesem kurzfristigen Effekt ist ein langfristiger, persönlichkeitsverändernder,
für aggressive (audio-)visuelle Medieninhalte ebenfalls erwiesen
(was spätestens seit Manfred Spitzers Buch „Vorsicht
Bildschirm!“ Allgemeinwissen geworden sein sollte). Untersuchungen
für die langfristige Wirkung aggressiver Musik stehen noch
aus; Die Indizien sprechen aber dafür, dass es sich damit
nicht anders verhält als mit dem Konsum von aggressiven Videospielen
oder Filmen. Warum sollte es auch?
In der Tat bestätigen Aussagen von Hörern in der musiksoziologischen
und popularmusikkritischen Literatur, dass auch aggressive Musik
sowohl unmittelbar zu Gewalt anregen als auch langfristig die Einstellungen
etwa zu Gewalt, Sex und Drogenkonsum verändern kann. Wenn
wir einmal auf die letzten Jahrzehnte zurückblicken, dann
sehen wir, wie gut sich gesellschaftliche Entwicklungen mit der
These von der manipulativen Kraft aggressiver Musik erklären
lassen: In den 1950er- und 1960er-Jahren wurde in den USA und in
Europa bekanntlich ein dramatischer Wertewandel eingeleitet. (...)
Wir Musiker, Musikwissenschaftler und Musikpädagogen müssen
uns endlich der Tatsache bewusst werden, dass Musik als Überträger
von Emotionen mehr als nur eine Geschmacksfrage ist, und dass wir
dafür verantwortlich sind, welche Emotionen und welche Werte
wir über die Musik an die junge Generation weitergeben.
Dr. Klaus Miehling, Freiburg
Lautsprecher aus! Der Verein gegen Zwangsbeschallung