1998
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Leitartikel
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Auf der Suche nach dem Sinn des Nichts |
Weitere Anmerkungen zu Berndt W.
Wessling in der Ausgabe nmz 2/98 Vor nicht allzu langer Zeit arbeitete ich an einem Aufsatz über die Rezeption Richard Wagners in der Berliner Wochenschrift Die Weltbühne. Die Weltbühne widmete sich als unabhängiges Sprachrohr der kritischen, vor allem linksbürgerlichen Intelligenz der Weimarer Republik wiederholt dem Ideologen Wagner und der Bayreuther Deutschtümelei. Den Höhepunkt dieser Auseinandersetzung bildete ein kämpferischer Artikel des Herausgebers und späteren Friedensnobelpreisträgers Carl von Ossietzky. Eine Woche vor dem Reichstagsbrand erschien Carl von Ossietzkys fulminante Abrechnung, bewußt die neuen Machthaber und deren in entscheidenden Teilen von Wagner genährten mythologischen Fundus brüskierend. Heute gilt dieses schlicht Richard Wagner betitelte Pamphlet neben dem Wagner-Essay Thomas Manns als gewaltigstes und entschiedenstes Dokument der Wagner-Rezeption angesichts des Nationalsozialismus. Damals wurde er von den politischen Umwälzungen in den Schatten gedrängt. Um so erfreuter war ich, als mir bei der Suche nach Umfeldmaterial in der Ossietzky-Biographie Berndt W. Wesslings gleich sieben Reaktionen auf den Artikel Ossietzkys vorgestellt wurden. Wessling zitierte aus einhellig empörten Artikeln, die aufgrund der politischen Lage durchweg als brisant zu werten sind. Er präsentierte als Gegner Carl von Ossietzkys und somit indirekt als Feinde der Republik: Alfred Kerr, Hans Knappertsbusch, Fritz Stein, Gustav Havemann, Friedrich Wel-ter sowie gleich zweimal Fritz Stege. Wessling ließ Kerr von einer Orgie der Anmaßung kreischen, Knappertsbusch wird mit einem Satz zitiert, der Ossietzky paranoide Ansätze attestiert. Mein Interesse war geweckt. Ich bestellte in Bibliotheken die leicht zugänglichen Organe, die Wessling in den Fußnoten als Quellen seiner Zitate ausgewiesen hatte: Berliner Tageblatt, Münchner Neueste Nachrichten, Berliner Lokalanzeiger, Zeitschrift für Musik, Völkischer Beobachter. Da Berndt W. Wessling es nicht versäumt hatte, die genauen Erscheinungsdaten der wütenden Reaktionen mitzuliefern, lagen mir bald die betreffenden Zeitungen beziehungsweise Zeitschriften vor Artikel für oder gegen Ossietzky enthielten sie aber nicht, auch ein Blick in die vorhergehenden und nachfolgenden Nummern blieb vollkommen erfolglos. Keine der sieben von Berndt W. Wessling angegebenen Quellen ließ sich schließlich in der Autopsie nachweisen. Nun erschien es mir auch weniger verwunderlich, daß kein gängiges Zeitschriftenverzeichnis die von Wessling ebenfalls zitierte Kulturwacht nachweisen konnte. Und jetzt erst fiel mir auf, daß der von Wessling unter dem Datum 23. Februar 1933 zitierte und ebenfalls unauffindbare Artikel Alfred Kerrs zu einem Zeitpunkt erschienen sein soll, zu dem Alfred Kerr Deutschland bereits lange fluchtartig verlassen hatte. Sein letzter Artikel für die Zeitung Berliner Tageblatt datiert vom 23. Januar. Berndt W. Wessling zitierte ferner aus einem Interview mit Erika Mann, in dem er die Tochter Thomas Manns über das Verhältnis ihres Vaters zu Ossietzkys Wagner-Artikel befragte. In der entsprechenden Fußnote heißt es: Erika Mann in einem Interview mit dem Autor, Kilchberg, 4.8.1966. Wer in einer wissenschaftlichen Arbeit nicht auch die Sieben Geißlein als historische Zeugnisse zitiert, wird wohl beraten sein, auch diesem Interview nicht allzu großes Gewicht beizumessen. Wie man die Methoden Wesslings auch immer nennen mag, mit Wissenschaft haben sie wenig zu tun. Viktor Otto, Berlin |
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